Nichts ist entscheidender für den Unternehmenserfolg als Kommunikation. Und wie kann hierbei die Vernetzung der Mitarbeiter, Investoren und Kunden sowie das Daten- und Wissensmanagement auf allen Ebenen nachhaltig gelingen? Mit der „Communicative Organization“, sagen Ulrike Germann und Eberhard Seitz, die in ihrem Buch „Disrupt your Communication!“ einen revolutionären Kommunikationsansatz präsentieren und hierfür Daten als entscheidenden Treiber unternehmerischen Handelns identifizieren. Ein neuer, KI-basierter Managementstil.
Daten treiben die Entwicklung
Stand heute haben viele Organisationen weder konkrete Pläne für eine strategische Neuausrichtung noch für eine effiziente Nutzung innovativer Technologien. Und schon gar nicht für eine Disruption. Auch wenn immer mehr Unternehmenslenker ihre Informationssysteme vernetzen und riesige Mengen an Daten in Clouds speichern – zur Nutzung einer automatisierten Steuerung sämtlicher Abläufe im Unternehmen, zur Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung – , hinken zahlreiche Organisationen hinterher und nutzen diese Innovationen längst nicht so intensiv, wie es möglich wäre. Data-Mining als vermeintlicher Goldstandard steckt bei vielen Unternehmen wohl noch im Eisenerzzeitalter fest.
Kommunikationsverantwortliche verharren oft deshalb auf ihrem Leistungsniveau, weil ihre Organisation keine Entwicklung verlangt. Das Management ist zufrieden mit Website-Content, Text- und Bildnachrichten, hier und da ein paar Posts über Social Media und gelegentlich eine Pressemitteilung. Ein Podcast wird, ebenso wie das ein oder andere Video auf Youtube, als große Innovation gefeiert. Nach wie vor ist die klassische Website der Anker für die Geschäftstätigkeit von Unternehmen, zum Beispiel für Onlinehändler, Reisevermittler oder Banken. Das entscheidende Drehmoment ist jedoch die Veränderung des Kunden vom Consumer zum Prosumer. Das heißt, er lässt sich heute nichts mehr verkaufen, sondern ist informiert und weiß genau, was er kaufen will.

„Vom Kunden her denken! Es ist mein Unternehmen! Höchster Maßstab für mich und meine Mitarbeiter! Wirkung erzielen! Konzentration auf das Wesentliche! Mit weniger Mitteln mehr erreichen! Neu denken und vereinfachen! Rückgrat, Mut und Ausdauer! Aufrichtig sein! Positiv denken! So steht es in meiner E-Mail-Signatur. Und so versuchen wir es jeden Tag zu leben.“ Dieses Statement ist nicht nur der Abschluss jeder Mail von VW-Lenker Herbert Diess, es füllt auch den Infokasten seines LinkedIn-Profils. Diess kommuniziert deutlich seine Art zu führen und nutzt dazu jede Gelegenheit.
Längst hat Künstliche Intelligenz auch in Marketing und Vertrieb neue Maßstäbe gesetzt und ermöglicht die individuelle Kundenansprache. Bestehende Kunden wie potenzielle Neukunden lassen sich zielgenau filtern und erreichen. Ob es dafür Geld in die Hand nimmt oder nicht: Die Wahrnehmung eines Unternehmens kann heutzutage schnell und massiv gesteigert werden. Doch Vorsicht: Der moderne Prosumer hat die Reihenfolge von „Angebot“ und „Nachfrage“ umgedreht und bestimmt selbst, welchen Absatzkanal er sexy findet und welchen nicht. Galten starke und global bekannte Marken früher als stabil und krisensicher, müssen Kommunikationsprofis heute die Marken regelmäßig aufladen und eine Customer-Journey bereitstellen, die besser erfahrbar und schneller erreichbar ist als beim Wettbewerber. Digitales Marketing wird ständig durch neue technische Innovationen vorangetrieben und muss fast in Echtzeit auf Trends und Kundenwünsche reagieren. Wer das nicht leisten kann, wird von neuen Wettbewerbern verdrängt. Ein kommunikatives Frühwarnsystem kann das verhindern und darüber hinaus ein Signal zum rechtzeitigen Handeln geben.
Die Geschäftswelt muss sich immer schneller an diese neue Art der Kommunikation anpassen und einzigartige Wege finden, um Verbraucher mit Handheld-Geräten, Wearables, Sensoren, Chips, Cloud-Infrastruktur, Big Data und allen Business-Intelligence-Tools zu erreichen. Dazu braucht es Teams, die sich im Metaversum wohlfühlen und sich mit der Technik, der Systematik und praktischen Anwendungen virtueller und persistenter Entwicklungen bestens auskennen. Nur wer Big Data und sprachgesteuerte Kommunikationstools wie Alexa, Siri und Co richtig einzusetzen weiß, kann daraus seine Vorteile ziehen. Avatare, Hologramme und 3D-Telefonate sind längst bei uns angekommen. Künstliche Intelligenz, Robotik sowie der effiziente Einsatz von Algorithmen sind Themen in der Kommunikation, mit denen Unternehmen sich intensiv auseinandersetzen müssen. Und das ist kein reines Zukunftsszenario. Bereits die aktuelle Evolutionsstufe erfordert, dass Unternehmen ihre Kommunikation von Grund auf verändern, um sie an die neuen Standards anzupassen. „Wir investieren erheblich in die Digitalisierung des Unternehmens und in Künstliche Intelligenz“, sagte Erich Sixt, langjähriger CEO und Gründer der SIXT SE auf der Hauptversammlung im Juni 2021. „Hier liegt die Zukunft!“

Produkte werden sprachfähig
Smarte Produkte verändern nicht nur Produktion und Fertigung, sondern auch das Nutzungsverhalten des Verbrauchers. Der Entwicklungsprozess eines Produktes endet heute nicht mehr mit dem Verkauf. Der kontinuierliche und zeitlich unbegrenzte Datenaustausch zwischen Kunden, Herstellern und After Sales wirkt entscheidend auf die Innovationsfreude, Veränderungsbereitschaft und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Über die Smartphone-Nutzung erhält der Gerätehersteller wichtige Informationen zur Evolution, Autos melden ihren Produzenten relevante Details über das Fahrverhalten. Smart-Home-Produkte gewähren Organisationen Einblicke in das Privatleben der Verbraucher, Sprachcomputer wie Alexa und Co hören mit, was gesagt wird. Alle diese Datenströme werden zu Entwicklungszwecken ausgewertet und die Ergebnisse wirken sich erheblich auf die klassische Organisationsstruktur von Unternehmen aus. Sie stehen schon damit vor einem großen Wandel.
Joachim Wenning, Vorstandvorsitzender der Münchener Rückversicherung, sieht die Nutzung von Daten als große Herausforderung: „Sinnvoll verwendet, helfen sie der Menschheit. Dafür müssen wir sie in die richtigen Bahnen lenken und in die richtigen Hände geben. Und vor den falschen schützen.“ Neben der privaten Konversation registrieren Alexa und Co zum Beispiel auch die Homeoffice-Kommunikation und ziehen ihre Rückschlüsse daraus. Diese Datenlecks Bergen ungeahnte Gefahren für Unternehmen, und das jenseits aller Datenschutzverpflichtungen der Mitarbeiter. Wer von diesen Sicherheitslücken profitiert, bleibt zunächst umstritten.
Daten sind die neue Währung. Sie ersetzen ganze Geschäftsmodelle. „Die Verknüpfung von internen und externen Daten eröffnet uns zudem zahlreiche Möglichkeiten, unsere Geschäfte effizienter zu steuern, Abläufe zu verbessern und einen Mehrwert für unsere Kunden zu schaffen. So führen wir bereits heute mithilfe Künstlicher Intelligenz Daten aus verschiedenen Quellen zusammen, um beispielsweise Innovationsprozesse zu beschleunigen, unsere Lieferketten und Logistikkonzepte zu optimieren oder Produktanwendungen für unsere Kunden zu simulieren“, berichtet BASF. Vanessa Cann, Geschäftsführerin des KI-Bundesverbands, sagte dem „Handelsblatt“ im Juli 2021: „Ohne Daten wird aus einem KI-Projekt nichts.“ Oft fehle Unternehmen die Vorstellungskraft, wo KI einen Mehrwert bietet und welche Gewinne dadurch erwirtschaftet werden können. Viele müssten zudem ihre Daten erst einmal digitalisieren, damit sie überhaupt verwertbar werden.

Diverse Kommunikationsmaßnahmen basieren auf der Nutzung von Datenströmen, das gilt insbesondere fürs Marketing. Hier starten die meisten Unternehmen die Nutzung von Daten. Automatisierung und individuelle Ansprache sind problemlos möglich. Unternehmen können über potenzielle Kunden so viel Wissen Erlangen wie noch nie. Der Reiseanbieter kann Kunden längst erinnern, dass sie ihre Buchung noch nicht abgeschlossen haben, und wer gezielt nach Kundengruppen sucht, etwa nach frisch gebackenen Eigenheimbesitzern, die sicher bald neue Möbel brauchen, kann sie über ihr Nutzungsverhalten schnell in den sozialen Medien identifizieren. Chatbots und personalisierte Newsfeeds sind nur zwei Tools, mit denen Kommunikatoren auf das Nutzungsverhalten der Kunden reagieren können.
Auch die nächste Dimension der Interaktion zwischen Kunde und Unternehmen gehört aufs Strategietableau. Das Metaverse, eine virtuelle Parallelwelt, ist schon da, die damit verbundene Next Generation der Kommunikation bietet viele Chancen. Doch für zahlreiche Organisationen ist das Metaverse noch nicht greifbar, geschweige denn nutzbar. Immerhin hat die Umfirmierung von Facebook, Instagram und WhatsApp zu „Meta“ mehr Aufmerksamkeit auf die nächste Dimension gelenkt. Und eines steht fest: Nur First Mover werden die Gewinner dieser Entwicklung sein.
Kommunikation muss Fakten schützen
Die digitale Entwicklung bestimmt die Meinungsbildung inzwischen wesentlich, und hier offenbaren sich auch Irrwege und Gefahren. So führen Nachrichten von teils fragwürdigen Absendern Empfänger in die Irre oder manipulieren sie – beispielsweise in Form von Fake News. Im Fachjargon nennen Kommunikatoren diese Art von Wissenschaftsleugnung „Denialismus“. Unternehmen und sogar ganze Branchen und Sektoren werden gezielt von Personen und kleineren Gruppen attackiert, die „eigene Wahrheiten“ oder „alternative Botschaften“ verbreiten. Denialismus ist eine Gefahr für die Reputation und verlangt eine sensible Behandlung durch den Kommunikationsverantwortlichen. Das Phänomen gibt es auch in der internationalen Politik. So wird Russland vorgeworfen, mit seinem Fernsehsender RT einen hybriden Informationskrieg zu führen, um zum Beispiel unabhängige Nachrichten zum Krieg in der Ukraine zu verhindern. China verbannt Suchmaschinen, um keine globale Transparenz zuzulassen.
Pressefreiheit und qualitativer Journalismus sind nicht überall gegeben. Seriöse Inhalte hingegen sorgen für Aufklärung und sogar für kostenlose Bildung. Google kennt die Antwort auf alles und steuert seine Nutzer in eine gewünschte Richtung – in die des Technologiekonzerns. Nicht der Verbraucher entscheidet, sondern der Plattformbetreiber. Allenfalls naive Verbraucher gehen davon aus, dass Suchmaschinen eine ehrliche und quasi neutrale Antwort geben. Doch der mündige Verbraucher wird immer cleverer und lernt, sich zu wehren. Er wird in den kommenden Jahren ein anderes Nutzungsverhalten entwickeln. Darauf müssen sich die Unternehmen einstellen. Der Faktor „Vertrauen“ wird letztendlich ausschlaggebend für das Verhalten und die Bewertung durch die Konsumenten – oder besser: Prosumenten – sein. Sie nutzen immer häufiger die wichtigen Bewertungsportale, um Missstände öffentlich zu machen, und die Glaubwürdigkeit dieser Portale ist hoch. Deswegen beschäftigen sich Kommunikatoren intensive mit Google-Bewertungen, Trustpilot, Tripadvisor und Co.

Communicative Organization: die ultimative Lösung
Neben allen diesen Herausforderungen werden Organisationen und Unternehmen in puncto Kommunikation weitere Themen auf der Agenda haben. Das können politische wie regulatorische Anforderungen sein, strukturelle oder branchenspezifische. Das Zeitalter der umfassenden Veränderungen wird nicht so bald enden, es hat gerade erst begonnen. Klar ist: Management war noch nie so anspruchsvoll wie heute. Noch nie so vielfältig und so kommunikativ. Diese Entwicklung wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen. Storys werden zum Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen und der Chief Communications Officer wird sie identifizieren, einordnen und glaubwürdig erzählen. Es geht um das Profil und das Narrativ, welche Unternehmen und Organisationen zunächst selbst infrage stellen sollten, bevor sie ihre disruptive Change-Strategie schreiben.
Alles beginnt mit einem neuen Mindset der Unternehmensführung und einem innovativen Managementstil. Die neue Organisationsform „Communicative Organization“ ist die Antwort auf alle Herausforderungen dieser Zeit. Mit ihr werden Unternehmen so flexibel sein, dass nicht ein Change dem nächsten folgen muss. Mit ihr werden die Unternehmenslenker ihren Wettbewerbern stets einen Schritt voraus sein. Sie werden die besten Talente zur Mitarbeit überzeugen sowie Wissen haltbar machen. Die Kunden werden begeistert sein, richtet sich in der Communicative Organization doch alles nach ihren Bedürfnissen. Und Mitarbeiter werden eine Kultur geprägt von Wertschätzung und Vertrauen erleben. Lesen Sie selbst.

„Disrupt your Communication!“ ist erhältlich über www.dfv-fachbuch.de