Boom oder Revolte? In den Tagen vor "Black Friday" und "Cyber Monday" kochen die Emotionen nicht nur bei den Kunden hoch. Vor allem die von einem Lockdown betroffenen stationären Händler fürchten um ihr Geschäft zum Start der Weihnachtseinkäufe. In Frankreich wird unter dem Druck der Öffentlichkeit sogar das Datum des Einkaufsfests verschoben. Dass der stationäre Handel den E-Commerce-Giganten nicht hilflos ausgeliefert ist, zeigt Indien.
///// HANDEL NATIONAL
Weihnachtpreise am "Black Friday"?
Der "Black Friday" am 27. November 2020 soll sich für den Kauf von Weihnachtsgeschenken lohnen. Dafür spricht eine Analyse des Check24-Shoppingpreisindex, die das Vergleichsportal veröffentlicht hat. Dazu wurden rund 150.000 Einzelpreise von 1.600 Produkten aus dem Jahr 2019 vergleichen. Das Ergebnis: Von Anfang Oktober bis zum Black Friday sanken die Preise moderat um durchschnittlich 1,9 Prozent, stiegen aber danach um 6,9 Prozent bis Weihnachten an. Offen bleibt, ob sich die Erfahrungen aus dem Vorjahr auf die völlig andere Situation des Handels im Corona-Jahr 2020 übertragen lassen. Immerhin geht der Handelsverband Deutschland (HDE) für den Black Friday und den am 30. November 2020 folgenden "Cyber Monday" von einem Umsatzrekord von rund 3,7 Milliarden Euro (plus 18 Prozent gegenüber 2019) aus – davon 1,2 Milliarden Euro für Weihnachtseinkäufe.
Weckruf für den Handel
79 Prozent der deutschen Verbraucher befürchten, dass Einzelhändler in ihrer Region das Corona-Jahr 2020 wirtschaftlich nicht überstehen werden. Viele Kunden möchten deshalb bewusst bei Einzelhändlern vor Ort einkaufen und gleichzeitig das hygienische Risiko senken. Dafür fehlen aber die Rahmenbedingungen: 66 Prozent der Befragten vermissen Möglichkeiten zum Online-Shopping. Und 48 Prozent beklagen fehlende Möglichkeiten zum kontaktlosen Bezahlen. Das sind Ergebnisse der Studie "E-Commerce-Trends 2020" des Digitalverbands Bitkom (siehe auch Morning Briefing vom 18. November 2020). Für den regionalen Einzelhandel ist das ein Weckruf. Bleibt zu hoffen, dass er gehört wird.
Grünes Licht für Fusion
Die Buchhandelsketten Thalia und Osiander haben vom Bundeskartellamt die Erlaubnis für eine gemeinsame Vertriebsplattform bekommen. Damit soll die Bedeutung der beiden Konzerne auch im E-Commerce wachsen: Die Firmen führen neben Einkauf und Logistik auch IT und Onlineshop zusammen. Bereits vor vier Wochen (siehe Morning Briefing vom 23. Oktober 2020) war die Gründung des gemeinsamen Vertriebsunternehmens angekündigt worden.
Emma expandiert nach Lateinamerika
Der deutsche Online-Matratzenhändler Emma eröffnet einen neuen Standort in Lissabon (Portugal). Die Niederlassung soll auch Basis für das Geschäft in den spanisch- und portugiesischsprachigen Märkten Lateinamerikas sein. Das 2013 gegründete Unternehmen hat derzeit rund 500 Mitarbeiter und gehört seit Sommer 2020 mehrheitlich zu Haniel. Bisher verkauft Emma Matratzen in Mexiko, Brasilien und Chile, jetzt sollen Kolumbien und Argentinien folgen. Leiterin des Standorts wird Filipa Guimarães, bisher Leiterin des Südeuropa-Team von Emma.
Sport zu Hause statt Schneevergnügen
Sportgeräte für die Fitness zu Hause werden bei Ebay im Vorfeld von Black Friday und Cyber Monday besonders intensiv gesucht. Das berichtet der "Cyber Week Report" für das Jahr 2020. Ebay Ads hat dafür Suchanfragen von ebay.de im Oktober 2020 ausgewertet und mit dem gleichen Zeitraum im Vorjahr verglichen. Die Suchergebnisse spiegeln den Trend zur Home-Fitness in Corona-Zeiten wider. Während Hanteln und Laufbänder also deutlich stärker gefragt sind (plus 201 Prozent und plus 36 Prozent), sind die Suchanfragen nach Skischuhen und Snowboards massiv zurückgegangen (minus 89 Prozent und minus 71 Prozent).
Stadtverordnete gegen Warenverteilzentrum
In Rüsselsheim, Standort des Automobilherstellers Opel, hat die Stadtverordnetenversammlung gegen ein Warenverteilzentrum von Ikea gestimmt. Das schwedische Möbelhaus wollte angesichts des steigenden Online-Handels einen Logistikstandort auf dem Gelände von Opel errichten. Stattdessen will das Stadtparlament aber ein kleinteiliges Gewerbegebiet verwirklichen.
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HANDEL INTERNATIONALFrankreich verschiebt "Black Friday"In Frankreich verschiebt Amazon nach erheblichem öffentlichen Druck den „Black Friday“ um eine Woche auf den 4. Dezember. Dem schließen sich andere Händler an. So soll die Furcht der unter einem harten Lockdown leidenden französischen Einzelhändler gelindert werden, Amazon und andere Online-Händler würden das Weihnachtsgeschäft überwältigend dominieren. In Bewegung gebracht hatte die Änderung eine Petition, die der französische Abgeordnete Matthieu Orphelin gestartet hatte. Während des Lockdowns in Frankreich sind die meisten Geschäfte vorerst bis zum 1. Dezember geschlossen.
Der Titel "Kaufhaus Österreich" klingt nach einem Klassiker des stationären Einzelhandels. Tatsächlich steckt dahinter das Konzept für eine "nationale E-Commerce-Plattform" des österreichischen Handels. Start von www.kaufhaus-oesterreich.at soll am 30. November 2020 sein, direkt zum Start ins Weihnachtsgeschäft. Rund 11.000 österreichische Händler sind eingeladen, sich auf der Plattform zu präsentieren, die auf die jeweiligen Online-Shops weiterleitet. Hinter dem Angebot stehen das österreichische Wirtschaftsministerium und die österreichische Wirtschaftskammer. Die Plattform will auch den Kontakt zwischen Handel und zertifizierten "E-Commerce & Social-Media-Beratern" herstellen, um bei den Händlern die Kompetenzen für den Online-Handel zu stärken. Bewegung kommt in Österreich unter Umständen auch in die Frage der Sonntagsöffnung im Einzelhandel. Die Gewerkschaft ÖGB lehnt angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage durch Corona eine Sonntagsöffnung an den letzten beiden Wochenenden vor Weihnachten nicht mehr kategorisch ab.
Handelsgigant in Indien entsteht
Gegen den Widerstand von Amazon hat die indische Wettbewerbsaufsicht CCI einem 3,4 Milliarden Dollar schweren Geschäft im Einzelhandel zugestimmt: Indiens größter Einzelhandelskonzern, die Reliance Group, kann von seinem größten Mitbewerber Future Group die Bereiche Einzel- und Großhandel, Logistik und Lager übernehmen. Amazon hält Anteile an einem Unternehmen der Future Group. Das amerikanische E-Commerce-Unternehmen versucht, im indischen Wachstumsmarkt Fuß zu fassen und hat bereits mehr als 6,5 Milliarden Dollar in dem Subkontinent investiert. Die indische Wirtschaft zeigt sich allerdings selbstbewusst gegenüber dem Weltkonzern: In einem Gerichtsprozess in Delhi wurde Amazon jetzt von einem indischen Anwalt mit der East India Company verglichen, der Wegbereiterin von fast zwei Jahrhunderten Kolonialherrschaft.
Große Marken stärker auf Shopify
Große nordamerikanische Unternehmen aus Lebensmitteleinzelhandel und Gastronomie setzen in diesem Jahr für das Weihnachtsgeschäft stärker auf Shopify. CNBC berichtet, dass beispielsweise die US-Schnellrestaurantkette Chipotle und der kanadische Lebensmittelhändler Loblaws auf den Trend setzen. So erlaubt Chipotle seinen eigenen Zulieferern aus der Landwirtschaft, ihre Produkte über einen virtuellen "farmers’ market" auf Shopify anzubieten. Loblaws verkauft komplette Kochboxen über Shopify. Nach wie vor seien aber kleine Unternehmen der "Motor des Geschäfts", heißt es von Shopify.