Die superschnellen Online-Supermärkte bieten zurzeit die spannendsten Geschichten. Gorillas aus Berlin zum Beispiel hat geleakten Interna zufolge viele Ideen für mehr Wirtschaftlichkeit – unter anderem eine eigene Kreditkarte. Gleichzeitig hält der Kampf auf dem Fast-Commerce-Markt Flaschenpost nicht davon ab, zunächst in Düsseldorf voll einzusteigen, unter anderem gegen Gorillas. Zwar mit längeren Lieferzeiten, dafür mit Oetker im Rücken. Siehe unten. Fortsetzung folgt garantiert bald.
///// HANDEL NATIONAL
Fast Commerce I: Flaschenpost liefert in NRW nicht mehr nur Flaschen
Getränke-Lieferdienst Flaschenpost führt in Düsseldorf und im benachbarten Langenfeld seit dem gestrigen Mittwoch "ein komplettes Vollsortiment an Obst, Gemüse, Frischeprodukte[n] und Tiefkühlware", teilt das Unternehmen mit. Das Konzept sei zuvor in Münster erfolgreich getestet worden, umfasse rund 3.600 Artikel und verspreche die Lieferung innerhalb von 120 Minuten. Das Ganze ist ein offener Angriff auf bestehende Fast-Commerce-Lieferdienste: "Damit können die Kundinnen und Kunden ihren gesamten Wocheneinkauf bequem über die App oder online via www.flaschenpost.de bestellen", so Flaschenpost. In Düsseldorf sind zum Beispiel Flink, Getfaster und Gorillas unterwegs, zum Teil allerdings mit deutlich kürzeren Lieferzeiten. Flaschenpost will das erweiterte Sortiment "perspektivisch auch in weiteren Metropolregionen in Deutschland" anbieten.
Fast Commerce II: Gorillas will wirtschaftlicher werden
Superschnelle Lieferdienste machen im gegenwärtigen harten Wettbewerb eher Verluste als Gewinne. Der in Berlin beheimatete Dienst Gorillas will mit dem Fahrplan "Gorillas 2.0" seine Wirtschaftlichkeit verbessern, wie Capital.de auf der Basis interner Unterlagen berichtet. So werde überlegt, das Sortiment massiv auszubauen, unter anderem mit einer Art Online-Apotheke, in der App solle (personalisierte) Werbung möglich sein, auch von einer eigenen Kreditkarte sei die Rede. Dazu sollen bessere Software und möglicherweise Roboter in die Lager kommen. Gegenwärtig erwirtschafte Gorillas mit einer Bestellung über 23,80 Euro plus Lieferentgelt (1,80 Euro) auf der Basis von 1.100 Bestellungen am Tag einen Deckungsbeitrag von 25 Cent. In den ersten vier Monaten 2021 habe Gorillas 20 Mio. Euro umgesetzt, der durchschnittliche Warenkorb liege bei 20 Euro (also unter den 23,80 aus dem Beispiel).
Hello Oslo: HelloFresh eröffnet Standort in Norwegen
Erst Anfang der Woche hat Kochboxen-Versender HelloFresh angekündigt, eine zweite Produktionsstätte in Deutschland aufzubauen (das Morning Briefing berichtete), jetzt folgt der nächste Schritt im Ausland: Mit einer neuen Produktion in Moss in der Nähe von Oslo expandiert das Unternehmen nach Norwegen. "Nach unserer starken Geschäftsentwicklung in Dänemark und Schweden sind wir überzeugt, dass Norwegen ideale Voraussetzungen für weiteres Wachstum bietet", sagt HelloFresh-Mitgründer Thomas Griesel. Einfach wird das nicht: "HelloFresh wagt sich damit in einen etablierten Markt, in dem gleich eine Reihe von Unternehmen Kochboxen verkauft", schreibt die Nachrichtenagentur DPA-AFX und nennt als Wettbewerber Godtlevert, Kokkeloren und Nettmat.no.
Deutsche Post DHL Group: "E-Commerce-Boom ist von Dauer"
Deutsche Post DHL Group meldet für das zweite Quartal 2021 ein vorläufiges operatives Ergebnis (EBIT) von rund 2,1 Mrd. Euro, mehr als doppelt soviel wie im Vorjahreszeitraum, und spricht von "Rekordniveau". Die Sendungsmengen von Händlern zu Verbrauchern hätten "in allen Netzwerken" über Vorjahresniveau gelegen. Frank Appel, Vorstandsvorsitzender des Konzerns, ist sich sicher: "Das zweite Quartal hat erneut bewiesen, dass sich der Welthandel weiter erholt und der E-Commerce-Boom von Dauer ist".
Presse: Logistik-Startup Fliit ist insolvent
Einem Bericht der Website Deutsche-Startups.de zufolge ist das Berliner Logistik-Start-up Fliit zahlungsunfähig. Das Unternehmen hatte sich als "digitale Spedition" auf Lebensmittel-Transporte spezialisiert und dafür insgesamt 13 Mio. Euro an Kapital eingesammelt, so die Website. Eine angekündigte neue Finanzierungsrunde habe offenbar nicht geklappt.
Amazon: Deutsche KMUs verkaufen 1.200 Produkte pro Minute
Amazon hat seinen "KMU Report Deutschland 2021" veröffentlicht und meldet darin unter anderem, dass kleine und mittlere Unternehmen 2020 mehr als 650 Millionen Produkte über die Plattform verkauft haben, das seien mehr als 1.200 pro Minute. Die Zahl der deutschen KMUs auf der Plattform liege bei etwa 40.000, mehr als die Hälfte von ihnen nutzten Fulfillment by Amazon (FBA). Der Durchschnittsumsatz pro KMU habe 2020 bei 450.000 Euro gelegen (2019: 350.000 Euro), sie seien vor allem in den Kategorien Haushalt, Bekleidung, Gesundheit & Körperpflege, Sportartikel und Spiele unterwegs.
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HANDEL INTERNATIONALDer Online-Baumarkt ManoMano ist dieser Tage durch frisches Geld zum so genannten Einhorn geworden (das Morning Briefing berichtete). Im Gespräch mit Onlinehaendler-News.de erklären die Mitgründer Christian Raisson und Philippe de Chanville, was sie vorhaben: Sie wollen in den nächsten fünf Jahren "die unangefochtene Marke Nr. 1 für Heimwerker in Europa werden" . Das soll unter anderem durch viel Werbung passieren, durch eigene Algorithmen und das Logistikangebot "ManoFulfillment". 40 Prozent der deutschen Händler auf der Plattform verkauften bereits international. Für sie sei das Fulfillment-Angebot gedacht – viele Händler seien kleine und mittelständische Unternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitern. Den Online-Boom hält ManoMano für nachhaltig, "da die Home-Improvement-Branche online eine riesige Verspätung hat".
Französischer Online-Schuhhändler Spartoo ist jetzt börsennotiert
Der französische Schuh-Onliner Spartoo ist gestern in Paris an die Börse gegangen. Laut Textilwirtschaft.de kamen dabei 23,7 Mio. Euro zusammen, zwei Mio. weniger als erwartet. Excitingcommerce.de sieht das eher kritisch: Spartoo sei "in einem boomenden Online-Markt [...] nicht so wirklich vorangekommen", Eobuwie (Eschuhe) aus Polen sei weitaus stärker einzuschätzen.
///// TRENDS & TECH
Was für ein Name: Das "Gesetz zur Umsetzung von Vorgaben der Einwegkunststoffrichtlinie und der Abfallrahmenrichtlinie im Verpackungsgesetz und in anderen Gesetzen", in Kraft getreten am 3. Juli, enthält neue Registrierungs-, Nachweis- und Dokumentationspflichten -- und offenbar einige Stolpersteine. Nach Recherchen des Händlerbunds betrifft genau ein Drittel der ihm vorliegenden Abmahnungen aus dem Mai 2021 dieses Gesetz. Das sei der "unrühmliche Spitzenplatz", so Channelpartner.de, gefolgt von irreführenden Werbeaussagen und fehlenden Warnhinweisen. "Online-Händler und Systemhäuser müssen verstärkt aufpassen", resümiert die Website.
Businessinsider.com schaut sich E-Commerce-Software-Anbieter Shopify genauer an: Kommerziell sei 2020 ein außerordentlich erfolgreiches Jahr gewesen, der Umsatz um 86 Prozent gestiegen, der über die Plattform abgewickelte Umsatz sogar um 96 Prozent. Das Unternehmen beschäftige rund 7.000 Leute. Allerdings seien in den vergangenen zwölf Monaten viele Führungskräfte gegangen oder kurz davor: Chief Talent Officer, Chief Technology Officer, Chief Legal Officer und Chief Product Oficer sowie im Mittelbau drei Vice Presidents, ein General Manager, ein Managing Director und elf Directors. Laut Magazin seien die Abgänge vermutlich teilweise in der Person des CEO Tobi Lütke begründet, erwähnt wird auch Unzufriedenheit mit dem Management rassistischer Vorfälle.
Rewe/Vodafone, Peter Pane/Discoeat testen fahrende Roboter
Lange nicht über Lieferroboter berichtet, daher ein Blick nach Köln: Zusammen mit Vodafone hat Rewe am gestrigen Mittwoch das fahrerlose "Rewe Snack Mobil" losgeschickt. Es fährt feste Runden im Gewerbepark Carlswerk und kann per Wink zum Halten gebracht werden. Die Auswahl aus 32 Snacks erfolgt per Display, die Bezahlung via Smartphone. Der mobilfunkgesteuerte, 6 km/h schnelle Roboter soll, so Vodafone in der Pressemitteilung, zunächst bis September unterwegs sein – allerdings nicht ganz autonom: In der Testphase behält ihn ein Mensch ständig im Auge und kann zur Not eingreifen. Fehlt nur noch die Möglichkeit, online Snacks zu bestellen. Passend dazu: In Berlin-Mitte testen Discoeat (Plattform), Peter Pane (Burger) und Teraki (Software) einen Lieferroboter für Bestellungen im Umkreis von zwei Kilometern. Kunden können wählen, ob sie vom Roboter oder von Kurier:innen beliefert werden möchten, so das Magazin "Gründerszene".
Favorit der Leser
Wie sich der Handel für das kontaktlose Bezahlen rüstet
Kontaktloses Bezahlen im stationären Handel war schon vor der Pandemie ein Trend, jetzt ist es die neue Realität. Viele Händler rüsten ihre Terminals entsprechend nach. Neue Technologien wie "Tap to Phone" machen das Smartphone zur Ladenkasse und können so gerade kleinen Händlern helfen, kontaktlose Zahlungen ohne großen Aufwand anzubieten.
///// NACHHALTIGKEIT
Der Lebensmittel-Einzelhandel ist in Deutschland eine Macht. Kolumnist Marcus Werner zeigt auf Wiwo.de, wie über diese Macht Bio- und Fairtrade-Lebensmittel sowie Tierwohl-Label zum Mainstream wurden – und empfiehlt Rewe, Edeka, Lidl und Aldi, die Macht auch für andere Veränderungen einzusetzen. Denn: "Die deutschen Lebensmitteleinzelhändler machen die Trends riesig." Als mögliche Projekte nennt er unter anderem die Auslistung von Wasser aus fernen Ländern, die Vermeidung stark zuckerhaltiger Lebensmittel und die Förderung der Elektromobilität. [Ein Beispiel könnten auch Fleischprodukte mit 50 Prozent Gemüse sein, wie Rewe sie gestern vorgestellt hat.] Der Artikel schaut vor allem auf den stationären Handel, bringt aber vielleicht auch spezialisierte und entsprechend mächtige Onliner auf Ideen.