Dies ist ein lieferdienst-lastiges "Morning Briefing" heute, und eine Meldung sticht heraus: Hofladen-Spezialist Frischepost stellt seine angekündigte Expansion zurück, denn das Management will das alles besser vorbereiten. Nun sehen sich die Postler durch ihre Ultra-Frische-Positionierung nicht in Gefahr, von den Gorillas der Branche überfahren zu werden. Dennoch ein beachtlicher Schritt. Näheres siehe unten.

///// HANDEL NATIONAL
Lieferdienste I: Frischepost setzt Gründlichkeit vor Expansion
Gegenwärtig ist der Online-Hofladenlieferdienst Frischepost am Hauptsitz in Hamburg und im Rhein-Main-Gebiet, Berlin, München und Köln unterwegs – und dabei bleibt es erst einmal: Die bereits 2020 angekündigte Expansion auf ganz Deutschland und darüber hinaus rückt zugunsten "einige[r] Grundlagenarbeit und Investitionen" in den Hintergrund, zitiert Lebensmittelzeitung.net die Gründerin Eva Neugebauer. Der neue, dritte CEO Tom Mayer wlll eine Frischepost-App herausbringen und Kundendaten künftig besser auswerten. Kurz: Man wolle "maximal effizient skalieren". Das werde mindestens bis in den Herbst dauern.

Lieferdienste II: Lieferando zahlt Fahrern mindestens 11 Euro
Der Gastro-Lieferdienst beginnt das Jahr mit einer Charme-Offensive: Der neue garantierte Stundenlohn von elf Euro (plus ein Euro) gelte seit 1. Januar für rund 10.000 Fahrer und lasse sich durch Boni und Pauschalen auf 18 Euro steigern, kündigt das Unternehmen an. Bis Ende März sollen zudem alle Fahrer ein Diensthandy erhalten sowie zwischen einem Dienstrad oder Geld für die Nutzung eigener Räder wählen können. Lieferando sieht das als "Branchenstandard"; vom geplanten gesetzlichen Mindestlohn ist es allerdings immer noch einen Euro entfernt.


///// HANDEL INTERNATIONAL

Ankorstore erhält 250 Mio. Euro frisches Kapital
Der französischstämmige Großhandels-Marktplatz Ankorstore (mit deutscher Website sowie Büros in Berlin und Düsseldorf) hat in einer Serie-C-Finanzierung Kapitalzusagen über 250 Mio. Euro erhalten. Er kommt damit nach eigenen Angaben auf eine Bewertung von 1,75 Mrd. Euro. Das Unternehmen, das mit 200.000 Einzelhändlern und 15.000 Marken "die Marktführerschaft in ganz Europa" für sich reklamiert, will mit dem Geld in neue Länder expandieren (2022 nach Italien und Spanien). Zudem will es den Betrieb "in unseren europäischen Kernmärkten beschleunigen". Auch in Deutschland sollen neue Leute eingestellt werden. Gegenwärtig seien rund 20.000 deutsche Händler dabei.

Niederlande: JD.com eröffnet zwei Läden
Die chinesische Händlerplattform JD.com hat unter der Marke "Ochama" ("omnichannel" + "amazing") ihre ersten Shops in Europa eröffnet, und zwar in den niederländischen Städten Leiden und Rotterdam. Zwei weitere in Amsterdam und Utrecht sollen folgen, wie Internetretailing.net berichtet. In diesen Shops werde per App geordert, die Waren würden vollautomatisch bereitgestellt. Im Angebot seien frische Nahrungsmittel, Haushaltsgeräte, Babyprodukte, Mode und Einrichtungsgegenstände. CNBC.com sieht das als möglichen Angriff auf die kassenlosen Läden von Amazon.

Lieferdienste III: Picnic verdoppelte 2020 den Umsatz
Der niederländische Lieferer Picnic hat seine Zahlen für 2020 (sic!) vorgelegt: Quotenet.nl zufolge stieg der Umsatz von 232 Mio. auf 455 Mio. Euro, also um 96 Prozent. 78 Mio. Euro kamen aus Deutschland, ein Plus von 252 Prozent und ein Anteil von 17 Prozent. Allerdings schrieb das Unternehmen nach wie vor Verlust: Er habe mit 37,5 Mio. Euro um 2,5 Mio. Euro niedriger gelegen als 2019 (operativ: 77,5 Mio. nach 82,5 Mio. Euro 2019). "Vorerst werden also die Kosten den Nutzen deutlich überwiegen, wie auch CEO Michiel Muller zuvor im Gespräch mit Quote angedeutet hat", so das Blatt. Das Unternehmen sei dennoch gut finanziert.

Lieferdienste IV: Delivery Hero kauft und verkauft
Anfang des Jahres hatte Delivery Hero seine Beteiligung am spanischen Wettbewerber Glovo auf die satte Mehrheit von 80 Prozent nahezu verdoppelt (das "Morning Briefing" berichtete). Jetzt verkauft das Unternehmen Anteile am lateinamerikanischen Lieferdienst Rappi im Wert von 150 Mio. US-Dollar, schreibt Tech.eu. Man behalte 7,9 Prozent und bleibe im Aufsichtsrat. Da Delivery Hero gerade seine Beteiligungen neu sortiere, sei die Entscheidung "kein Schock", so das Blatt.

H&M verlost erste virtuelle Kollektion
Um diese Geschichte noch rasch fertigzuerzählen: Modehändler H&M hat neulich Gerüchte über einen eigenen Online-Shop auf Gaming-Plattformen dementiert (das "Morning Briefing" berichtete) – steigt aber trotzdem in das Geschäft mit digitaler Mode ein. Wie Textilwirtschaft.de berichtet, sind die Stücke der ersten virtuellen H&M-Kollektion ausschließlich über ein Gewinnspiel erhältlich und werden den Gewinnern digital auf die Körper geschneidert. Das Ergebnis ist ein animiertes Bild zum Posten auf Social Media. Und darum geht es ja heute: Um das Gesehenwerden auf Instagram.

///// TRENDS & TECH

Capgemini: Je jünger, desto Marke
In China geht nichts ohne die Plattformen, außerhalb ist es fast umgekehrt, wenn man dem "Consumer Trends Report 2022" von Capgemini zuhört: "Vor allem jüngere Verbraucher bestellen direkt bei Markenherstellern, anstatt bei Einzelhändlern oder auf Online-Marktplätzen einzukaufen", heißt es dort. Insgesamt hätten 41 Prozent der Verbraucher in zehn untersuchten Ländern über die vergangenen sechs Monate Produkte direkt bei Marken bestellt, von den Millenials (25–40 Jahre) 58 Prozent, von der Generation Z (18–24 Jahre) 68 Prozent, unter den Baby-Boomern (57–75 Jahre) nur noch 21 Prozent. Als Gründe seien vor allem bessere Prozesse und Treueprogramme genannt worden.

Omnichannel: Auch der Service muss mithalten
Die Zukunft des Handels ist digital. Das gilt auch für lokale Ladengeschäfte. Filiale und E-Commerce verschmelzen zunehmend. Online-Verkaufskanäle und Click & Collect sind dabei allerdings noch nicht die Endausbaustufe. Vielmehr sollten alle Unternehmensbereiche mit Kundenkontakt in den digitalen Raum wandern, um die Customer Experience zu optimieren, sagt Markus Rohmeyer von der Novomind AG.

Onliner sollten das Backend genauso pflegen wie das Frontend
Ein attraktives Frontend, das den richtigen Ton trifft, viele Informationen bietet und schnell lädt, ist für Online-Shops unerlässlich. Genauso wichtig aber ist die Pflege des Backends. So kann die "wilde" Individualisierung des Shops über Plug-Ins dazu führen, dass Updates kompliziert und teuer werden; ein Baukastensystem könnte die bessere Lösung sein im Vergleich zu immer weiter individualisierter Standard-Software; und es braucht eine saubere Unterscheidung zwischen Shop- und Content-Management-System, raten Experten.

USA: Tiktok drängt in Kneipen und Restaurants
In vielen Gaststätten und (Fast-Food-) Restaurants hängen Bildschirme, auf denen Unterhaltung und Werbung laufen. In den USA sollen die gezeigten Inhalte künftig von der Social-Media-Plattform Tiktok kommen: Die Firma Atmosphere, die solche Bildschirme bespielt, habe einen entsprechenden Vertrag mit Tiktok geschlossen, meldet WUV.de, und hoffe, rund 20 Millionen Menschen pro Monat zu erreichen. Social Commerce allerdings dürfte über diesen Kanal kaum funktionieren.

///// NACHHALTIGKEIT

Oeko-Tex plant Sorgfalts-Label auch für Händler
Die Prüfgemeinschaft Oeko-Tex plant für Mitte 2022 ein neues Zertifikat für die Einhaltung unternehmerischer Sorgfaltspflichten. "Responsible Business by Oeko-Tex" soll laut Textilwirtschaft.de für Marken und auch für Einzelhändler zugänglich sein, die sich explizit zu internationalen Abkommen für Menschenrechte und Umweltschutz bekennen.