Das Münchner Start-up Whytes verkauft nur ein einziges Produkt - aber eines, das wohl jeder Mann im Kleiderschrank hat: ein weißes T-Shirt. Gibt man allerdings bei Google die Begriffe "T-Shirt", "weiß" und "Herren" ein, zeigt die Suchmaschine rund 300 Millionen Treffer. Braucht man da wirklich noch eine neue Marke? Ja, sagen die "Whytes"-Gründer.

Nur zwei Entscheidungen müssen "Whytes"-Kunden treffen: Die zwischen zwölf Größen und die zwischen V-Ausschnitt oder Rundhalskragen. Im Gespräch mit Etailment erklärt Mitgründerin Nadia Botzenhard, wie sie das perfekte T-Shirt entworfen hat und warum die Retourenquote by Whytes unter 3% liegt.

Figurbetonter Schnitt und ein innovativer Stoff aus Buchenholzfasern: Das "Whytes"-T-Shirt kostet rund 40 Euro.
© Whytes
Figurbetonter Schnitt und ein innovativer Stoff aus Buchenholzfasern: Das "Whytes"-T-Shirt kostet rund 40 Euro.
Mal ehrlich und ohne Buzzwords: Wie würden Sie Ihren Eltern das Start-up erklären?
Das Gute ist, unser Produkt ist so einfach, dass es sogar Eltern verstehen. Ein weißes T-Shirt für Männer. Ohne Schnickschnack. In Premiumqualität. Hergestellt aus Buchenholz. Handgemacht in Deutschland. Den Holzpart muss man dann durchaus näher erklären. Das rührt daher, dass unser Stoff eine Innovation ist, die es erlaubt, aus lokal nachwachsendem Holz Kleidung herzustellen.

Wie das funktioniert? Ähnlich wie bei der Papierherstellung wird Buchenholz zu Zellulose geraspelt. Aus dem daraus entstehenden, sehr feinen Flaum wird ein ganz dünnes Garn gesponnen, dessen Konsistenz und Materialeigenschaften viele Probleme herkömmlicher T-Shirts lösen. Zum Beispiel gehen unsere T-Shirts beim Waschen nicht ein und bleiben sehr lange strahlend weiß. Dass das Buchenholzgarn Schweiß besser absorbiert als klassische Baumwolle, ist ein weiterer großer Vorteil.

Wie beschreiben Sie Ihr Geschäftsmodell einem möglichen Partner in einem Tweet (260 Zeichen)?
The perfect white T-Shirt for Male by Mail: #lifestyle #madeInGermany sold #online through a #directToConsumer #businessmodel

Okay, für den besonderen Vorteil, den USP, bekommen Sie hier einen weiteren Tweet Platz:
Innovativer Stoff aus Buchenholz. Körperbetonter Schnitt. Weich wie eine Feder. Entwickelt in Co-Kreation mit 379 internationalen Modeexperten. Handgenäht in Deutschland.
Welche Unternehmen/Kunden konnten Sie bereits überzeugen?
Nachdem neben der NSA seit Mai 2018 nun ja auch die DSGVO mithört, ist die Frage nach Kunden etwas verzwickt geworden. Aber ich glaube, so viel können wir verraten: Neben einem deutschen Spitzenpolitiker ist auch ein Juror einer bekannten TV-Unterhaltungsshow Kunde von "whytes". Per se richtet sich unser Angebot an Männer mit einem hohen Qualitätsbewusstsein und einer gewissen Designaffinität.

Bei der Entwicklung haben wir sehr darauf geachtet, dass unser T-Shirt sich sowohl als "Stand-alone"-Shirt unterm Sakko oder der Lederjacke eignet, aber gleichermaßen auch unterm Hemd getragen werden kann. Damit sprechen wir sowohl die Männer an, die sich in ihrem beruflichen Alltag lässiger kleiden können, als auch diejenigen, die qua Branche eine etwas traditionellere Mode pflegen. Neben Unternehmensberatern und Bankern gehören auch Architekten, Marketingmanager und Ärzte zur Klientel von "whytes".

Mit wem würden Sie gerne ins Geschäft kommen?
Als Direct-To-Consumer-Label machen wir 85% unseres Geschäfts online. Allerdings arbeiten wir seit unserer Gründung mit ausgewählten Partnern aus dem stationären Handel zusammen. Für uns ist es dabei immer wichtig, Partner zu finden, die den Wert unseres Produkts verstehen. Der liegt bei einem Mode-Basic selbstredend nicht primär im Gewinnaufschlag für den Händler.

"Für uns ist die geringe Retourenquote ein Beweis dafür, dass Produktfokus und eine konsequente Zielgruppenspezifizierung auch und vor allem in digitalen Geschäftsmodellen funktionieren."

Nadia Botzenhard
Das perfekte weiße T-Shirt verkauft sich über die Geschichte von Co-Kreation, den innovativen Stoff aus Buchenholz und die Tatsache einer nachhaltigen Produktion in Deutschland. Es gibt Händler, die verstehen, dass diese Geschichte auch positiv auf ihre Boutique abstrahlt. Mit diesen Partnern machen wir die besten Kooperationserfahrungen.

Was war das wichtigste Learning seit dem Start?
Auf zwei Begriffe reduziert: Radikale Kundenzentrierung. Wir haben in die Entwicklung unseres Produkts mehr als zwei Jahre investiert und dabei auch auf die Einschätzung von 379 internationalen Modebloggern vertraut. Im Marketing nennt man diesen extrem kundenzentrierten Entwicklungsansatz "Co-Kreation".

Auf die Intelligenz von mehreren hundert Brancheninsidern zu vertrauen brachte uns gleich mehrere Vorteile. Erstens: Product-Market-Fit. Aufgrund der sehr engen Zusammenarbeit konnten wir bereits während der Entwicklung sehen, dass es für unsere Idee offensichtlich einen Markt gibt.

Zweitens: Reichweite. Bei der Auswahl der Brancheninsider haben wir auch darauf geachtet, dass diese aufgrund ihrer Bloggertätigkeit über eine gewisse Reichweite und Meinungsführerschaft innerhalb ihrer Sub-Community verfügen. Zum Launch unserer Marke hat uns dieser Schachzug das erste große Presse-Echo ohne jegliches Marketingbudget eingebracht.

Das Start-up setzt auf das Prinzip "Co-Kreation" und bezieht bei der Produktentwicklung internationale Modeblogger und Kunden mit ein.
© Whytes
Das Start-up setzt auf das Prinzip "Co-Kreation" und bezieht bei der Produktentwicklung internationale Modeblogger und Kunden mit ein.
Und was haben Sie daraus gemacht?
Wir haben den Co-Creation-Ansatz kultiviert und ausgebaut. Heute sind nicht nur die Modeblogger Ansprechpartner, wenn es um die Weiterentwicklung des Produkts und den Ausbau unserer Marke geht. Wir binden auch unsere loyalen Kunden in den Prozess mit ein. Was können wir besser machen? Welche weiteren Mode-Basics für Männer würdet ihr euch wünschen? Das Vertrauen, das sich dabei mit unseren Kunden bildet, und die daraus entstandene Kultur des Miteinanders zwischen Käufer und Marke ist phänomenal.

Auf welche Erfolgszahl sind Sie besonders stolz?
Auf unsere Retourenquote. Die liegt im Durchschnitt seit unserer Gründung bei unter drei Prozent. Zum Vergleich: Andere große Online-Modehändler ringen nicht selten mit Quoten über 50%.

Für uns ist die geringe Retourenquote ein Beweis dafür, dass Produktfokus und eine konsequente Zielgruppenspezifizierung auch und vor allem in digitalen Geschäftsmodellen funktionieren. Letztlich manifestiert diese Kennzahl auch den exponentiellen Wert radikaler Kundenzentrierung. Simpler ausgedrückt: Wer beim Produkt mitbestimmt, schickt weniger zurück.

Welche Marketingkanäle sind für Sie besonders relevant und warum?
All die Kanäle, die es uns erlauben, unsere Geschichte zu erzählen. Warum? Nun, 2019 verkauft sich ein weißes Premium-T-Shirt nicht deshalb, weil es als ausgefallenes Stück "Couture" gilt. Unser Produkt funktioniert deshalb so gut, weil es ein simples Versprechen gibt, das wir qualitativ bis ins letzte Detail einlösen.

Um dieses Produktversprechen und seine konsequente Umsetzung zu inszenieren, brauchen Marketingbotschaften Raum für Erzählung. Dieser findet sich beispielsweise in der PR, auf Messen oder im Dialogmarketing. Kurz und knapp: überall dort, wo sich potenzielle Kunden die Zeit nehmen zu erfahren, warum unser weißes T-Shirt das vermeintlich perfekte ist.
Welche Schlagzeile würden Sie gerne über Ihr Start-up 2020 in einer Wirtschaftszeitung lesen?
"Deutsches Männermodelabel mit strategischem Partner weiter auf Erfolgskurs" - Wir sind in den letzten drei Jahren seit unserer Gründung mit Faktor zwei gewachsen. Um dieses Wachstumsziel zu halten, sind wir auf der Suche nach einem strategischen Partner, der uns bei diesem Vorhaben unterstützt. Im Bestfall ein Unternehmer mit Branchenaffinität, der nicht ausschließlich aus Renditeaspekten handelt, sondern vielmehr die Chancen innerhalb dieser digitalen Nische erkennt.

Start-ups ohne Buzzwords

Können auch Sie Ihr Start-up ohne Buzzwords erklären? Sie sind Gründer eines innovativen und spannenden Unternehmens im Umfeld von Handel und FMCG? Dann melden Sie sich bei uns jederzeit unter kolbrueck@etailment.de

Alle bisher vorgestellten Start-ups finden Sie unter etailment-Startups.de.

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