Zuletzt zeigten sich aber ausgerechnet in den USA, wo jedes dritte Buch mittlerweile in elektronischer Form gekauft wird, deutliche Zeichen der Sättigung. Branchenbeobachter machten darauf aufmerksam, dass es deutliche Brüche gibt zwischen den Kundenerwartungen und den Interessen der Verlage und E-Book-Anbieter. Neben dem Wunsch, gedruckte und elektronische Bücher als „Bundle“ kaufen zu können, stehen besonders die urheberrechtlich schwierigen Fragen nach dem Eigentum am gekauften E-Book und der Möglichkeit zur Weitergabe ganz oben auf der Liste der Unzufriedenheit.
Tatsächlich wird sich in absehbarer Zeit wenig daran ändern, dass die Kunden mit dem Erwerb eines E-Books nur eine Lizenz zum Lesen erhalten. Die Weitergabe an Freunde und Familie wird ebenso noch eine geraume Zeit durch DRM und anderes erschwert werden. Dass dies vor allem dazu hilft, Piratenseiten attraktiv zu machen, ist in der Branche hinlänglich diskutiert und wird nicht mehr ernsthaft angezweifelt.
Abomodelle als Piratenkiller
Als eine mögliche Lösung im Sinne der Kundschaft werden seit einiger Zeit Verleihportale genannt. Netflix für Videos und Spotify für Musik haben gezeigt, dass die Kundschaft durchaus bereit ist, für die Nutzung von Inhalten einen monatlichen Betrag zu zahlen; Studien in Norwegen und in den Niederlanden haben gezeigt, dass dort wo Spotify erfolgreich ist, die Zahl der illegalen Downloads dramatisch sinkt.
Brauchen die Verlage also eine Art Spotify für E-Books?
Die Branche reagiert darauf zwiespältig. Als Argumente gegen solche Verleihdienste wird immer wieder die komplizierte Urheberrechtssituation genannt und die Tatsache, dass die Erlöse aus dem Verleih nur einen Bruchteil dessen ausmachen können, was sich beim Verkauf, auch zu sehr niedrigen Preisen erzielen lässt – deshalb seien Agenten, Autoren und Verlage derzeit noch unisono gegen solche Modelle. Tatsächlich sperren sich die großen fünf US-Verlagskonzerne mehr oder weniger heftig gegen den E-Book-Verleih: Macmillan (Teil der Holtzbrinck-Gruppe) und Simon & Schuster untersagen jegliche Ausleihe. Die anderen Riesen wie Penguin Random House, Hachette gehen äußerst restriktiv mit dem Thema um, nur HarperCollins hat kürzlich ein deutliches Signal gesetzt, als man sich mit Scribd zusammentat.
Boom der Verleih-Startups
Gleichzeitig scharren die Anbieter von Verleihplattformen deutlich wahrnehmbar mit den Hufen, in den USA ist ein gutes Dutzend unterwegs. Amazon, der unumstrittene Marktführer im E-Book-Geschäft, hat für seine Prime-Kunden einen exklusiven Abo-Dienst für Inhalte – ob E-Books, Musik oder Videos – eingerichtet, der angeblich sehr gut angenommen wird. Bei genauen Zahlen geheimniskrämert der Riese aus Seattle allerdings, und der Download bei E-Books ist nicht eben großzügig auf ein Exemplar im Monat beschränkte.
Scribd, das sich, mit angeblich 80 Millionen Nutzern pro Monat, als weltweit größtes Download-Portal für Texte sieht, hat unlängst ein Abo-Modell gestartet: Für 8,99 US-Dollar im Monat können die Abonnenten unbegrenzt viele Texte lesen. Die Verlage werden bezahlt als sei das jeweilige Exemplar gekauft worden – das dürfte künftig ein Anreiz sein, solche Modelle intensiver zu testen. Neben einer ganzen Reihe von kleineren Verlagen hat kürzlich HarperCollins als erster der „Big Five“ einen Vertrag mit Scribd unterzeichnet – im Gegenzug öffnet Scribd seine Kundendatei und ermöglicht dem Verlag damit, direkt mit diesen in Kontakt zu treten. Wie viele Kunden Scribd für sein Abo-Modell bereits hat, wird noch nicht öffentlich gesagt, allerdings gibt sich der Scribd-Chef Trip Adler sehr optimistisch und verweist auf die Milliardenumsätze, die bei Netflix und neuerdings auch bei Spotify zusammenkommen.
How to Use Scribd.com
Viel Wirbel machte zuletzt der New Yorker Startup Oyster, der ebenfalls heftig in diesem Markt mitmischen will und hat dafür reichlich Geld von Investoren eingesammelt hat. Für 9,95 US-Dollar pro Monat können die Abonnenten E-Books aus dem iTunes-Store von Apple herunterladen und auf bis zu sechs Geräten synchronisieren und lesen. Damit ist wenigstens ein erster Schritt getan, um E-Books nicht nur auf einen Leser zu beschränken.
In deutschen Landen herrscht Ruh‘
Skoobe - E-Books leihen statt kaufen.
Wie sieht es in Deutschland aus? Viel tut sich nicht, obwohl die Plattform Skoobe von den Verlagsriesen Random House und Holtzbrinck angeschoben wurde. Für 10 Euro im Monat kann man beliebig schmökern, allerdings ist das Angebot von knapp 30.000 E-Books derzeit noch ziemlich schmalbrüstig.
Kräftigen Ärger haben sich die öffentlichen Bibliotheken in Deutschland mit ihrem Verleih-Portal Divibib eingehandelt: Dort können alle registrierten Bibliotheksnutzer kostenlos E-Books ausleihen; die bereits entrichtete Nutzungsgebühr für die örtliche Bücherei soll die Kosten abdecken. Für die Bibliotheken gehört die Ausleihe von E-Books zum Grundversorguns-Auftrag. Mehr als 1000 Bibliotheken bieten nach Angaben des Bibliotheksverbands E-Books zur Ausleihe an, allerdings weigern sich viele Verlage, ihre Titel dafür herzugeben. Die Befürchtung: Verleihmodelle könnten das zarte Pflänzchen E-Book-Geschäft kannibalisieren. Tatsächlich ist das aktuelle Urheberrecht nicht für Verleiher gemacht: Klare Regelungen für Entgelte gibt es nicht, stattdessen wird der wachsweiche Begriff von der „angemessenen Vergütung“ benutzt. Und: Für jedes zu verleihende E-Book wäre ein eigener Lizenzvertrag abzuschließen, eine bürokratische Hürde, die derzeit nicht überwindbar scheint.
Die Onleihe - Bibliotheks-Ausleihe für digitale Medien - Der Service mit Zukunft
Anders als in den USA haben die deutschen Online-Anbieter das Thema Verleih noch nicht als Geschäft für sich entdeckt. Vor allem die Tolino-Allianz, zu der sich die Filialisten Weltbild, Hugendubel und Thalia mit dem Bertelsmann Club und der Telekom zusammengetan haben, wäre hier in der Pflicht. Aber, so wie die Filialisten es in der Vergangenheit versäumt haben, ihre stationäre Präsenz wirkungsvoll im Online-Bereich umzusetzen, agieren sich auch in diesem Geschäftsfeld so, als ginge sie die Sache nicht an. Wenn dann die Kunden fröhlich zu Amazon abwandern, dürfte das Geschrei wieder laut sein. Aber das kennen wir ja schon.