Der Textildiscounter Kik hat vor Gericht eine Niederlage hinnehmen müssen. Dumpinglöhne für zwei Minijobberinnen gelten als sittenwidrig. Die Angestellten bekommen Nachzahlungen.

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat die Bezahlung von 5,20 Euro Stundenlohn von zwei Minijobberinnen durch den Textildiscounter Kik als sittenwidrig eingestuft. Die 6. Kammer verurteilte am Mittwoch das Unternehmen zu Nachzahlungen an die beiden geringfügig Beschäftigten und bestätigte damit Entscheidungen des Arbeitsgerichts Dortmund vom vergangenen Jahr. Es lägen "sittenwidrige Vergütungen" vor, sagte der Vorsitzende Richter Werner Ziemann.

Außerdem seien die Arbeitsverträge in mehreren Punkten gesetzeswidrig. Eine Revision wurde in beiden Fällen nicht zugelassen (Az.: 6 Sa 1284/08; 6 Sa 1372/08).

10.500 Euro Nachzahlung

Zwei 47 und 62 Jahre alte Frauen aus Mülheim an der Ruhr hatten das  Tochterunternehmen von Tengelmann verklagt, weil sie nur 5,20 Euro Stundenlohn erhielten. Die Gerichte in Dortmund und Hamm sahen 8,21 Euro als angemessen an.

Für die Berechnung dieses Betrages zogen die Richter Tariflöhne aus dem Einzelhandel heran. Die 62-Jährige erwartet nun insgesamt knapp 10.500 Euro Nachzahlung, die 47-Jährige rund 8.900 Euro. Die jüngere Frau ist seit November nicht mehr bei Kik beschäftigt. Die ältere Beschäftigte ließ offen, ob sie weiter bei Kik arbeiten will.

Für Arbeitrechtler nicht überraschend

Nach Ansicht des Münchner Arbeitsrechtlers Dr. Jan Küpperfahrenberg von der Kanzlei Zirngibl Langwieser liegt das LAG Hamm mit seiner Entscheidung auf der Linie des Bundesarbeitsgerichts sowie einiger Landesarbeitsgerichte, die in der Vergangenheit bereits Löhne, die deutlich unter der Tarifhöhe lagen, für sittenwidrig gehalten haben. "Schon bisher galt, dass ein Unternehmen ab etwa zwei Dritteln des Tariflohns auf der sicheren Seite war. Im jetzt vom LAG Hamm entschiedenen Fall wurde allerdings nur ein Drittel der Tariflohns gezahlt. Insofern war die  Entscheidung hier relativ eindeutig."
 
Das Urteil ist damit für den Juristen wenig überraschend, dennoch sieht er Auswirkungen für die Praxis: "Die wichtige Botschaft ist: Überall dort, wo Löhne deutlich unter Tarif gezahlt werden, werden Betriebsräte und Arbeitnehmer jetzt genauer hinauschauen und gegebenenfalls höhere Löhne einklagen." Zu bedenken gibt Jan Küpperfahrenberg dabei allerdings: "Das Urteil hat rechtlich keinerlei Bindungswirkung für andere Gerichte. Das LAG Hamm hat klar auf den Einzelfall abgestellt und eine Revision zum BAG nicht  zugelassen, also keine grundsätzliche Bedeutung des Falles gesehen."

Keine Einzelfälle, Verdi kündigt Informationskampange an

Die Gewerkschaft Verdi, die die beiden Frauen im Prozess vertreten hatte, äußerte sich erfreut über die Entscheidung. "Stundenlöhne unter 8,21 Euro sind sittenwidrig", sagte die Geschäftsführerin dre Verdi-Bezirksverwaltung Mülheim-Oberhausen, Henrike Greven. Die Gewerkschaft wolle nun "durch die Filialen tingeln" und die Kik- Beschäftigten über das Urteil informieren.

Nach Grevens Angaben sind rund 9.000 der insgesamt 18.000 Beschäftigten geringfügig beschäftigt und erhalten Stundenlöhne von 4,25 bis 5,25 Euro. In Deutschland seien mehrere ähnliche Verfahren von Kik-Beschäftigten bei Arbeitsgerichten anhängig.

Kik mit Sitz im westfälischen Bönen (Kreis Unna) beschäftigt nach eigenen Angaben 15.000 der rund 18.000 Mitarbeiter in Deutschland. Im Geschäftsjahr 2007/08 (30. April) setzte Kik insgesamt über 1,4 Milliarden Euro um. Derzeit betreibt die Firma mehr als 2.700 Filialen in Deutschland, Österreich, Slowenien, Ungarn, Tschechien und der Slowakei.

hb mit Material von dpa