9 Gründungen, 16 Beteiligungen: Der 25 Jahre alte Unternehmer Tarek Müller zeigt, dass Erfahrungen keine Frage des Alters sind. Ein Porträt.
Der Schritt zum Onlinehändler kam dann fast automatisch, als er 15 war: "Ich habe Pokerkoffer mit Karten und Chips verkauft, da Pokern zu der Zeit gerade in Mode kam und große Nachfrage bestand. Mein Kinderzimmer war dabei mein Warenlager", erinnert Müller sich. "Als dann am Tag so fünf bis zehn Bestellungen hereinkamen, hat DHL die Pakete bei mir abgeholt. Das war schon eine Erleichterung, bis dahin hatte ich jedes einzelne Paket auf meinem Fahrrad zur Post gebracht."
Vater musste Gewerbeschein unterschreiben
Mit 15 meldete der Schüler, der inzwischen auch zwei weitere Shops für Hundeleinen und Wasserpfeifen aufgebaut hatte, ein Gewerbe an. Das amtliche Dokumentmusste damals allerdings sein Vater unterschreiben, weil der Sohn von Gesetzes wegen noch nicht geschäftsfähig war.
Mit 17 hatte Müller die Prozesse im Onlinehandel von der Pike auf gelernt: "Bis dahin habe ich mehr als 5.000 Pakete gepackt und auch sonst alles selbst gemacht: Die
inzwischen rund 10.000 Kunden betreut, E-Mails beantwortet, Telefonanfragen abgearbeitet, die Vermarktung aufgebaut und die Buchhaltung erledigt. Alles neben der Schule"
Doch als der junge Jungunternehmer im großen Stil einstieg - der Umsatz lag jenseits der Eine-Millionen-Euro-Schwelle, und er hatte inzwischen ein größeres Lager und Mitarbeiter angeheuert - hat er „Mist gebaut", wie er es ausdrückt: "Kaum hatte ich die Fixkosten erhöht, um zu expandieren, habe ich auf den falschen Importeur gesetzt", berichtet er. "Das war bitter. Ich war in Vorleistung getreten, er hat nicht geliefert und ich saß plötzlich auf einem Riesenberg Schulden."
Mit 18 vor dem Nichts
18 Jahre alt war er damals - und stand als Unternehmer vor dem Nichts: "Ich musste die Onlineshops verkaufen, um meine Gläubiger zu bedienen und flüssig zu werden. Deshalb habe ich auch erst mal die Schule abgebrochen und mich darauf konzentriert, Geld zu verdienen und die Firma neu aufzubauen. Zunächst habe ich dafür anderen Händlern mein Know-how im Onlinemarketing und IT als Dienstleistung angebotenund mit dem eingenommenen Kapital neue Onlineshops gestartet", so Müller.
Das Abitur hat er allerdings später nachgeholt: "Sonst hätte ich Ärger mit meiner Mutter bekommen", sagt er. "Denn der Schulabschluss war die Bedingung, dass mein Vater seinerzeit den Gewerbeschein unterschrieben hat." Seine Eltern haben im Übrigen nicht viel mit der Onlinewelt zu tun: Die Mutter ist Ärztin, der Vater Radiojournalist.

Dabei arbeitete er oft in den Räumlichkeiten der Teams seiner Kunden: "So konnte ich mir abschauen, wie deren Handels-Geschäftsmodelle funktionieren und sie mit den Anforderungen und Besonderheiten der digitalen Welt zusammenbringen", erläutert er seine Rolle als wendiger "Mini-Inkubator" in behäbigeren Konzernen wie dem Bauer Verlag oder der Otto Group.
Den Kontakt zu den meisten Kunden stellte er selbst her: "Ich bin da einfach hingegangen und habe nachgefragt, ob ich ihnen kostenlose Tipps geben darf. Das durfte ich, und dann haben sie mir kurz darauf Aufträge gegeben für die Umsetzung der Tipps", so Müller.
Anfang 2013 beschäftigte der Unternehmer in seiner Firmengruppe rund 100 Mitarbeiter, die Agenturen gehören zu den am schnellsten wachsenden Digitalagenturen Deutschlands. Bis heute finanzieren die Unternehmen dieses Wachstum komplett selbst, ohne externes Kapital von Investoren in Anspruch zu nehmen", sagt er stolz.
Fast-Pleite abgewendet
Mitte 2013 verkaufte er Teile seiner Unternehmensgruppe: Die Agentur Netimpact Framework, den Webentwicklung Creative-Task und den Nischenshop-Betreiber vStores Trading gingen an die Otto Group, der Heimwerker-Marktplatz Selbst Markt an den Bauer Verlag. Seitdem konzentriert sich Müller als Geschäftsführer auf das Projekt Collins: Das experimentierfreudige Fashion-Start-up der Otto Group erwirtschaftet Müller zufolge bereits im ersten Rumpfgeschäftsjahr einen zweistelligen Millionenumsatz.Neben seiner Geschäftsführertätigkeit bei Collins hilft der Hamburger jungen Unternehmen als Investor und Business-Angel: "Ich habe viel Hilfe bekommen, davon will ich etwas zurückgeben", argumentiert Müller. Außerdem versucht er auch beispielsweise in Vorträgen an Universitäten das "verquere Bild" vom Unternehmertum gerade zu rücken: "Ein Unternehmen zu gründen, ist keine Raketenwissenschaft", so Müller. „Man findet alle Informationen im Internet." Er selbst habe ja auch nicht studiert: "Mein Dozent war Wikipedia, meine Uni war Google."
Unternehmer zu sein bedeutet für ihn, für seine Ideen viel und diszipliniert zu arbeiten und immer auf die Reputation zu achten: "Das bedeutet, im Zweifel nicht aus jedem Geschäft das Maximum herauszupressen und auch mal etwas mehr zu investieren. Denn wenn man nicht langfristig denkt, schlägt das Glück um und das Leben zurück", ist Müller überzeugt.
Sybille Wilhelm
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