Volkswagen-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch liebäugelt mit Alfa Romeo. Doch in welcher Verfassung ist die Mailänder Marke? Die Redaktion von Der Handel fuhr den aktuellen Hoffnungsträger mit dem traditionsreichen Namen Giulietta.
Der allmächtige Piech hatte schon vor Wochen laut über die Vereinnahmung der italienischen Ikone aus dem Fiat-Verbund nachgedacht. Als "13. Marke" käme Piëch auf seinem Weg zur angestrebten Weltmarktführerschaft von VW die Neuerwerbung gerade recht. "13 ist meine Lieblingszahl", formulierte der Patriarch bekannt süffisant.
Gerücht hält sich hartnäckig
"Unverkäuflich" schallte es von jenseits der Alpen prompt zurück. Doch trotz aller Dementis von Fiat-Boss Sergio Marchionne scheint Bewegung in die Angelegenheit gekommen zu sein. Die Gerüchte halten sich in der Branche jedenfalls hartnäckig. Und Piëch hat noch immer bekommen, was er will.Dabei ist die ruhmreiche Braut aus Mailand derzeit eigentlich gar nicht besonders begehrenswert. Nennenswerte Neuvorstellungen sind für dieses Jahr nicht angekündigt. Die Produktion der jüngsten Version des legendären Alfa Spider ist nach nur vier Jahren Bauzeit sang- und klanglos eingestellt, der Mittelklassewagen 159 wirkt schon ein wenig angestaubt, und auch der neue Hoffnungsträger in der Kompaktklasse zündet noch nicht so recht.
Wenig Gemeinsamkeiten mit dem Namensgeber
Viel erinnert nämlich nicht an seinen historischen Namensgeber. Vielleicht die auffällige Nasenspitze, die die vor einem halben Jahr in Deutschland eingeführte Alfa Romeo Giulietta forsch in den Wind hält. Das war's dann aber auch schon mit den äußerlichen Ähnlichkeiten.Und auch sonst haben die beiden ungleichen Namensvettern nicht viel gemeinsam. Während das von 1954 bis 1964 in drei unterschiedlichen Karosserievarianten gebaute Original seinerzeit zum ersten wirklich erfolgreichen Volumenmodell in der Geschichte des italienischen Autobauers avancierte, hinkt der Nachfolger des Alfa 147 noch hinter den hohen Erwartungen zurück.
Lediglich 2.521 Zulassungen in 2010
100.000 Einheiten sollen im ersten vollen Kalenderjahr weltweit verkauft werden. Das entspricht nahezu der Gesamtproduktion der Mailänder Marke im Jahr 2009 (117.000 Autos). Deutschland ist dabei traditionell ein wichtiger Markt. Doch laut den aktuellen Zahlen des Kraftfahr-Bundesamtes (KBA) für 2010 wurde der Golf-Gegner, der das gleiche Kofferraumvolumen wie der Wolfsburger Marktführer (350 Liter) aufweist, hierzulande seit seiner Premiere lediglich 2.521 Mal zugelassen. Alfa-Chef Haico van der Luyt hatte anlässlich der Markteinführung noch mit der doppelten Zahl an unterschriebenen Kaufverträgen kalkuliert.Mit insgesamt 8.621 Autos und einem Minus von 28,1 Prozent gegenüber dem Abwrackprämien-Jahr 2009 hinkt Alfa in der Bilanz für 2010 trotz des neuen "Volumenmodells" ohnehin hinter dem Gesamtmarkt (minus 23,4 Prozent) hinterher.
Modernes Design
Dabei haben die Entwickler bei ihrem jüngsten Spross, auf dessen technischer Basis künftig auch Modelle der neu in den Konzern integrierten Marke Chrysler entstehen sollen, der Versuchung widerstanden, dem Neuen ein Retro-Design zu verpassen. Schließlich waren derlei Versuche bislang zumeist zum Scheitern verurteilt. Herausgekommen ist stattdessen ein modernes, viertüriges Coupé, dass das Herz des Autofreundes höher schlagen lässt, als es dem Kopf mitunter lieb ist.
Fahrwerk passt sich auf Knopfdruck an
Auf das Fahrverhalten hat das indes keine Auswirkung. Dank dem schon aus dem kleineren Modell Mito bekannten "DNA"-System, was für "Dynamic", "Normal" und "All Weather" steht, passt sich die Giulietta von heute einfach per Knopfdruck jeder Fahrsituation an.Auch in Sachen Verbrauch erweist sich der 218 Stundenkilometer schnelle Italiener, der alternativ dazu in vier weiteren Motorversionen von 105 bis 235 PS angeboten wird, als Musterschüler. 6,6 Liter Diesel im Testverbrauch ermöglichen bei einem 60-Liter-Tank eine Reichweite von rund 900 Kilometern. Das stimmt dann auch, sehr zur Freude der "Alfisti" unter den Fuhrparkmanagern und Dienstwagenfahrern, den Kopf wieder versöhnlich.
Bernd Nusser