Ein Vormittag in Essen: Während die Karstadt-Mitarbeiter in die Kantine gehen, wird ein paar Meter weiter über ihre Zukunft verhandelt. Und gegen den Betriebsratschef gibt es neuerdings schwere Vorwürfe.

Es ist ein paar Minuten nach halb elf, als endlich jemand mit dem Taxi vorfährt, der wirklich etwas zu sagen hat. Innerhalb weniger Sekunden verschwindet Cornelia Haß hinter einer Mauer aus TV- und Radioteams. Die Sprecherin von Verdi strafft sich, sucht nach fester Stimme und versucht, Floskeln zu vermeiden.

Wenige Minuten vor Beginn der wohl entscheidenden Sitzung des Gläubigerausschusses von Karstadt nennt Haß den klaren Verdi-Favoriten als Käufer des insolventen Warenhauses: Berggruen. "Für uns ist dieses Angebot das nachhaltigste", sagt die zierliche Frau mit den kurzen roten Haaren. Denn der Investor hatte schon vor Wochen die für Verdi wichtige Botschaft verkündet, bei einer Übernahme von Karstadt den verbliebenen rund 25.000 Mitarbeitern weitere Einschnitte ersparen zu wollen.

Dann eilt Cornelia Haß in die Essener Karstadt-Hauptverwaltung, wo sie an der Sitzung des Gläubigerausschusses teilnehmen wird. Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg ist zu dieser Zeit schon längst im Gebäude. Verdi ist mit einer Stimme in dem elfköpfigen Gremium vertreten. Für eine Entscheidung über den Verkauf von Karstadt ist mindestens eine einfache Mehrheit von sechs Stimmen notwendig. Neben Verdi sitzen in dem Gremium auch der Betriebsrat sowie Vertreter der anderen Gläubigergruppen wie etwa der Vermieter.

Rot-Weiss, das Herzzentrum und Karstadt

Für die Stadt Essen ist es eine schwere Zeit. Der Traditionsfußballklub Rot-Weiss (für den der 54er WM-Held Helmut Rahn gespielt hat) ist insolvent, das Herzzentrum am Elisabeth-Krankenhaus ebenfalls.

Und während die Mitarbeiter in der Karstadt-Verwaltung in der Kantine das Tagesmenü Putenschnitzel mit Rahmkohlrabi und Rösti-Ecken für 2,60 Euro essen, verhandeln wenige Meter weiter ernste Männer in dunklen Anzügen über die Zukunft ihrer Jobs.

Dass im Schaukausten der Personalabteilung sogar etliche Jobangebote wie für Contentmanager oder einen Abteilungsleiter Warenwirtschaftliche Planung aushängen, wirkt angesichts der schwierigen Unternehmenslage befremdlich.

Stimmung gegen Betriebsratschef Patzelt

Die Mitteilung daneben beschreibt viel eher den Ernst der Lage. Der Gesamtbetriebsrat von Karstadt verteidigt in aller Schärfe die Integrität ihres Vorsitzenden Hellmut Patzelt, der auch im Gläubigerausschuss sitzt. Diesem wurde im "Handelsblatt" vorgeworfen, eine zu große Nähe zum Karstadt-Vermieter und neuerdings Bieter Highstreet zu haben.

Nach Informationen des Blattes soll Patzelt bereits seit Wochen mit Vertretern des Highstreet-Konsortiums unter Führung von Goldman Sachs, Geheimverhandlungen geführt haben. Dabei soll er den Bietern zugesichert haben, sich für eine Verlängerung der Arbeitszeit bei Karstadt einzusetzen. Als Gegenleistung soll über einen Posten für Patzelt sowie über die Sicherung des defizitären Karstadt-Standorts in Patzelts Heimatstadt Fulda diskutiert worden sein, schreibt die Zeitung.

Zudem soll Patzelt für sich selbst eine Lohnerhöhung um 1.875 auf 10.000 Euro im Monat ausgehandelt haben. Angeblich seien deswegen die Betriebsräte gegen ihren eigenen Chef Sturm gelaufen.

Alles Verleumdung, protestiert nun der Gesamtbetriebsrat. Patzelt beziehe keine Gehalt in Höhe von 10.000 Euro. Er sei zudem ein Mann von Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit und würde "bis zum Umfallen" für das Fortbestehen von Karstadt kämpfen. "Er hat unser vollstes Vertrauen", beschwören die drei Unterzeichner.

Verbesserte Angebote der drei Bieter

Unterdessen läuft ein regelrechter Bieterkampf um Karstadt. Die drei Kaufbewerber Triton, Berggruen und Highstreet hätten ihre Angebote heute sogar noch kurzfristig nachgebessert, sagte der Sprecher von Insolvenzverwalter Görg, Thomas Schulz, und bestätigte einen entsprechenden Bericht von "Welt Online".

Vertreter dieser drei Interessenten nehmen an der Sitzung des Gläubigerausschusses jedoch nicht teil. Alle Unternehmen hätten jedoch angeboten, für Fragen zur Verfügung zu stehen, sagte Schulz. Ein vollständiges Angebot eines russischen Konsortiums unter Führung des Petersburger Unternehmers Artur Pachomow sei dagegen bislang nicht vorgelegt worden. "Bestimmte Dokumente liegen noch nicht vor", sagte Schulz.

Steffen Gerth, Essen