Eine Premierenbestellung bei Amazon Fresh ist eine Entdeckungsreise. Der Kunde ist verblüfft, wie einfach alles gehen kann - und auch noch so billig. Trotzdem: Ein guter deutscher Konsument weiß selbstverständlich, dass auch das Gute noch besser gehen kann.
Welche Magie ein Becher Joghurt haben kann. Aber wen wundert es? Der deutsche Konsument ist von den Lebensmittelhändlern zum ewigen Preisfuchs erzogen worden. Und deswegen zuckt er zusammen, wenn er liest: "Weihenstephaner Joghurt für 49 Cent". 49 Cent! Was für ein günstiger Preis! Spätestens zu diesem Zeitpunkt hat sich auch bei Jörg Schallenberg ein Reflex gemeldet. Kauf! Mich!
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Gurke und Frikadellen: Was man so bekommt für 77,90
Es war schon zu später Stunde, als er sich durch das Angebot von Amazon Fresh durchgepflügt hatte. Und mit jedem Klick wuchs das Erstaunen. Katzenfutter? Huch, wie billig! Äpfel? Ebenso. Gibts doch gar nicht!
Brauche ich nicht. Bringt doch nichts
Noch am Morgen, als Deutschland erfuhr, dass Amazon ab sofort in Berlin und Potsdam sein Fresh-Angebot gestartet hat, überwog bei ihm noch die Nörgelei. Brauche ich nicht, bringt doch nichts. Sooo toll ist das nun auch wieder nicht. Auch so ein Reflex beim deutschen Konsumenten bei allem Neuen.
Es ist nicht klar, wie viele Berliner und Potsdamer sich seit Donnerstag ihre Lebensmittel vom neuen Amazon-Dienst liefern ließen. Jörg Schallenberg ist auf jeden Fall einer von ihnen. Prime-Kunde war er schon, diese Einstiegshürde für Fresh-Kunden fiel also schonmal weg. Von Beruf ist Schallenberg Journalist, folglich ging er das Projekt mit fast schon wissenschaftlicher Akribie an. Intensive Produkt- und Preisrecherche, immer mit einer Portion Skepsis.
Nur einmal schlafen
Aber je später der Abend, desto weniger Skepsis. Dafür die Erkenntnis: Kann man mal versuchen. 23 Uhr war die Einkaufsliste fertig und abgeschickt mit allem, was ein Haushalt mit drei Kindern und einer Katze so braucht. Schinken, Butter, Milch, Tiefkühlpizza - und selbstverständlich Weihenstephaner Joghurt. 77,90 Euro der Bestellwert der Order. Damit ist kostenlose Lieferung garantiert. Für mindestens 40 Euro muss dafür der Fresh-Kunde einkaufen.
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Frische satt bei Fresh, nur mittelalten Gouda gibt es nicht. Das ist Käse.
Die nächste Verblüffung: die von Amazon angebotenen Zeitfenster für die Lieferung. Entweder von 8 bis 10 Uhr, oder von 10 bis 12 Uhr am nächsten Tag. Äußerst kommod. "Fenster 2" erhielt den Zuschlag - und damit gute Nacht.
Der DHL-Bote kommt per Elektromobil
Und dann klingelte tatsächlich am Freitagmorgen kurz nach 11 Uhr der DHL-Bote am Zehlendorfer Gartentürchen, angereist mit einem Elektromobil. "Der Mann war freundlich und professionell", sagt Schallenberg, "die Zustellung für Fresh war auch für ihn eine Premiere".
Die Lieferung? "Alles komplett, alles frisch." Und die Pfandflaschen hat der DHL-Mann auch mitgenommen. Für Neukunde Schallenberg gabs eine entsprechende Gutschrift auf seinem Amazon-Konto.
Es ist ja nicht so, dass Jörg Schallenberg zum ersten Mal Lebensmittel online gekauft hat. Rewe, Bringmeister - alles wurde bisher genutzt. Und als Liebhaber von "Indian Pale Ale" ordert er regelmäßig im Netz eine Bierkiste mit einer bunten Mischung von kleinen Brauereien. Grundsätzlich wird der Kühlschrank aber einmal die Woche per Großeinkauf befüllt, der nächste Edeka ist fünf Autominuten entfernt. Ansonsten sind auch Rewe und Lidl schnell zu erreichen.
"Wieso haben die kein belgisches Bier?"
Doch das erste Mal mit Amazon bleibt in positiver Erinnerung. "Allein die Homepage ist besser als bei Rewe", findet Schallenberg. Gute Navigation, gute Sortiermöglichkeit nach Preisen oder Marken. Die angebotenen Lieferzeitfenster sind für ihn fast unschlagbar. Liefergenauigkeit und -qualität waren perfekt. "Bei Rewe und Bringmeister hatte immer etwas gefehlt."
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Alles erledigt: Der DHL-Bote eilt zum nächsten Kunden
Nichts zu meckern? Doch, gibt es für einen deutschen Konsumenten immer, auch bei einer Auswahl von 85.000 Artikeln.
Schallenbergs Kinder essen gerne mittelalten Gouda. "Den gibts nicht. Obwohl das eigentlich ein Allerweltsprodukt ist."
Auch das Angebot von frischem Brot ist für ihn ausbaufähig. Und Seitenbacher Dinkelflocken, die werden auch vermisst. Naja, und wenn er schon in die Tiefe geht, dann richtig: "Wieso haben die kein belgisches Bier?"
Zu Feinkost Lindner geht man doch lieber in die Filiale
Belgisches Bier mag ein Spezialproblem sein. Nachvollziehbarer ist aber Schallenbergs Kritik an den 9,99 Euro monatlich, die der Fresh-Dienst zusätzlich kosten soll. Noch können ja die Berliner kostenfrei zur Probe einkaufen. Aber in weniger als 30 Tagen endet dieses Angebot.
Aber ob die 9,99 Euro wirklich dauerhaft abschreckend auch für Jörg Schallenberg sind, darf bezweifelt werden. Denn Bestellkomfort, Preise und Auswahl regen zur Wiederholungstäterschaft an. Und die Spezialangebote für Bio-Waren von Basic oder Kaffee von der Berliner Rösterei Sager haben Charme. Feinkost Lindner hat allerdings bei ihm um die Ecke eine Filiale, und dort ist der Einkauf sinnlicher als im Netz.
Jeden Tag fährt Amazon die lokalen Händler an
Es ist die Frage, wie man die Frische dieser Spezialanbieter in der Kategorie "Berliner Lieblingsläden" gewährleisten will. Denn Fresh funktioniert ja als Marktplatz, den Fremdanbieter beschicken. Doch einen Kopfhörer bekommt der Marktplatzkunde über einen Händler wie KW-Commerce.
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Aber die Fresh-Produkte müssen alle aus einem,
dem Amazon-Lager, kommen, um die Qualität zu sichern. Dafür arbeitet der Versender eng mit den lokalen Händlern und Geschäften zusammen, teilt Amazon auf etailment-Anfrage mit. Täglich würden die Produkte dort abgeholt um sicherzustellen, dass sie so frisch wie möglich beim Kunden ankommen. Die Produkte der "Berliner Lieblingsläden" werden dann als Teil des Fresh-Gesamteinkaufs innerhalb des gewählten Zeitfensters zugestellt, heißt es weiter.
Ob Amazon-Fresh der neue Lieblingsladen von Jörg Schallenberg geworden ist, bedarf noch etwas Bedenkzeit. Zumindest war der Test erfolgreich, am Wochenende wurde jedenfalls gleich nachgeordert. So ein Joghurtbecher ist schließlich schnell leer gelöffelt.
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