
Recht kleinlaut wurde jetzt bestätigt, dass Kirshbaum Mitte Januar kommenden Jahres das Unternehmen verlassen wird; die Bemühungen, Amazon als Buchverlag zu etablieren, werden deutlich zurück gefahren. Den Zeitpunkt der Bestätigung hatte man zwar taktisch auch vernünftig gewählt – die Meldung kam zeitgleich mit der Bekanntgabe der aktuellen Quartalszahlen – aber wenn man hoffte, mit diesem alten Trick die schlechte Nachricht verbuddeln zu können, hatte man wohl falsch gedacht.
Abschied von Kirshbaum
Nun gilt in der Buchbranche seit jeher die Weisheit: „How do you make a small fortune? You start with a big one. Then you get into publishing“. Und offensichtlich reicht es auch für ein Unternehmen mit mehr als 60 Milliarden Dollar Umsatz nicht aus, einfach nur Geld in ein bestimmtes Projekt zu schütten, damit dieses erfolgreich wird. Dass Kirshbaum seit dem Sommer massiv unter Beschuss steht, weil er eine Ex-Freundin sexuell belästigt haben soll, wird den Abschied einfacher gemacht haben. Abgezeichnet hatte der sich aber schon länger: Der Vertrag von Kirshbaum gilt bis zum kommenden Frühjahr, und eigentlich hätte man schon längst eine weitere Zusammenarbeit verkünden müssen, wenn denn eine solche geplant gewesen wäre.
Star-Autoren fielen beim Publikum durch
Der Einstieg von Amazon ins Buchverlegen war als strategischer Schritt geplant, um die Verwertungskette von der Kreation bis zur Distribution aus eigener Hand lenken zu können. Schon vor der Berufung Kirshbaums waren Imprints für Genre-Fiction gegründet worden: Krimis, Thriller, Fantasy, Liebesromane – alles, was den Massenmarkt anspricht. Mit dem Verlegerstar sollte aber auch der allgemeine Publikumsmarkt für gehobene Literatur und Sachbücher erobert werden. Dementsprechend wurde Kirshbaum mit viel Geld ausgestattet, um prominente Autoren von der Konkurrenz abzuwerben. Er tat, wie ihm geheißen: Im Wettbieten um attraktive neue Bücher populärer Autoren schlug man die Konkurrenz aus dem Feld, und bei den Buchmessen in London, Bologna und Frankfurt, wo das internationale Lizenzgeschäft in der Branche seine Zentren hat, gab es nach Gesprächen mit Kirshbaum und seinen Leuten viele fröhliche Gesichter.
Das funktionierte: Die Regisseurin Penny Marshall gehörte mit ihrer Autobiographie zu den ersten, die schwach wurden; der in den USA berühmte Fernsehkoch Timothy Ferriss folgte ebenfalls den Verlockungen und auch die Bücher des chinesischen Dissidenten Liao Yiwu fanden ihren Weg zu Amazon. Aber: die Starautoren, die durchaus respektable Bücher ablieferten, fielen durch. Statt hunderttausender Exemplare, die sie mit ihren früheren Verlagen absetzen konnten, kamen allenfalls ein paar zehntausend Verkäufe zustande. Ein Flop.
Wichtigster Grund für den Flop war die Weigerung des stationären Buchhandels, die Bücher aus dem Hause Amazon ins Sortiment zu nehmen. Da nützte es auch nichts, dass Amazon gemeinsam mit dem Verlag Houghton Mifflin Harcourt das neue Imprint „New Harvest“ aus der Taufe hob und Ende 2011 die Kinderbuchaktivitäten von Marshall Cavendish erwarb. Der US-amerikanische Buchhändlerverband startete sogar eine Umfrage unter seinen Mitgliedern, ob sie denn gewillt seien, Bücher zu verkaufen, die aus der Faktorei ihres erbitterten Gegenspielers Amazon stammen.
Keinen Regalzentimeter für Bücher von Amazon
Die Antworten schwankten zwischen einem kühlen „No“ und einem herzlichen „Hell, No!“. Vor allem Barnes & Noble, der mit Abstand größte Buchhändler der USA mit gut 1300 Filialen (davon gut 600 an Universitäten und Colleges), machte von Anfang an deutlich, dass diese Läden keinen Zentimeter Regalfläche bereitstellen würden. Die Nummer Zwei im Markt, Books-A-Million, zeigte sich ebenso hartleibig und auch in Kanada verschloss der dortige Marktführer Indigo (der einst Kobo an den Start gebracht hatte) seine Türen.
Das hatte sich Amazon bei seinem Vorstoß sicherlich ganz anders vorgestellt. Tatsächlich hat im strategischen Denken eines solchen Riesen die Idee keinen Platz, dass diejenigen, die unter seinem beständigen Wachstum besonders zu leiden haben, die erste sich bietende Gelegenheit ergreifen würden, Vergeltung zu üben. Obwohl diese Idee nicht allzu abwegig ist.
Wie geht es weiter mit Amazon Publishing?
Die Aktivitäten in den „ernsthaften“ Bereichen des Buchmarkts werden drastisch zurück gefahren, eine Reihe von Mitarbeitern hat das Unternehmen bereits verlassen. Die Massenmarkt-Genres werden aber weiterhin bedient. Vor allem der exponentiell wachsende Markt des „Self Publishing“ hat sich für Amazon in den vergangenen beiden Jahren als Goldgrube erwiesen: Hier beweist der Riese aus Seattle, dass seine Investitionen in Marketing, Technik und Service den Kunden – und das sind hier die Autoren ebenso wie die Käufer – einen kaum zu schlagenden Vorteil gegenüber der Konkurrenz beschert. Wieder einmal.