Seit Monaten wird beim Internet-Versandhändler Amazon immer wieder gestreikt. Doch richtig vorwärts geht es nicht. Der US-Gigant lässt die Streikenden anscheinend ins Leere laufen.
Kann es sein, dass sich Verdi an dem US-Unternehmen, dessen Chef sich gerade die renommierte "Washington Post" gekauft hat, die Zähne ausbeißt? Die Gewerkschaft will nicht aufgeben. Auch wenn jetzt Sommerpause ist, die Streiks werden weitergehen, sagt der Leipziger Verdi-Mann Thomas Schneider. "So ein Weg zu einem Tarifvertrag ist immer ein Prozess, da gibt es keine Schnellstraße", sagt er. Verdi sei auf eine lange Distanz eingerichtet.
"Zeichen, dass sich was bewegt"
Und Scheitern? "Das ist für uns keine Frage, über die wir uns den Kopf zerbrechen." Seine hessische Gewerkschafts-Kollegin Mechthild Middeke denkt genauso. Sie wertet die Ankündigung, dass es Weihnachtsgeld geben soll, als ein Zeichen, dass sich etwas bewegt. "Die Kollegen haben gesagt, jetzt erst recht, Amazon bewegt sich zwar, aber das reicht uns nicht." Amazon indessen will diese Geste nicht als Einlenken verstanden wissen. Das Weihnachtsgeld habe nichts mit den Streiks zu tun.Verdi fordert für die Beschäftigten einen Tarifvertrag nach den Konditionen des Einzel- und Versandhandels. Das US-Unternehmen orientiert sich dagegen nach eigenen Angaben an der Bezahlung in der Logistikbranche. In einem Statement hatte Amazon kürzlich erklärt, es werde für Kunden und für Mitarbeiter kein Vorteil in einem Tarifabschluss gesehen.
Keine schnelle Einigung
Für den Streikexperten von der gewerkschaftsnahen Hans Böckler Stiftung, Heiner Dribbusch, gehört das alles mit zum Arbeitskampf. "Die Frage nach den Auswirkungen und der Anzahl der Teilnehmer ist Teil der Auseinandersetzung", sagt Dribbusch. Er gibt keine Prognose über den Ausgang ab. "Das wird nicht allein in Leipzig oder Bad Hersfeld entscheiden. Das ist eine Auseinandersetzung zwischen Amazon und Verdi", betont er.Es spreche einiges dafür, dass es keine schnelle Einigung gibt. Auch deshalb, weil immer nur ein Teil der Belegschaft streikt. Es könne aber auch sein, dass die Aktionen den Konzern zunehmend nerven und er das Problem vom Tisch haben wolle. In der Regel endeten Streiks mit einem Kompromiss. Das sich eine der Parteien 1:1 durchsetzen könne, sei sehr selten, sagt Dribbusch. Genauso selten sei es, dass ein Streik ergebnislos endet. Ein Beispiel sei der gescheiterte Kampf um die 35-Stunden-Woche für die ostdeutschen Metaller im Jahr 2003. "Im Prinzip wissen wir es erst hinterher ganz genau."
Im vorigen Jahr gab es in Deutschland laut Dribbusch 250 Streiks und Warnstreiks, an denen sich 1,2 Millionen Beschäftigte beteiligten. Vor allem ging es um Haus- und Firmentarifverträge. Oft weigere sich der Arbeitgeber überhaupt, einen Tarifvertrag abzuschließen. Dann ziehe sich die Auseinandersetzung hin. So gab es beispielsweise erst nach 126 Tagen Streik beim Sparkassen-Callcenter S-Direkt in Halle einen Abschluss.