Andreas Starzmann ist Digitalchef von Wanzl, einem Unternehmen, das gemeinhin für die Produktion von Einkaufswagen steht. Doch Wanzl ist längst ein Anbieter von technischen Lösungen für den Handel, und Starzmann sozusagen der Chefentwickler. Amazon ist für ihn Lebensbegleiter, doch für manche Kleinigkeiten gibt es in seiner Familie noch größere Experten.

Wenn ein deutscher Einzelhandelskunde Waren in seinen Einkaufswagen legt, dann ist dieser von Wanzl. Und irgendwie gilt das auch für Kunden auf der ganzen Welt, denn Wanzl beliefert Handelsunternehmen auf dem ganzen Globus mit rollenden Warenkörben. 

Das 1918 von Rudolf Wanzl im Sudetenland gegründete und 1947 in Augsburg neu belebte Unternehmen ist Weltmarkführer für Einkaufswagen. 1948 begann die Produktion. Der erste Star des Sortiments war das patentierte Modell "Concentra". Heute steht Wanzl für 700 Millionen Euro Umsatz, sitzt in Leipheim und stellt alles Mögliche für Läden her: Transport- und Einkaufswagen, Zutrittsschleusen und Softwarelösungen. 

Das große Datensammeln im Supermarkt

Wanzl bietet digitale Lösungen für den Handel an, die bekannteste ist Wanzl connect, ein digitalisierter Lebensmittelladen, das System kann aber auch an andere Handelsformate angepasst werden. Das große Ziel ist, dass der Einkaufsprozess so reibungslos wie möglich gestaltet wird. Dafür muss der Filialleiter das Wichtigste immer wissen: Wie viele Kunden sind eigentlich aktuell bei mir? Und wo im Laden kaufen sie jetzt bevorzugt ein? Bei den Spirituosen? Bei den Molkereiwaren? Oder bei den Fertiggerichten? 
Total vernettzer Laden: So funktioniert Wanzl connect
© Wanzl
Total vernettzer Laden: So funktioniert Wanzl connect
Dafür gibt es zwei notwendige Zählsysteme: Der Kunde wird einmal beim Eintreten in den Laden von einer Kamera von oben erfasst, man erkennt jedoch weder das Gesicht und kaum das Geschlecht - aber die Körpergröße. Damit lässt sich unterscheiden, ob Erwachsene oder Kinder im Laden unterwegs sind. 

Prozessabläufe verbessern

Mit Connect  will Wanzl keineswegs einen menschenlosen Supermarkt bieten, "es geht vielmehr darum, mit den Daten die Prozessabläufe zu verbessern. Die Personaldecke ist ja schon so dünn, da kann man nichts mehr optimieren", sagt Andreas Starzmann, Director Digital Office des Unternehmens. Und dann führt er den Besucher in Leipheim durch die Modellversion dieses modernen Marktes mit lauter Messsystemen, kontaktlosen Bezahlmöglichkeiten und einer Kamera am Einang, mit der erfasst wird, wie groß der Kunde ist, der gerade den Laden betritt. Das macht Freude, denn plötzlich ist der Besucher drei Zentimeter größer, als er immer dachte. 

Man kann mit Starzmann sehr gut und lustig über Technik und digitales Einkaufen reden, daher hat er auch einiges zu sagen, wenn es um das Thema Amazon geht.

Herr Starzmann, wie war Ihre erste Begegnung mit Amazon?

Andreas Starzmann: Nachdem ich mich nicht direkt erinnern konnte, habe ich einen Blick in die Bestellhistorie geworfen. Meine erste Bestellung ist vom 13. Februar 2010: Ein Apple Nike + Ipod Kit. Damals waren Fitness-Tracker noch etwas Besonderes.   

Wie hat Amazon Sie persönlich und Ihr Unternehmen verändert?
Amazon ist zuallererst ein wichtiger Kunde von uns. Nicht umsonst sind wir Entwicklungspartner von Amazon mit unserem Geschäftsbereich Logistics + Industry. Gleichzeitig verändert Amazon das Einkaufen, und das nicht nur durch die Amazon Plattform selbst, sondern auch durch Lösungen wie barrierefreiem Einkaufen mittels AmazonGo oder AmazonFresh mit Lieferungen innerhalb von einer Stunde an die Haustür des Kunden. Damit treibt Amazon den Lebensmitteleinzelhandel in neue Dimensionen. Auf dies muss der stationäre Einzelhandel reagieren, um weiterhin seine Daseinsberechtigung zu haben. Er muss seine Vorteile, wie die persönliche Beratung oder das Erleben von Einkaufserlebnissen mit allen Sinnen, weiter schärfen. Dabei helfen wir durch unsere innovativen Lösungsansätze, unserem breiten Produktportfolio und unserer Stärke, "Soft- wie Hardware" aus einer Hand bereitzustellen. Letztendlich kann man sagen, dass Amazon unser Partner ist und uns gleichzeitig anspornt, neue Ideen für den Einzelhandel zu entwickeln. 

"Amazon wird uns irgendwann allumfassend im Alltag begegnen."

Andreas Starzmann
Wo steht Amazon in zehn Jahren?
Wenn ich das wüsste, hätte ich einen Berg voller Optionsscheine und würde wahrscheinlich nicht bei Wanzl, sondern im Bereich Investment-Banking arbeiten. Spaß bei Seite. Wikipedia spricht bei Amazon heute noch von einem börsennotierten amerikanischen Online-Händler. Diese Meinung teile ich nicht. Wenn man sich anschaut, in welchen Feldern Amazon bereits aktiv ist und investiert, wird Amazon irgendwann uns allumfassend im Alltag begegnen. Das Unternehmen ist auf dem Weg zu einem Technologiekonzern mit Schlüsselkompetenzen in Bereichen wie Medizintechnik, Cloudlösungen und Robotics. Dies bietet auch einem wie Wanzl die große Chance, dank seiner digitalen Innovationen an der Entwicklung teilzuhaben und davon zu profitieren. 
 Wo steht Ihr Unternehmen in zehn Jahren?
Wir befinden uns im Umbruch. Jeder verbindet Wanzl heute mit unserem Kernprodukt Einkaufswagen. Doch hinter Wanzl steht weit mehr: Unsere Architekten und Planer richten komplette Läden neu ein, wir digitalisieren mit der cloudbasierten Softwareplattform Wanzl connect die stationäre Verkaufsfläche und schaffen mit unseren Zutrittslösungen neue Formen des barrierefreien Einkaufens. Mit all diesen Bausteinen sind wir in der Lage neue Shop-Formate mit unseren Handelspartnern zusammen zu entwickeln. Damit haben wir in verschiedenen Projekten begonnen. Dies soll künftig unser Kerngeschäft sein. Was machen Sie besser als Amazon?
Amazon schreibt eine einmalige Erfolgsgeschichte. Da wäre es vermessen zu sagen, was wir besser machen. Im Gegenteil, wir schauen auf uns und hören, was unsere Kunden bewegt. Darauf basierend bieten wir passende Lösungen. Wenn wir uns beispielsweise das Thema Einkaufen rund um die Uhr anschauen, haben wir in Zusammenarbeit mit dem dem Unternehmen Würth gezeigt, dass wir gute Ideen zum Einkaufen der Zukunft haben und gleichzeitig Lösungen generieren, die auch wirtschaftlich reproduzierbar sind. So helfen wir dem stationären Einzelhandel mit digitalen Lösungen sich zum Omni-Channel-Anbieter zu entwickeln und auch in Zeit des onlinegetriebenen Handels zu bestehen. 

Wenn Sie einen Tag lang Amazon-Chef sein dürften – was würden Sie anders machen?
Bei Amazon ist ja jeder Tag "Tag 1", und deswegen steht dort ständig alles auf dem Prüfstand. Deshalb hätte ich tatsächlich eine Chance auch an nur einem Tag einen Fußabdruck zu hinterlassen. Ich glaube, ich würde den Anstoß geben, die Schulen weltweit zu digitalisieren, um damit allen Kindern auf der Welt die Chance auf Bildung zu geben. Damit entstünde ein einmaliger Think Tank, der für Amazon die Basis sein könnte, global die besten Köpfe der Welt an sich zu binden. Gleichzeitig würde der Zugang zur Bildung auch für ärmere Regionen einfacher.

Was bestellen Sie privat bei Amazon?
Prinzipiell habe ich alles Mögliche bei Amazon bestellt. Um im Ökosystem von Amazon zu bleiben, bin ich auch bereit den etwas höheren Preis von Amazon zu akzeptieren. Da mein Beruf mich auch immer wieder treibt, neue Dinge auszuprobieren, habe ich auch die Einkaufseinstellungen in der Alexa App aktiviert. Wie einfach die Anwendung ist, hat mir dann meine 4-jährige Tochter gezeigt, indem sie sich die Einhorn-Edition von Ritter Sport bestellt hat. Als ich den Bestellwert von 29,99 EUR gesehen habe, war die Schokolade allerdings schon komplett aufgegessen.

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