Für Apple-Chef Tim Cook liegt es klar auf der Hand. Im September 2015 verkündete er, die Zukunft des Fernsehens läge in Apps. Allerdings musste er das auch so sagen, denn schließlich stellte sein Unternehmen just die neueste Generation der hauseigenen Set-top-Box vor. Und eine der wesentlichen Neuerungen des Apple-TV sind die Apps. Mit Apps auf dem TV eröffnet sich Händlern der direkte Weg in die Wohnzimmer der Kunden. Da wollen große Player wie Zalando nicht lange abseits stehen. Warum aber ist Apple TV für Händler so verführerisch?

Apple-TV - schon lange kein “Hobby” mehr

Als die erste Generation der Set-top-Box mit dem Apfel-Logo in die Geschäfte kam, wurde das Gerät vom legendären Firmengründer Steve Jobs selbst noch als “Hobby” bezeichnet, für das es eigentlich keinen Markt gebe. Schließlich war das kleine Gerät nichts anderes, als eine Abspielstation für (lokale) Inhalte aus iTunes.

Das hat sich seit der Produktvorstellung Anfang 2007 deutlich geändert. Dank der Erfolge von Netflix, Amazon Prime und Watchever wird das Streaming immer mehr zum Alltagsphänomen, und ist so erfolgreich, dass einige Experten der Meinung sind, bereits die Totenglöckchen für das lineare Fernsehen hören zu können.

Zwar gibt sich Apple ungewohnt schmallippig, wenn die Frage nach konkreten Verkaufszahlen für das Apple-TV aufkommt. Die Umsätze der Sparte “Andere Produkte”, zu dem auch die kleine schwarze Box gehört, entwickeln sich jedenfalls prächtig.

Apple TV - The Future of TV is Apps

Apple-TV vs. Fire-TV

Die Vorstellung der neuesten Gerätegeneration war indes notwendig, um nicht Gefahr zu laufen, in der Gunst der Käufer hinter die Fire-Geräte von Amazon zurückzufallen. Denn eine Sprachsuche war dort genauso von Anfang an dabei, wie die Möglichkeit, Apps zu installieren. Wenn auch die Zahl der verfügbaren Programme sehr bescheiden war. In den USA belegte Apple zuletzt nur noch Platz 4 bei Geräten für das Streaming.

Marktanteile im Markt der Set-top-Boxen in den USA. Quelle: www.parksassociates.com/blog/article/pr-aug2015-steaming-media-landscape
Marktanteile im Markt der Set-top-Boxen in den USA. Quelle: www.parksassociates.com/blog/article/pr-aug2015-steaming-media-landscape

Nun ist Apple aber wieder da und hat nicht nur Siri, die vom iPhone und iPad bekannte Sprachassistentin mit an Bord, sondern bietet eben auch die Möglichkeit, Apps auf dem Gerät zu installieren.

Shopgate Golden State Warriors Apple TV App

E-Commerce landet auf dem Big Screen

Die ersten Berichte zur neuen App-Funktionalität des Apple-TV überschlugen sich fast in Spekulationen und sahen bereits das Ende klassischer Spielekonsolen gekommen. Dabei wird ein viel näherliegender Anwendungsfall schlicht übersehen. Der Einsatz der Set-top-Box als Plattform für das bequeme Einkaufen von der Couch aus.

Und der Software-as-a-Service-Anbieter Shopgate, der sich darauf spezialisiert hat, Händlern die Möglichkeit zu geben, mit möglichst geringem Aufwand Apps für iOS und Android zu starten, hat das Apple-TV bereits auf die Liste seiner unterstützten Plattformen gesetzt. Ein großer Schritt.

Denn im Grund wird die gleiche Technologie, die bereits erfolgreich auf mobilen Geräten eingesetzt wird, auf die Set-top-Box übertragen. Der für viele Nutzer gewohnte Einkaufskomfort, den sie von den Apps auf Smartphone und Tablet kennen, landet nun plötzlich auch im Wohnzimmer. Da werden große Player wie Zalando wohl nicht lange abseits stehen.
Darauf deutet auch ein aktueller Blogbeitrag des Moderiesen hin: "The recently unveiled Apple TV upgrade will allow customers to control their apps in new ways, which begs the question of where our Fashion Store app fits into the equation. ... the allure of the big screen isn't lost on us. We believe that shopping through your TV may soon become the norm, but the gravity of mobile's effect on the market shouldn't be sidestepped just yet."

Neue Chancen, oder die Chance, Geld zu verbrennen?

Sollen Händler nun bereits frühzeitig die Chancen ergeifen, um mit einer eigenen App auch auf dem Apple-TV präsent zu sein? Derzeit stehen die Chancen dafür, von den Konsumenten überhaupt beachtet zu werden, noch sehr gut. Denn im Vergleich zum App-Store für die anderen Apple-Geräte ist das Angebot für die TV-Box noch sehr klein, die Zahl der Apps in der Kategorie “Shopping” noch überschaubarer. Das kann in Hinblick auf die Medien ein Vorteil sein. Das Apple-TV bietet als Absatzkanal weniger Masse, aber eben auch mehr Aufmerksamkeit.

Letztlich stellen sich auch auf dieser Plattform die gleichen Herausforderungen und Probleme, die von mobilen Geräten bekannt sind:

  • Die Kunden müssen den ersten Schritt machen. Und der ist bekanntlich der schwerste. Denn damit der Händler auch auf dem Bildschirm erscheint, muss zuerst die App installiert werden. Dabei mag zunächst der Reiz des Neuen helfen. Der verfliegt aber schnell, je umfangreicher das Angebot an Apps sein wird.
  • Nach der Installation beginnt der Kampf um die Position auf dem Bildschirm. Mit welchen Angeboten und Funktionen soll der Kunde nachhaltig davon überzeugt werden, dass die App einen festen Platz auf dem Bildschirm verdient? Ohne Produkt- und Content-Strategie läuft der Händler Gefahr, nur einen kurzen Ausflug auf den TV-Bildschirm zu erleben.
  • Eigene (überzogene) Erwartungen dämpfen: Mobile Commerce scheint nur Superlative zu kennen. Stets muss der stark anwachsende Traffic und dessen Anteil am Gesamtvolumen für den Erfolg herhalten. Indes würden die meisten Händler wahrscheinlich vor Dankbarkeit niederknien, wenn denn auch die Umsätze im gleichen Maß stiegen. Das ist indes nicht der Fall.

Shopping auf dem Apple-TV eröffnet Händlern einen (zusätzlichen) Kanal zum Kunden. Wer frühzeitig kommt, sichert sich die besten Plätze. Aber ob sich seine Investitionen tatsächlich amortisieren, weiß derzeit niemand.