Thomas Binder, Deutschlandchef des Centerentwicklers Sonae Sierra, über die Expansionspläne in Deutschland und sein Interesse an der Übernahme von Karstadt-Standorten.
Welche Pläne verfolgt Sonae Sierra in Deutschland?
Die potenziellen Standorte für große Shoppingcenter mit Verkaufsflächen von 50.000 Quadratmetern und mehr sind inzwischen alle besetzt. Der Trend geht nun in die Mittelstädte mit rund 100.000 Einwohnern und einem Einzugsgebiet von 250.000 bis 300.000 Menschen. Diese Städte verlieren Kaufkraft an die umliegenden Oberzentren und müssen überlegen, wie sie wieder attraktiv für den Handel und Konsumenten werden wollen. Das geht nicht einfach über eine Ausdehnung der Innenstadt, dazu braucht es das richtige Konzept - und das ist in der Regel ein innerstädtisch integriertes Shoppingcenter.
Wie viele solcher Standorte gibt es?
Wir haben zusammen mit einem Marktforschungsunternehmen geeignete Städte untersucht. Dabei haben wir 14 Standorte identifiziert, die gutachterlich nachgewiesen über eine hohe Kaufkraft verfügen, diese aber an die Umgebung verlieren. Dort sind attraktive, zusätzliche Handelsflächen nötig, um den Trend zu stoppen. Hier wollen wir Entwicklungsarbeit leisten.
Interessieren Sie sich auch für Karstadt- und Hertie-Häuser?
Die Warenhäuser sind eine separate, sehr interessante Schiene. Dort ist in der Regel keine Erweiterung der Handelsflächen erforderlich, sondern eine Umstrukturierung beziehungsweise Neubau mit allenfalls geringfügigen Ausweitungen. Das Auslaufmodell Warenhaus muss dort durch das Zukunftskonzept Shoppingcenter ersetzt werden. Das ist eine Aufgabe, die Entwickler in den nächsten 10 oder 15 Jahren noch beschäftigen wird. Wir haben für drei Karstadt-Standorte - etwa in Kiel - Gebote abgegeben und prüfen zwei bis maximal vier weitere Objekte.
Wie sieht es mit den Hertie-Niederlassungen aus?
Sie sind für ein Center in der Regel zu klein. Dort muss man Nachbargrundstücke dazukaufen, das erfordert viel Ermittlungs- und Entwicklungsarbeit. Wenn wir in den nächsten Jahren bei zwei oder drei Karstadt-Häusern zum Zuge kommen, sind wir zusammen mit den verifizierten, weiteren potenziellen Standorten, die wir uns vorgenommen haben, ausreichend beschäftigt.
Wodurch unterscheidet sich Sonae Sierra Ihrer Auffassung nach von anderen Shoppingcenter-Entwicklern?
Wir gehen mit einem sehr stark integrativen Ansatz an die Standorte heran - nicht wie Wettbewerber, die nur ihre immer gleichen Projekte realisieren. Unsere Planungen in Garbsen bei Hannover oder Fürth sind Beispiele für sehr individuelle Vorhaben, bei denen wir die bestehende Umgebung aufnehmen und fortentwickeln. Sonae Sierra verbindet Einzelhandel immer mit den Elementen Freizeit, Unterhaltung und Kultur, ein Food-Court übernimmt jeweils die Scharnierfunktion zwischen den einzelnen Bereichen. Unsere Center sollen soziale Treffpunkte sein, wie es die Marktplätze im Mittelalter waren. Jedes hat seinen eigenen Namen und besitzt ein eigenes Thema, das sich im gesamten Auftritt und in der Innenarchitektur widerspiegelt. Um den lokalen Besonderheiten gerecht zu werden, legen wir zudem Wert darauf, dass 30 Prozent der Mieter inhabergeführte Geschäfte aus der Region sind.
Und wie passt das Loop5 an der Autobahn bei Weiterstadt vor den Toren von Darmstadt zu diesem integrativen Ansatz?
Beim Loop5 sind wir als einzige Ausnahme in Deutschland von unserem Prinzip abgewichen. Das ist ein Solitär. Dort hat der frühere Grundstückseigentümer eine Baugenehmigung für ein Shoppingcenter mit 56.000 Quadratmetern erwirkt, gegen die die Stadt Darmstadt erfolglos durch alle Instanzen geklagt hat. Als dieses Objekt auf den Markt kam, war es die gebratene Taube auf dem Silbertablett. Wir haben den Zuschlag erhalten - wenn wir es nicht gemacht hätten, wäre ein anderer Entwickler zum Zuge gekommen.
Hat der Einzelhandel in der Darmstädter Innenstadt überhaupt noch eine Chance, wenn das Loop5 im Oktober eröffnet?
Das Center ist ein klarer Grüne-Wiese-Standort und damit eine Kofferraum-Lage. Das benachbarte Segmüller-Möbelhaus und die bereits vorhandenen Fachmärkte ziehen Kunden aus bis zu 150 Kilometer Entfernung an. Für dieses Ferneinzugsgebiet wird das Loop5 der Versorger sein. Wer aber aus Darmstadt oder Umgebung kommt und flanieren will oder urbane Atmosphäre genießen möchte, der wird nach wie vor in die Innenstadt gehen. Auf diese Kundschaft muss sich die Stadt einstellen und entsprechendes Flair sowie attraktive, innerstädtische Zusatzangebote schaffen. Die Darmstädter wappnen sich auch schon, und ich denke, sie machen es richtig.
Wie stark trifft die Finanzkrise die Projekte von Sonae Sierra hierzulande?
Centerentwicklungen dauern in Deutschland von der ersten Idee bis zur Eröffnung häufig sechs bis sieben Jahre, und wir arbeiten mit zehnjährigen Finanzierungsverträgen. Das Geschäft ist zu langfristig angelegt, als dass es von den demgegenüber deutlich kürzeren Zyklen der Finanzwelt beeinflusst wäre. Wir haben in Garbsen vor vier Jahren mit der Planung angefangen. Wenn wir dort im nächsten Frühjahr Baurecht erhalten, bauen wir noch einmal 20 Monate. Bei der Eröffnung redet dann niemand mehr von der Finanzkrise. Bei den Konsumenten, das sehen wir an den täglichen Umsatzmeldungen unserer Mieter, ist die Krise noch gar nicht angekommen.
Rechnen Sie dennoch mit krisenbedingten Notverkäufen bei Shoppingcentern durch klamme Investoren?
Davon gehe ich aus, und wir spitzen die Ohren. Es gibt auch bereits erste Anzeichen dafür, dass es zu "Fire Sales" kommen wird. Objekte, die noch im Sommer 2008 zur 18,5-fachen Jahresmiete angeboten wurden, sind jetzt zum Faktor 15 auf dem Markt.
Interview: Hanno Bender
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 05/2009 von Der Handel erschienen.