Die Warenhäuser sind in der Krise - und müssen sich neu erfinden. Erfolgskonzepte haben nicht die Konzerne parat, sondern mittelständische Kaufhausbetreiber.
Nur zwei Jahre später ist die Kaufhauskette mit zuletzt 54 Standorten pleite, ihre Sanierung war offenbar tatsächlich eine unmögliche Mission.
Probleme auf der Fläche
"Hertie hatte keine Chance", betont Joachim Stumpf, Geschäftsführer und Kaufhausexperte der BBE-Handelsberatung München, im Gespräch mit Der Handel. "Die Standorte waren zu verschieden, die Verkaufsflächen schwanken zwischen 2.000 und 8.000 Quadratmetern. Hierfür ein einheitliches Sortiments- und Ladenkonzept zu finden, ist einfach nicht möglich."Nun schaut die Handelsbranche gespannt auf Karstadt und Kaufhof, die sich in Fusionsgesprächen befinden. Doch auch eine Verschmelzung würde das grundsätzliche Problem der Warenhausgiganten nicht lösen: Sie haben kein zugkräftiges Konzept für die Fläche. Seit Jahren verlieren sie Marktanteile, weil eine eindeutige Positionierung fehlt. Shoppingcenter, Fachmärkte und vertikale Händler schnappen ihnen die Kunden weg.
Mittelständler mit Erfolgskonzepten
Dabei gibt es in Deutschland durchaus Erfolgskonzepte für die einstigen Konsumtempel. Um sie zu sehen, muss man nicht nach Frankfurt, München oder Hamburg fahren, sondern eher nach Ahrensburg, Bad Schwartau oder Burg auf Fehmarn: In diesen und anderen Mittelzentren der Republik betreiben clevere Unternehmer Kaufhäuser, die im lokalen Einzelhandel eine herausragende Rolle spielen - und dabei gute Gewinne abwerfen."Es gibt etliche Betreiber, die regional fest verankert sind und ein stabiles Geschäft verzeichnen", sagt Dirk Funck, Geschäftsführer von Sale & Service, einer Tochtergesellschaft der Verbundgruppe EK Servicegroup. Zu seinen Kunden gehören rund 170 Kaufhausunternehmen mit nahezu 300 Standorten bundesweit. "Einem Großteil dieser Häuser geht es gut, weil sie sich voll auf die Bedürfnisse der lokalen Kundschaft einstellen - ob in der Werbung oder bei der Zusammenstellung des Sortiments."
Die Kaufhäuser bieten oft genau das, was im örtlichen Handel fehlt. Die Betreiber wissen auch, wer die lokalen Wettbewerber sind - und passen sich der Konkurrenzsituation an. "Es macht nun mal einen Unterschied, ob Fachhändler oder Fachmärkte in der Umgebung sind", betont Funck.
Gnadenlos regional ausgerichtet
Dieser regionale Ansatz könnte auch bei größeren Warenhausketten funktionieren, bestätigt Marco Schönebeck, Experte für Handelsimmobilien. "Die Devise ‚Alles unter einem Dach' funktioniert nur mit einem klaren Profil", betont der Berater vom Maklerunternehmen Kemper's Jones Lang LaSalle. Die Unternehmen müssten viel stärker auf regionaler Ebene agieren: "Die Sortimente müssen stärker als bisher standortbezogen und unter Berücksichtigung der Konkurrenz vor Ort ausgerichtet werden."Eine solche Strategie könnte für Karstadt und Kaufhof funktionieren, glaubt auch BBE-Berater Stumpf. "Die brauchen jedoch fähige Filialleiter vor Ort, die sich als Unternehmer verstehen", sagt der Handelsexperte. Ein geeignetes Geschäftsmodell hat der Kaufhof-Eigentümer Metro sogar schon im Haus: Der Erfolg der Elektrofachmärkte von Media Markt und Saturn rührt nicht zuletzt aus der Tatsache, dass die jeweiligen Filialleiter zum Teil autonom über Sortiment und Angebote entscheiden - und als Mitgesellschafter an den Erlösen beteiligt sind.
Die mittelständischen Kaufhausbetreiber könnten also zur Lösung der Warenhauskrise beitragen - bislang werden sie jedoch als künftige Nutzer der Hertie-Warenhäuser "von der Immobilienwirtschaft völlig ignoriert", sagt der Berater Stumpf. Und nicht selten erschweren ihnen die schlechten Branchennachrichten sogar den Zugang zu Krediten, weiß Verbundgruppenmanager Funck zu berichten.
Dabei gilt laut Joachim Stumpf die Devise: "Wenn man das anbietet, was die Kunden vor Ort wollen, und nicht das, was die Zentrale will, dann hat man einfach mehr Erfolg."
Marcelo Crescenti
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 6/2009 von Der Handel erschienen.