Ist es die Gewohnheit, die die Deutschen ihr Bargeld so sehr lieben lässt? Oder haben die Konsumenten ganz rationale Gründe dafür, nach wie vor so viel bar zu bezahlen? Eine Studie liefert nicht nur Hintergrundmaterial, sondern zeigt auch, dass der Handel aus dieser Verbundenheit zum Bargeld auch seine Vorteile ziehen kann.
Ein Blick in der Schlange an der Supermarktkasse genügt bereits, um zu erkennen, dass mobile Bezahlsysteme wie Google Pay noch lange nicht im Alltag der Bevölkerung angekommen sind. Auch das kontaktlose Bezahlen scheint deutlich hinter der kartengebundenen Zahlung oder dem Zücken des Bargelds zu liegen.
Gefühlte oder tatsächliche Realität? Und was lässt die Kunden heute noch zum Bargeld greifen, wo doch das Bezahlen per Karte oder mit dem Smartphone so viel mehr Bequemlichkeit verspricht?
Das Unternehmen Cardtronics wollte das genauer wissen und hat im Sommer 2017 eine repräsentative Umfrage unter mehr als 2.000 Deutschen durchgeführt.
Die Kunden versorgen sich aus gutem Grund regelmäßig mit Bargeld
Ist es eine emotionale Bindung der Kunden an das Bargeld oder was treibt die Menschen nach wie vor zum Geldautomaten? Die Hälfte der Befragten der Studie antwortete auf die Frage, warum sie den Geldautomaten aufgesucht hat: „Ich will immer Bargeld im Portemonnaie haben.“ Und viele Kunden suchen den Geldautomaten mit Regelmäßigkeit auf. Und das nicht nur aus Gewohnheit. Für 31 % der Deutschen dienen die Intervalle, in denen Geld abgehoben wird, auch zur Budgetplanung. Die Ausgaben werden auf den Betrag beschränkt, der gerade in der Geldbörse ist. Ein auch von den Verbraucherzentralen immer wieder propagierter Trick, um das Haushaltsbudget unter Kontrolle zu behalten.Einzelhändler im direkten Umfeld eines Automaten können von der Gewohnheit direkt profitieren. Denn fast jeder dritte Deutsche (29 %) hebt Geld ab, um es sofort in einem nahegelegenen Geschäft auszugeben.
Befragt wurden die Konsumenten auch nach dem, was heute gern als „Usability“ bezeichnet wird. Die Kunden haben ja inzwischen an der Kasse die sprichwörtliche Qual der Wahl. Bargeld, kartengebundene Zahlungen mit Maestro- oder Girocard, Bezahlen mit Kreditkarte, kontaktlose Varianten der Karten oder auch das Payment mit dem Smartphone. Wie schneidet das Bargeld hier im Vergleich unter dem Gesichtspunkt von Nutzerfreundlichkeit, Sicherheit und dem Aspekt der Kontrolle im Sinne von Budgeteinhaltung und Datenschutz ab?

Ein Geldautomat vor Ort beflügelt die Geschäfte
Wo wird mehr, wo wird weniger mit Bargeld bezahlt? Eine interessante Fragestellung, denen die Studie ebenfalls nachgeht.Örtliche Wochenmärkte übernehmen gerade in kleineren und mittleren Städten eine wichtige Funktion bei der Warenversorgung. Und hier gesellen sich zwei Traditionen gern zueinander. Bei der traditionellen Form des Einkaufs wird auch mit einem traditionellen Bezahlverfahren eingekauft. 95 % der Befragten haben den letzten Markteinkauf in bar bezahlt. In knapp der Hälfte der Fälle (44 %) stammte das Geld dazu aus einem nahegelegenen Geldautomaten.
Ähnlich stark ist die Stellung des Bargelds beim Einkauf in kleineren Geschäften und Bäckereien. Am Kiosk, der Trinkhalle oder dem „Späti“ haben 93 Prozent der Befragten ihre letzten Einkäufe bar bezahlt. Bei 40 Prozent der Konsumenten stammte das Bargeld dafür direkt aus einem Automaten in der Nähe.
In Fußgängerzonen und im Supermarkt ist der Bargeldanteil schon deutlich geringer. 63 Prozent und 58 Prozent der Befragten beglichen dort ihre Einkäufe mit Bargeld. Bei 30 und 25 Prozent der Kunden wurde das aus der Nähe geholte Geld dann wieder dem Wirtschaftskreislauf zugeführt.
Das Ergebnis der Studie erscheint somit eindeutig. Befindet sich ein Geldautomat in der Nähe des Einzelhandels, geben die Konsumenten mehr Geld aus. Die Unterschiede in den Umsätzen zeigt eine Grafik sehr deutlich.

Bargeldversorgung als Standortfaktor
Die Konsumenten haben allerdings ein Problem bei der Bargeldversorgung. Und das ist die Konsolidierung des Filialnetzes der Bankenwelt. Gerade im ländlichen Raum und in kleineren Städten ziehen sich die Kreditinstitute weiter aus der Fläche zurück. Und der Gang in die Filiale ist durch Online-Banking auch seltener notwendig. Damit geht aber auch die Bindung der Kunden an das Institut zurück. Die Konsumenten sind wechselwilliger.Interessanterweise kann hier auch die Versorgung mit Bargeld eine Rolle spielen. 36 % aller Deutschen würden den Wechsel zu einer Bank mit einem nähergelegenen Geldautomaten in Erwägung ziehen, wenn ihre Filiale vor Ort schließen und auch kein Geldautomat mehr angeboten würde.
Gleichzeitig geben nur 37 % der Befragten an, dass sie weiterhin nur einen Geldautomaten ihrer üblichen Bank benutzen und auch an den gewohnten Orten einkaufen würden.
Der Abbau von Filialen und Geldautomaten sorgt also für Gefahren. Auf der anderen Seite ergeben sich damit für reine Online-Anbieter, die auf Filialen verzichten, wiederum Chancen zur Kundenakquise. Denn wenn 36 % der deutschen Bevölkerung nach dem Wegfall eines Geldautomatenservices den Wechsel zu einem anderen Anbieter in Betracht ziehen, ergeben sich für ein Institut, das hier in die Bresche springt, auch wieder neue Optionen, Kunden zu gewinnen.
Die Umstrukturierungen im Filialnetz der Banken und die Bedeutung der Bargeldversorgung für den lokalen Handel öffnen Wege in Richtung neuer Kooperationsmöglichkeiten. Ein Beispiel ist die Bürgerinitiative Fellingshausen. Als die lokale Sparkasse geschlossen wurde, haben die Bewohner in Zusammenarbeit mit der Sparkasse im Interesse des Dorflebens einen Geldautomaten eines Drittanbieters installieren lassen. So können sich die Einwohner weiterhin vor Ort mit Bargeld versorgen, wovon auch der lokale Handel profitiert.
Profitieren kann der Handel aber auch, wenn er die Rolle des Bargeldversorgers von den Banken übernimmt. Das tun inzwischen ja bereits eine ganze Reihe von Filialisten, die Cashback-Modelle an ihren Kassen anbieten. So wird die Kasse im Supermarkt auch zum Geldautomaten. Zum Vorteil der Banken, des Händlers und auch der Kunden.