Ein Jahr der Ungewissheit ist für die Karstadt-Mitarbeiter vorüber: Nicolas Berggruen heißt der Käufer des insolventen Warenhausbetreibers. derhandel.de verfolgte den Verhandlungskrimi in Essen.

Es ist 19.18 Uhr als Klaus Hubert Görg wie ein Patriarch vor die Kameras tritt und sich mit seiner Arbeit tief zufrieden gibt - und dem Ausgang seiner Mission.

Als er vor einem Jahr erstmals die Karstadt-Hauptverwaltung in Essen betrat, habe er die Hintertür nehmen müssen. "Deswegen bin ich froh, dass heute zur Vordertür rausgehen kann." Der Insolvenzverwalter des Arcandor-Konzerns war mit einem Ziel angetreten: "Karstadt als ein ganz großes Unternehmen in Deutschland zu erhalten."

Seit diesem lauen Juni-Montag in Essen gibt es kaum noch Zweifel, dass das Überleben der Warenhaustochter von Arcandor gesichert ist. Und der Überlebensretter heißt Nicolas Berggruen.

Am Mittwoch soll mit dem Investor ein notarieller Vertrag unterzeichnet werden, Donnerstag treffen sich beide Parteien vor dem Essener Amtsgericht, im Spätsommer soll der Kaufvertrag in Kraft treten.

Acht Stunden Verhandlungen

Gut acht Stunden wurde für dieses Ergebnis im Gläubigerausschuss verhandelt, es müssen harte Verhandlungen gewesen sein. Vor allem über die Angebote von Highstreet und Berggruen, die jeweils vom Karstadt-Gesamtbetriebsrat oder Verdi präferiert wurden.

Der Arbeitnehmervertretung, im Gläubigerausschuss von Gesamtbetriebsratschef Hellmut Patzelt vertreten, wurde eine Nähe zum Angebot des Vermieterkonsortiums Highstreet nachgesagt. Die Gewerkschaft, in der Hauptverwaltung mit deutlich weniger Mitgliedern vertreten als in den Filialen im Land, votierte für Berggruen - und machte ihre Entscheidung bereits vor Beginn der Sitzung öffentlich bekannt.

Warum sich Verdi letztlich durchsetzen konnte, warum der Gläubigerausschuss am Ende deutlich mit offenbar nur zwei Enthaltungen für Berggruen gestimmt hat, mochte Gewerkschaftssprecherin Cornelia Haß nicht mitteilen.

"Heute ist ein guter Tag für die Karstadt-Beschäftigten", sagte sie lediglich. Denn Berggruen fordert in seinem Sanierungsplan nur niedrigere Mieten - weitere Zugeständnisse der 25.000 Mitarbeiter will er keine abverlangen. Highstreet hatte vorgegeben, ebenfalls niemanden entlassen zu wollen. Dafür sollten die Mitarbeiter in der Woche zwei Stunden länger arbeiten. Für den Gesamtbetriebsrat soll dieser Wunsch kein Problem gewesen sein.

Kopf-an-Kopf-Rennen

Trotz des Zweikampfs zwischen Highstreet gegen Berggruen - Görgs Sprecher Thomas Schulz sprach später auch davon, dass ein "Kopf-an-Kopf-Rennen" zwischen Berggruen und dem skandinavisch-deutschen Investor Triton gegeben habe. Triton hatte allerdings erhebliche weitere Zugeständnisse der Mitarbeiter gefordert - und war deswegen zum Feind der Gewerkschaft geworden.

Doch was will Berggruen, dessen öffentlicher Auftritt erkennen lässt, dass er sich auch mit feinen Künsten beschäftigt? Mit leicht gebrochenem Deutsch vermeidet der Deutsch-Amerikaner die kalte Businesssprache und redet vielmehr wie ein Visionär, der generell an das Gute im Menschen glaubt. Neben Görg wirkt der feingliedrige Mann wie ein Schüler des knorrigen Insolvenzverwalters.

Nächstes Jahr, wenn Karstadt 130 Jahre alt wird, will Berggruen aus dem Traditionsunternehmen "eine junge Dame" gemacht haben. Ein modernes, schickes Kaufhaus. Berggruen will mit dem Designer Max Azria Karstadts frühere Modekompetenz zurückerobern.

Mehr glückliche Kunden

"Am Ende des Tages sollen mehr Kunden zu Karstadt kommen, mehr kaufen und glücklich sein", lautet Berggruens Ziel. Das Unternehmen gehöre zwei großen Gruppen: Den Mitarbeitern und den Kunden.

Der neue Karstadt-Investor muss sich nun jedoch noch mit den Vermietern abschließend über die von ihm geforderten Mietsenkungen einigen. "Wir bleiben unverändert bei den Konditionen unseres Angebots", erklärte ein Highstreet-Sprecher am Montagabend. 

Der mehrheitlich zur Investmentbank Goldman Sachs gehörende Immobilienfonds soll zusätzliche Mietsenkungen von 230 Millionen Euro für die kommenden fünf Jahre ins Spiel gebracht haben. Allein für das laufende Jahr sollen sich die Mietforderungen von Highstreet an Karstadt auf rund 250 Millionen Euro belaufen. Highstreet besitzt 86 der 120 Karstadt-Warenhäuser.

Berggruen mag vorerst der Sieger im Karstadt-Rennen sein, doch am Ziel ist er noch lange nicht. Er wird mit Highstreet nochmals verhandeln müssen. Und das wird hart.

Steffen Gerth, Essen

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