Die Bertelsmann-Story ist eine typische Wirtschaftswundergeschichte. Die Buchclubs brachten den Deutschen das Lesen nahe, sind aber nicht mehr zeitgemäß. Das digitale Geschäft rückt auch bei Bertelsmann immer mehr in den Fokus.
Heute heißt die Buchclubsparte Direct Group. Sie ist nur noch die kleinste der fünf Säulen des Bertelsmann-Konzerns. Der einstige Wachstumsbereich des Milliardenimperiums muss sich völlig neu erfinden.
Von Böll bis Kishon
Mohn (1921 bis 2009) hatte im Jahr 1945 buchstäblich nur Trümmer übernommen. Nach und nach baute er das Druck- und Verlagsgeschäft der Familie wieder auf. Vom Stammsitz Gütersloh aus gelang dem Unternehmer 1950 sein erster großer Coup: Der Buchclub. Die Grundidee ist bis heute gleich. Viele Menschen bestellen regelmäßig ein neues Buch oder andere Medien und bekommen die Ausgaben billiger. Von Böll bis Kishon - der Club füllte die Bücherregale seiner Mitglieder und die Kassen seiner Besitzer.In den besten Zeiten nach der deutschen Wiedervereinigung gab es allein im deutschsprachigen Raum mehr als sechs Millionen Clubmitglieder. Immer mehr Länder kamen dazu: Erst Spanien, dann unter anderem Frankreich, Portugal, Italien, Großbritannien, Australien, Nordamerika. Die Global Player aus Gütersloh mischten überall mit. Auf dem Höhepunkt rund um das Jahr 2000 war sogar China mit dabei.
Das Clubgeschäft ist denn auch die Sparte, die die Menschen am häufigsten mit dem Namen Bertelsmann verbinden. Wohl kaum jemand auf der Straße wüsste sofort, dass das Medienunternehmen mit der RTL Group Europas größten Unterhaltungskonzern besitzt, dass die Gütersloher Supermarktprospekte drucken und Rechnungen für Microsoft verschicken. Die Clubs jedoch spielen nicht mehr die herausragende Rolle von einst, dazu hat auch ein langjähriger Mitgliederschwund beigetragen.
20 Prozent Umsatzrendite
Bertelsmann wird nächste Woche eine voraussichtlich glänzende Bilanz vorlegen. Konzernchef Hartmut Ostrowski hob im Firmen-Intranet die "herausragende Umsatzrendite" 2010 hervor. Erste Zahlen liegen vor. Die RTL Group erreichte bei der Umsatzrendite schwindelerregende 20 Prozent. Das heißt, bei jedem Euro Erlös machte sie 20 Cent Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen.Davon dürfte das Clubgeschäft weit entfernt sein. Finanzvorstand Thomas Rabe erklärte in einem Interview vielsagend: "Ob, wann und wo das Unternehmen investiert, ist eine Frage der Unternehmensstrategie. Wir werden mögliche Investitionen genau auswählen und priorisieren." Also Geld anlegen, wo viel zurückkommt.
Damit mag es zusammenhängen, dass bei der Club-Sparte seit kurzem zumindest außerhalb Deutschlands die Signale auf Rückbau stehen. Eine ausländische Club-Tochter nach der anderen wurde verkauft, wenn ein akzeptabler Preis und eine gute Perspektive für die Mitarbeiter zu erzielen waren. Die Clubs in Kanada, den USA, Großbritannien, Italien, Australien, Neuseeland und Portugal gingen in andere Hände.
Neue Freiheiten - neue Kunden
Derzeit laufen Verhandlungen mit einem Finanzinvestor, der das Frankreich-Geschäft übernehmen soll. Mit dem Verkauf der wichtigen französischen Tochter wird der Umsatz der Direct Group - 2009 immerhin noch 1,25 Milliarden Euro - auf etwa 500 Millionen Euro sinken. Es bleiben die deutschsprachigen Länder, Polen, Tschechien, Russland, die Ukraine und Spanien. In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind noch 2,5 Millionen Menschen Mitglied.Nun will der Club in Deutschland mehr Kunden gewinnen - mit Hilfe neuer Freiheiten: Clubmitglieder müssen nur noch zweimal im Jahr bestellen, nicht pünktlich jedes Quartal. Auch Nicht-Mitglieder will das Management in die Läden holen. Unter dem Namen "Zeilenreich" eröffnen Filialen neu. Dort gilt dann das Prinzip: Ein Laden - zwei Preise. Jeder darf kaufen, aber nur Mitglieder bekommen die verbilligten Angebote.
Vielleicht liegt darin die Zukunft der Sparte. Mit 230 Filialen und 1.000 Mitarbeitern kann der Club als großer Player im deutschen Buchhandel gelten. Auch im digitalen Geschäft ist die Direct Group aktiv: Mit der Plattform "Pubbles" betreibt sie einen "digitalen Kiosk" - Zeitungen und Zeitschriften für Tablett-PCs. Aber die Direct Group liefert dort in digitalisierter Form noch etwas anderes: Bücher. Und das E-Book gilt als wachsender Markt.