Bezahlverfahren gibt es viele. Doch welche soll man als Händler einsetzen? Ein bisschen Psychologie hilft – für Händler, aber auch für alle anderen, die schon immer wissen wollten, welche Bezahlart am besten zu ihrem Charakter passt.

Der Zukunftsgläubige

Der Siegeszug des mobile Payment beginnt jetzt! Wie oft haben Sie das schon gelesen? Ja, auch 2017 gilt: Der große Durchbruch kommt. Tatsächlich gilt das sehr wahrscheinlich für andere Länder in Europa.

So ergab eine Umfrage von Visa, dass 2016 rund 54 Prozent der Verbraucher in 19 europäischen Ländern ein mobiles Endgerät fürs Bezahlen eingesetzt haben. Im Vergleich zum Jahr zuvor eine Verdreifachung: 2015 waren es nur 18 Prozent. Lediglich 12 Prozent der 36.000 Befragten hätten noch nie per Smartphone, Tablet oder Wearable bezahlt. Dabei nutzt mehr als die Hälfte ein digitales Wallet, und dort hat der Großteil laut Umfrage die Debitkarte hinterlegt.

Auch Bezahlverfahren sollten künftig besser multichannel-fähig sein.
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Auch Bezahlverfahren sollten künftig besser multichannel-fähig sein.

In Deutschland indes stößt das mobile Bezahlen hingegen nach wie vor auf Misstrauen – eine aktuelle Umfrage der Unternehmensberatung Deloitte zeigt, dass gerade einmal 4 Prozent der Befragten per Smartphone in Geschäften zahlen möchten. Noch nicht einmal die 18- bis 44-Jährigen wollen diese Bezahlart ausprobieren: Demnach haben zwischen 91 und 95 Prozent dieser Altersgruppe noch nie per Smartphone bezahlt, bei den über 45-Jährigen waren es 97 bis 99 Prozent. Als Hauptgrund gaben die Befragten den fehlenden erkennbaren Mehrwert an. Sicherheitsbedenken spielen ebenfalls eine Rolle. Zudem finden viele der Befragten, dass die Optionen des mobilen Bezahlens unverständlich sind.

Die Anbieter müssen also Mehrwert schaffen – so wie beispielsweise Alipay, das seinen Kunden ein Rundum-Sorglos-Paket liefert: Neben der Bezahlfunktion können die Nutzer Taxis, Kinokarten, Hotelzimmer und Flüge buchen, Essen bestellen, Restaurants und Händler bewerten, Finanzgeschäfte tätigen. Und die Chinesen zielen längst nicht mehr nur auf chinesische Kunden ab: Innerhalb von zehn Jahren will die Alibaba-Tochter ihre Kundenzahl auf 2 Milliarden erhöhen (siehe auch Der Handel 12/2016). Zudem könnte die Einführung der Payment-Lösungen der Onlinegiganten Google, Apple und Samsung den Markt bewegen.

Übrigens: Weltweiter Spitzenreiter beim mobilen Bezahlen ist Japan. Dort nutzen 49 Prozent das Bezahlen per Smartphone. Bis man hierzulande bei einer solchen Abdeckung ist, das dürfte dauern. Vielleicht hilft es, dass es bald auch die Girocard – landläufig bekannt als EC-Karte, des Deutschen liebste Bezahl-Karte – auf dem Smartphone gibt. In Kassel läuft derzeit bis Mitte 2017 ein Pilottest mit über 100 Testern. Kooperationspartner sind Vodafone Deutschland und der Lebensmittelhändler Edeka Hessenring. Im Sommer will man auswerten, wann die breite Masse angegangen werden soll. Die Banken haben hierzulande eine reelle Chance: eine Umfrage der ING Diba ergab, dass drei von vier Konsumenten beim mobile Payment am ehesten einer App ihrer Hausbank vertrauen würden.

Der Kontaktscheue

Das kontaktlose Bezahlen scheint so langsam aus der Nische herauszukommen. Laut einer Studie von Visa hat der Kartenausgeber in Europa 3 Milliarden kontaktlose Transaktionen registriert – das seien fast drei Mal so viele wie im gleichen Zeitraum 2015. Der durchschnittliche Transaktionsbetrag wuchs um 12 Prozent auf 13,83 Euro.

In ganz Europa sollen die Terminals bis 2020 kontaktlose Bezahlungen akzeptieren, hierzulande soll es bereits 2018 so weit sein. In Deutschland wächst die Zahl der Nutzer des „Tap&Go“, auch, weil seit vergangenem Jahr die Reichweite massiv verbessert wurde: Seit vergangenem Jahr akzeptieren neun der zehn umsatzstärksten Einzelhändler das kontaktlose Bezahlen. Die Zahl der kontaktlosen Transaktionen in Deutschland hat sich etwa im März 2016 im Vergleich zum Vorjahresmonat mehr als verfünffacht, sagt Visa.

Den größten Anstieg kontaktloser Bezahlungen im Vergleich zum Vorjahr registrieren laut dem Kreditkartenausgeber Restaurants (153 Prozent), gefolgt vom Einzelhandel (146 Prozent), Supermärkten (119 Prozent) und dem Lebensmittelhandel einschließlich Fast Food (96 Prozent).

Mittlerweile sind nicht mehr nur Kreditkarten kontaktlos, auch die Girocard der Volks –und Raiffeisenbanken sowie Sparkassen sollen bis 2020 so weit ausgetauscht sein, dass die meisten Besitzer per „Tap&Go“ zahlen können.

Der Flexible

Dabei wird die Nutzbarkeit auf dem Smartphone oder Tablet immer wichtiger: Im Jahr 2016 haben zum ersten Mal mehr Menschen ein mobiles Endgerät benutzt, um im Internet zu surfen, als einen Desktop-Rechner. Google hat im November 2016 den Mobile Index zum Hauptindex gemacht. Das heißt, Google schaut nicht mehr, ob die Desktop-Version einer Seite auch eine Mobile-Version hat, sondern umgekehrt. Dadurch wird der Mobile Index für die Optimierung der Auffindbarkeit in den Suchmaschinen wichtiger als bisher.

Das heißt aber nicht, dass Zahlarten sinnig sind, die nur auf die mobile Nutzung zugeschnitten sind. Das Zauberwort lautet Vernetzung. So wie das Online- und Offlinegeschäft miteinander verbunden werden muss, um die nahtlose Userführung über alle Vertriebskanäle zu erreichen, müssen auch die Bezahlmethoden immer mehr für mehrere Kanäle funktionieren. Das heißt: Sie haben Online- und Offlinegeschäft und wollen für jeden Kunden das bestmögliche Payment-System anbieten. Das nennt sich Crosschannel-Payment und heißt nichts anderes, als dass Sie am besten nach einem Anbieter schauen, der Ihnen eine breite Palette an Bezahlmöglichkeiten über alle Kanäle anbieten kann: Eine Online-Zahlart, die über eine mobile Variante verfügt, die sowohl für die Nutzung auf dem Smartphone optimiert ist, und im Idealfall auch noch an der Kasse verwendet werden kann.

Angebot an Bezahlverfahren in Onlineshops von Omnichannel-Retailern
© EHI Retail Institute
Angebot an Bezahlverfahren in Onlineshops von Omnichannel-Retailern

Zahlarten, die nur auf die mobile Nutzung zugeschnitten sind, werden damit mittelfristig überflüssig. Es sei denn, sie entwickeln sich in die andere Richtung weiter. Da wir keine Werbung machen wollen: Fragen Sie doch mal Ihren Anbieter, was er hier im Portfolio hat – oder in diese Richtung in naher Zukunft geplant ist. Falls er nicht zufriedenstellend antwortet: „Insgesamt können Händler in Europa heute aus mehr als 240 Online-Zahlungsdiensten wählen“, erklärt EHI-Onlinepayment-Expertin Dorothee Frigge. Es gibt also genügend Alternativen auf dem Markt.

Der Kulturbewusste

Rund 49 Prozent der Kaufwilligen brechen ihren Einkauf auf einer Webseite ab, weil sie ihre präferierte Zahlart vermissen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage der E-Payment-Spezialisten der PPRO Group. Und da immer mehr deutsche Shop-Betreiber international werden wollen, gilt: Wer sein Onlinegeschäft über nationale Grenzen ausdehnen will, sollte einen ans jeweilige Zielland angepassten Mix an Zahlungsverfahren anbieten.

Weltweit betrachtet, zahlen die meisten Konsumenten gerne mit Kreditkarte. In Europa und vor allem in Deutschland hingegen ist sie nicht das erste Mittel der Wahl. Hierzulande liegt laut EHI Retail Institute der Rechnungskauf vorn, gefolgt von Paypal, Lastschrift, Kreditkarte und Vorauskasse. Die Finnen bevorzugen Direktüberweisungen, unseren niederländischen Nachbarn sollte auf jeden Fall das Ideal-Bezahlsystem angeboten werden.

Das Wissen um solch kulturelle Besonderheiten ist ausschlaggebend für den Erfolg des eigenen Onlineshops im Ausland. Laut einer Studie des EHI bieten die Onlineshops in Europa durchschnittlich zwölf verschiedene Zahlungsverfahren mit bis zu 30 unterschiedlichen Online-Payment-Diensten an.

Der Sicherheitsbedachte

Rund 450 Onlineshops, zuletzt Deichmann, Doc Morris, Flyeralarm, Cewe und Adler Modemärkte; mittlerweile rund 800.000 Kunden: Paydirekt, der Online-Bezahldienst der deutschen Banken und Sparkassen sammelt langsam aber stetig Händler und Kunden ein. Alles im Plan, verkündet Geschäftsführer Niklas Bartelt immer wieder. Kritik am späten Einstieg in den Markt, der längst von Paypal besetzt ist, lässt er nicht gelten. Nach der Fokussierung auf die Händlerakquise soll Anfang 2017 die zweite Phase starten: Die Registrierung der Endkunden. Immerhin rund 57 Millionen Girokonten sind onlinefähig – das sind potenzielle Kunden. Im nächsten Schritt soll die Generierung von Transaktionen forciert werden: Händler werben gemeinsam mit Paydirekt und den Banken.

Ob Paydirekt ein Erfolg wird, wird sich 2017 zeigen. Der Start war zäh, doch zum Weihnachtsgeschäft 2016 waren wichtige Händler freigeschaltet. Da die Konsumenten hierzulande vor allem ihren Banken trauen – siehe Umfrage ING Diba unter dem Punkt „Der Zukunftsgläubige“ – und Paydirekt mit dem Slogan „Sicherheit made in Germany“ wirbt, könnte der Durchbruch gelingen. So müssen Bankkunden ihre Daten nicht einem Drittanbieter anvertrauen, alles bleibt in der Bankumgebung und liegt auf deutschen Servern.

Die Konkurrenz indes schläft nicht: Paypal hat mehr als 50.000 Händler angeschlossen, und rund 16 Millionen Nutzer hierzulande. Mit Paypal Plus bietet das Unternehmen nun noch Lastschrift und Kreditkarte an, der Kauf auf Rechnung steht auch auf der Agenda.

Anteile der Zahlungsarten am Umsatz des Online-Handels
© EHI Retail Institute
Anteile der Zahlungsarten am Umsatz des Online-Handels

Der Eilige

Transaktionen in Sekundenschnelle – das verbirgt sich hinter Instant Payment, das nächste Zahlungsverkehrssystem nach der Einführung von SEPA, dem einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum. Mittlerweile gibt es bereits ein entsprechendes Regelwerk der EU (SCT Inst), die die SEPA-Überweisungen von einem Tag auf zehn Sekunden beschleunigen soll. Bis die Umsetzung im Alltag kommt, wird es allerdings noch dauern – da muss der Eilige dann doch geduldig sein. Experten rechnen damit, dass es bis 2017 oder länger dauert, bis das Verfahren bei allen Banken eingeführt sein wird.

Der EU-Kritiker

In seltener Einigkeit haben sich über 40 nationale und internationale Verbände von Händlern, Kartenausgebern und Zahlungsinstituten zusammengetan und schlagen Alarm. Warum? Weil die neue Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 vor allem den Onlinehandel empfindlich treffen könnte. Eine Forderung im Rahmen des neuen Regelwerks ist die sogenannte starke Authentifizierung: „Zwei von drei Merkmalen aus den Bereichen Wissen – etwa ein Kennwort - , Besitz – etwa eine Karte – oder Inhärenz – das wäre Biometrie, hier der Fingerabdruck -, über zwei Wege, die voneinander unabhängig sind, übertragen werden“, sagt Ulrich Binnebößel, Payment-Experte beim Handelsverband Deutschland. Die erschwerte Prozedur erhöht das Risiko eines Abbruchs des Kaufvorgangs. Der Trend zum One-Click-Checkout, den schnellen Bestellvorgang, den bereits Amazon Payments, Paypal oder auch ApplePay anbieten, wird durch die 2-Faktor-Authentifizierung im Keim erstickt. (Zur geforderten Whitelist von Händlern und weiteren Erläuterungen zu PSD2 siehe Der Handel 1/2017).



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