Über die Besonderheiten von Borrowing Base-Finanzierungen sprach die Redaktion von derhandel.de mit Peter-Josef Becker, Experte für dieses Finanzprodukt bei der Commerzbank.

Dieses Finanzierungsinstrument ist eine spezielle Form des Betriebsmittelkredits, bei dem das Umlaufvermögen des Firmenkunden als Beleihungsgrundlage (englisch für "Borrowing Base") herangezogen wird. Im Gegensatz zum Factoring oder Asset Backed Security-Transaktionen werden nicht nur die offenen Forderungen des Unternehmens in die Besicherung einbezogen, sondern auch das aktuelle Lagergut. Man spricht daher auch von einer atmenden Finanzierung, die sich dem jeweiligen Liquiditätsbedarf anpasst und für wachstumsstarke Unternehmen in sehr volatilen Märkten oder mit stark saisonal schwankendem Kapitalbedarf eignet.
Wie viele solcher Borrowing Base Finanzierungen begleitet die Commerzbank AG derzeit im Markt?
Wir haben für rund 100 deutsche Mittelstandsunternehmen Borrowing Base-Finanzierungen mit einem Volumen von weit über 3 Milliarden Euro strukturiert und teilweise weiterplatziert. Üblicherweise partizipieren weitere Hausbanken der Kunden an der Finanzierung, bei stark wachsenden Unternehmen werden regelmäßig auch zusätzlich neue Bankpartner angesprochen und mit beteiligt. Die Commerzbank hat aber in der Regel den höchsten Anteil an einer Borrowing Base Finanzierung, die sie selbst strukturiert hat.
Wie stark nutzen Unternehmen aus der Handelsbranche dieses Finanzierungsinstrument?
Wir bieten die Dienstleistung Borrowing Base Finance grundsätzlich allen mittelständischen Unternehmen an, deren Working Capital entweder starken saisonalen Schwankungen oder deutlichen Volatilitäten der Rohstoff- und Energiemärkte ausgesetzt ist und die Sicherheit auf der Finanzierungsseite für nachhaltige Wachstumsszenarien suchen. Die Handelsunternehmen haben demzufolge einen beachtlichen Anteil an unserem Borrowing Base Finance-Portfolio. Besonders zu erwähnen sind Unternehmen, die mit Stahl, Kupfer und anderen Metallen sowie Kohle und Recyclingwertstoffen handeln.
Ebenfalls von erheblicher Bedeutung sind aber auch Handelsunternehmen, die internetbasierte Vertriebsplattformen für Konsumgüter, Lifestyle- und Elektronikartikel aufgebaut haben und signifikante Wachstumsstories schreiben. Nicht unerwähnt bleiben sollten aber auch Unternehmen die Lebensmittel aus aller Welt importieren und an die großen Retail-Ketten in Deutschland und den angrenzenden europäischen Nachbarstaaten weiterveräußern.
Ab welchem Finanzierungsvolumen lohnt sich eine BB-Finanzierung?
Im Hinblick auf den einmalig anfallenden Strukturierungsaufwand und das periodische - in der Regel monatliche - Reporting der Borrowing Base an die Bank hat sich im Markt eine Grenze von 10 Millionen Euro heraus kristallisiert. Dieser Betrag bezieht sich auf das gesamte Finanzierungsvolumen aller Hausbanken für die Bereitstellung von Working Capital Finanzierungen an ein Unternehmen. In Einzelfällen kann auch bei einem niedrigeren Finanzierungsvolumen eine Borrowing Base Finance-Lösung nachhaltige Vorteile für das Unternehmen bringen, insbesondere wenn man den Faktor Finanzierungssicherheit ins Kalkül einbezieht. Diese Sonderform der Working Capital Finanzierung wird nämlich in der Regel von den Banken mit mittelfristigen Laufzeiten von bis zu drei Jahren zugesagt.
Wie hoch ist der administrative Aufwand auf der Kundenseite?
Wir haben den Aufwand für das Reporting des Lagerund Forderungsbestands bewusst gering gehalten. Das heißt konkret, dass im eingeschwungenen Zustand die Erstellung einer "Borrowing Base"-Meldung an die Bank weniger als eine Stunde Arbeitsaufwand pro Monat im Unternehmen auslösen sollte. Unsere Spezialisten sind geschult gemeinsam mit den Experten beim Firmenkunden die administrativ einfachste und zugleich zuverlässigste Lösung individuell zu erarbeiten. Komplexe Fälle über Ländergrenzen hinweg und für eine größere Anzahl an Unternehmen als Darlehensnehmer und Sicherungsgeber können etwas zeitaufwändiger sein, aber an dieser Fragestellung ist noch keine Borrowing Base Finanzierung gescheitert.
Interview: Hanno Bender