Von wegen, Chatbots sind neu: Vor 20 Jahren trieb schon einmal Karl Klammer sein Unwesen. Die Versionen von heute sind aber intelligenter und könnten Händler bald sinnvoll unterstützen. Die Kunden würden es wohl mitmachen.
Aufdringlich war er, nervig und rechthaberisch: Der virtuelle Assistent Karl Klammer, auf englisch Clippy, hat seit 1997 bei Microsoft Office Menschen auf der ganzen Welt in den Wahnsinn getrieben. Kaum tippte man das erste Wort, tauchte er auf und bot seine Hilfe an. Ungefragt. War das erste Wort „Liebe“, kam die obligatorische Floskel „Anscheinend möchten Sie einen Brief schreiben. Brauchen Sie Hilfe?“
Ignorieren war zwecklos: Karl Klammer hüpfte so lange im Bild herum, bis der Nutzer ihn entnervt wegklickte. Das funktionierte für den Moment, beim nächsten Dokument war er meist schon wieder da. Man konnte die Funktion natürlich deaktivieren, aber es überwog vermutlich bei vielen die Hoffnung, dass der virtuelle Assistent irgendwann tatsächlich einmal eine Hilfe sein könnte. Der Softwarehersteller hatte ein Einsehen: Als Office 2003 auf den Markt kam, warb Microsoft bewusst damit, dass der damals sechs Jahre alte Karl Klammer in dem neuen Programm automatisch deaktiviert sei.

Klar war er nervig, der Karl, aber er wies auch den Weg in die Zukunft. Er war einer der ersten sogenannten Bots, ein Computerprogramm, das bestimmte Aufgaben automatisiert und selbstständig ausführt, meist auch wiederholt. Als textbasierte Dialogsysteme haben sie technisch gesehen mehr mit einer Volltextsuchmaschine als mit künstlicher Intelligenz zu tun. Und inzwischen können sie auch Sprache erkennen.
Chatbot ist eine Wortzusammensetzung aus Chatten und Roboter
In Verbindung mit Messenger-Diensten wie bei Facebook oder Skype können sie zum Beispiel Unterhaltungen mit einem Menschen simulieren. Nutzer können die eigenen Fragen oder Aussagen entweder als Text oder Sprachbefehl eingeben, der Chatbot – eine Wortzusammensetzung aus Chatten und Roboter – antwortet daraufhin automatisch.
Auch wenn noch viele Dinge geklärt werden müssen: Die sprachgesteuerte Unterhaltung mit künstlichen Wesen ist für Handel und Industrie durchaus interessant. So können die Kommunikationsroboter beispielsweise Aufbauanleitungen vorlesen, Bestellungen entgegennehmen oder oft gestellte Fragen beantworten. Ob das dann wirklich etwas bringt oder nervig ist, ist alles nur eine Frage der Programmierung.
Jeder vierte Bundesbürger kann sich sogar schon heute vorstellen, Chatbots zu nutzen, hat eine Bitkom-Umfrage ergeben. 68 Prozent der Chatbot-freundlichen Befragten möchten das Programm gerne als Assistent für die persönliche Terminplanung verwenden. Nutzer könnten beispielsweise einen Bot per Sprachbefehl beauftragen, den eigenen Terminkalender mit dem des Kollegen abzugleichen und einen Termin zu vereinbaren. Fast zwei Drittel (64 Prozent) würden gerne über Chatbots Veranstaltungstickets wie Kino- und Theaterkarten reservieren oder kaufen. Chatbotzs könnten so auch zur neuen Macht beim Shopping werden.

Jeweils 58 Prozent möchten Chatbots für Recherchen beim Onlineshopping, zum Beispiel bei der Suche nach bestimmten Produkten, oder für die Buchung von Reisen, Flügen, Zugfahrten oder Hotels nutzen. Für gut jeden Zweiten Befragten sind Chatbots interessant, um damit tagesaktuelle Informationen wie das Wetter, Nachrichten, die Verkehrslage oder Börsenwerte abzurufen.
Vier von zehn Befragten finden Chatbots für den Einsatz im Kundenservice attraktiv, um dort Nachfragen zu Bestellungen und Beschwerden zu bearbeiten. Für 23 Prozent wäre es interessant, Chatbots in Verbindung mit Lieferservices nutzen, um zum Beispiel per Sprachbefehl Essen oder Blumen zu bestellen.

63 Prozent der Befragten, die generell keine Chatbots nutzen wollen, möchten schlicht nicht mit einem Computer kommunizieren. Etwa jeder Zweite bezweifelt, dass Anfragen durch Chatbots zuverlässiger bearbeitet werden können als bisher oder dass die Auskünfte von Chatbots generell zuverlässig sind. Für 47 Prozent sind Chatbots uninteressant, weil sie die Technologie noch nicht für ausgereift halten.
„Viele Chatbots befinden sich noch in der Entwicklungsphase. Doch die natürliche Spracherkennung entwickelt sich sehr schnell. Fortgeschrittene Systeme sind bereits jetzt lernfähig und können Inhalte verstehen und bewerten“, wirbt Lutter für ein bisschen Geduld.