Die künstliche Intelligenz von Chatbots gilt manchem schon als Allzweck-Werkzeug für Service und Shopping im Web. Doch die neue Ladentheke, an der komplette Dialoge mit dem mit Kunden geführt werden können, ist trotz aller Algorithmen kein Selbstläufer. Es braucht eine Reihe von Voraussetzungen, um den Kanal erfolgreich für die Kundenkommunikation zu nutzen. Wie man sich dem Thema im E-Commerce am besten nähert, zeigt Steffen Teske, Director Central & Eastern Europe beim Kundenservice-Software-Anbieter Zendesk, in einem Gastbetrag für etailment auf.

Über die Relevanz mobiler Messaging-Dienste müssen wir 2016 sicher keine Worte mehr verlieren. Allein der Facebook Messenger hat über eine Milliarde User. Platz zwei hinter WhatsApp –ebenfalls zu Facebook gehörend. Die E-Mail haben die Messenger längst als beliebtestes Online-Kommunikationstool abgelöst. Diesen Trend erkennt natürlich auch der Handel. Und so werden die Dienste für Verbraucher auch mehr und mehr zu Anlaufstellen um zu stöbern, kaufen oder sich über Produkte und Updates zu informieren. Kaum verwunderlich, dass laut Facebook schon heute jeden Monat eine Milliarde Nachrichten zwischen Privatnutzern und Unternehmen versendet werden.

In der Betaphase von Facebooks „Messenger for Business“ nutzte der Onlinehändler Everlane als eines der ersten Unternehmen die Möglichkeit, über den Facebook Messenger Nachrichten mit seinen Kunden auszutauschen. Heute, über ein Jahr später, zieht das Unternehmen eine durchweg positive Bilanz, insbesondere in Bezug auf den Kundenservice. Das Customer Experience Operations-Team konnte beobachten, wie das Ticketvolumen sank, obwohl sich gleichzeitig die Kundenbasis vergrößerte.

Der Grund: Da Facebook Messenger auf dem Smartphone des Kunden installiert ist, muss dieser nicht zusätzlich das E-Mail-Programm öffnen und eine Nachricht verfassen. Seit der Messenger-Einführung konnte Everlane die Anzahl der E-Mail-Konversationen mit Kunden verringern, sodass sich Supportmitarbeiter den einzelnen Anliegen detaillierter widmen können. Gleichzeitig konnte der Onlinehändler die Antwortzeiten deutlich beschleunigen. Mehr als 3.000 Chats in rund 750 Sessions pro Woche über Facebook Messenger und das interne Chat-Tool Zopim zählt das Unternehmen heute.

Es stellte sich heraus, dass Kunden diese Art der Interaktion sehr schätzen und hier mit Everlane auf andere Weise und zu anderen Themen als per E-Mail kommunizieren. In Facebook Messenger fragen Kunden eher nach der Lieferzeit und Paketverfolgung und sie erkundigen sich, ob ein bestimmter Artikel in einer bestimmten Größe auf Lager ist. Der ganze Ton der Konversation ist dabei etwas salopper: Kunden schicken ein „Daumen hoch“-Emoji und ein nettes Dankeschön oder sie fragen nach einer Produktempfehlung.

Auf jeden Fall ein gelungenes Beispiel. Aber wie können Händler hierzulande den Kanal erfolgreich nutzen? Die Facebook-Einladung für eine Betaphase erhalten die wenigsten frei Haus.

Wie man sich dem Thema im E-Commerce also am besten nähert, zeigen die folgenden acht Tipps:

Seien Sie sich über das Potenzial klar - Es ist nicht unmittelbar gesagt, dass Unternehmen immer alle Kanäle anbieten und bedienen müssen. Das gilt auch für Messaging-Dienste. Die Frage, welche Kanäle für einen Händler relevant sind und welche er anbieten sollte, hängt von zwei verschiedenen Faktoren ab: Den Kanälen, die ihre Kunden präferieren, und den Kanälen, die das Unternehmen effektiv (von den finanziellen und personellen Ressourcen her) in seinem Kundensupport anbieten kann. Oft fühlen sich Unternehmen zudem vom Markt gedrängt, neue Kanäle anzubieten, weil diese im Trend liegen, von einer bestimmten Zielgruppe präferiert werden oder weil man meint, damit seine Wettbewerbsfähigkeit zu wahren. Entscheidend ist aber immer die jeweilig eigene Situation und die der Kunden.

Versuchen Sie das Volumen zu antizipieren - Jeder Kanal, der hinzugefügt wird, eröffnet für den Kunden einen neuen Weg, um in Kontakt zu treten. Klar. Aber wie viele Kunden werden diesen Kanal auch wirklich nutzen? Das ist schwer vorherzusehen, aber anhand der Interaktion auf bestehenden Kanälen und der Frequenz kann man Näherungswerte ableiten. Dennoch kann die Ticket-Rate auf dem neuen Kanal höher oder niedriger sein, in Abhängigkeit davon, wie aktiv oder sichtbar der neue Kanal beispielsweise auf der eigenen Seite beworben wird oder ob Messaging es dem User generell einfacher macht in Kontakt zu treten als über bestehende Kanäle. Unternehmen erleben zudem oft einen kurzfristigen Anstieg der Anfragen im neuen Kanal, weil Kunden diesen zunächst erstmal ausprobieren. Planen Sie das ein. Nichts ist schlimmer als wenn der Kunde einen „stillen“ Kanal vorfindet.

Testen Sie es erstmal aus – Ein guter Weg, um herauszufinden, wie sich die Nachfrage nach einem neuen Kanal entwickeln wird, ist es, diesen langsam einzuführen. Zum Beispiel zunächst nur bei einem Teil der Zielgruppe, wie etwa bei den Kunden mit dem höchsten Warenkorbvolumen oder bei Neukunden. Weiß man, wie diese den Kanal annehmen, kann man hierdurch Rückschlüsse auf die Nutzung unter echten Praxisbedingungen ziehen.

Seien Sie bereit für persönliche Beziehungen – Der Vorteil des Messagings liegt unter anderem im direkten, persönlichen Austausch zwischen Service-Mitarbeiter und Kunden. Ein Gespräch per Telefon kann sehr formell sein, fast schon einschüchternd. Denn bevor der Kunde überhaupt sein Problem vortragen kann, muss er häufig erst einmal eine Menge an Formalitäten durchlaufen und alle möglichen Daten - von der Kundennummer bis hin zum Geburtsdatum - angeben. Beim Chat hingegen ist das meist überflüssig und es reicht ein kurzes „Hallo J“. Der Kunde kann seine Fragen auf entspannte Art loswerden und erhält unkompliziert und direkt Hilfe oder eine persönliche Beratung. Diese wird nicht selten mit einem „Daumen hoch“-Emoji belohnt. Stellen Sie sich auf die neue Art der Kommunikation ein, wenn Sie sie nicht schon von Live Chat kennen. Alles andere kommt hölzern und wenig authentisch daher.

Liefern Sie dem Kunden, was er sucht – Messaging wird – ähnlich wie Telefon, Live Chat oder Twitter – vom Kunden als Echtzeit-Kanal wahrgenommen. Das heißt, der Kunde hat eine konkrete, manchmal kleine Frage, und will eine flotte Antwort. Wie das Everlane-Beispiel zeigt, sind es oft Fragen nach Lieferzeiten, Produktfeatures oder Verfügbarkeiten. Sie sollten sich also darauf einstellen, dass die Anfragen auf diesem Kanal oft eine bestimmte Richtung einnehmen. Deswegen will der Nutzer aber nicht im Messenger mit weiteren Produkten zugespamt werden. Wenn ein Produkt vergriffen ist, kann man dem User sicher eine Alternative anbieten. Von klassischen Retargeting-Angeboten ist dringend abzuraten.

Seien Sie schnell, aber bereit zu warten – Wie gesagt, Messaging ist ein Echtzeit-Kanal. Aber einer mit Warteschleife: Sind alle Agenten im Gespräch, kann der Kunde über den Messenger erst einmal sein Anliegen loswerden und ein Berater kümmert sich um das Anliegen, sobald er wieder verfügbar ist. Das funktioniert auch außerhalb der Geschäftszeiten. Spätestens zu Beginn des nächsten Arbeitstages sollte dann aber die Antwort erfolgen. Der User selber ist dann nicht zwingenderweise schnell in seiner Rückantwort, aber dafür bleibt das Gespräch erhalten. Es existiert im Chatverlauf und kann jederzeit wieder aufgenommen werden. So hat die Kommunikation über Messenger auch eine positive Auswirkung auf die Kundenloyalität, da das Gespräch nie vollkommen endet.

Nutzen Sie die Daten, die Sie haben – Haben Sie die Testphase überstanden, dann tragen Sie Sorge, Ihren Kunden den Messenger auch im richtigen Moment als Kommunikationskanal anzubieten. Dafür braucht es ein gutes Targeting, das anhand verschiedener Daten, wie Nutzerverhalten, Kundenprofil oder Warenkorbinhalt, in Echtzeit bestimmt, welche Person welche Unterstützung benötigt und welcher Servicekanal zum Einsatz kommt.

Machen Sie es Ihren Kunden einfach, Ihrem Kundenservice aber nicht schwer – Mit Messaging bieten Sie Ihren Kunden einen neuen Interaktionskanal; Ihren Serviceagenten jedoch auch. Einen weiteren Kanal, den diese im Auge behalten müssen. Und mit E-Mail, Telefon, Social Media und Co. sind das nicht gerade wenige. Ein weiterer Tab im Browser, ein weiteres Fenster führt nicht gerade dazu, dass Ihre Agenten die Kanalvielfalt mit der entsprechenden Sorgfalt bedienen können. Wichtig ist es daher, alle Anfragen und Kanäle in einer Lösung zu bündeln. Das spart nicht nur Zeit und steigert die Servicequalität, sondern macht auch das einheitliche, kanalübergreifende Nachhalten der Kundenkontakthistorie einfacher.