Chinas Wachstum schwächt sich ab. Die Wirtschaft muss dringend umgebaut werden. Das wird auch am China-Geschäft der deutschen Unternehmen nicht spurlos vorübergehen.

Das Wirtschaftswachstum von sieben Prozent im zweiten Quartal in China signalisiert Stabilität. Nach den schweren Turbulenzen an den Börsen und enttäuschenden Handelszahlen lautet die Botschaft: Die zweitgrößte Volkswirtschaft bleibt auf Kurs.

Die Entwicklung sei "moderat, aber stabil und gesund", beteuert das Statistikamt. Doch Experten schenken den offiziellen Zahlen nur bedingt Glauben. Skeptiker sehen das Wachstum im Reich der Mitte heute sogar nur noch bei fünf bis sechs Prozent. So oder so - China wächst heute so langsam wie seit 25 Jahren nicht mehr.

Herausforderung für die deutsche Wirtschaft

Damit wird auch das deutsche China-Geschäft schwieriger. Aber Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kann dem gebremsten Wachstumstempo langfristig etwas Gutes abgewinnen. Denn die Umweltzerstörungen seien schon gigantisch. "Man muss verstehen, dass die chinesische Seite das Wachstum reduzieren will, um ein nachhaltigeres Wachstum zu bekommen." Wenn China langsamer, stetiger wachse, treffe das natürlich auch deutsche Unternehmen. Aber Gabriel glaubt: "Es wird beiden Seiten gut tun."

So viel Gelassenheit ist bei Chinas Wirtschaftslenkern nicht zu spüren. Ganz im Gegenteil. Es herrscht große Nervosität. Chinas Wirtschaft steckt tief in der Umbruchphase. Die Motoren des Wachstums stottern. "Steigende Löhne, sinkende Produktivität von Investitionen, schwächelnde Exporte - die Zeit des Turbowachstums ist vorüber", sagt Björn Conrad, Vizechef des China-Instituts Merics in Berlin.

Um neue Wachstumsmotoren wie Innovation und Binnenkonsum anzuwerfen, müsse Chinas Führung tiefgreifende Reformen durchsetzen - vom Finanz- und Fiskalsystem über das Bildungssystem bis zu den überschuldeten Staatsbetrieben. "Am besten alles gleichzeitig und so schnell wie möglich“, sagt Conrad. "Eine Mammutaufgabe, die selbst im besten Fall noch Jahre in Anspruch nehmen wird." Deutschland müsse sich "auf eine volatilere und krisenanfälligere chinesische Wirtschaft mit geringeren Wachstumsraten vorbereiten".

Abhängigkeit von China in manchen Branchen groß

Schon heute sind deutsche Unternehmen unmittelbar von sinkender Nachfrage des wichtigsten Handelspartners Deutschlands außerhalb der EU betroffen. Für die traditionell starken Sektoren des deutschen Chinageschäfts wie Auto, Chemie und Maschinenbau wird es schwieriger - und die Abhängigkeit von China ist groß. Die Prognose für den weltgrößten Automarkt wurde gerade erst von sieben auf nur noch drei Prozent Wachstum mehr als halbiert.

Ein Pekinger Vertreter eines deutschen Luxusautoherstellers nimmt die neuen Wachstumszahlen von sieben Prozent auch mit Argwohn auf. "Ich schaue mir stattdessen lieber den Zuwachs des Energieverbrauchs und des Frachtvolumens an - und die lagen zuletzt bei drei Prozent." Damit befindet sich der Manager in bester Gesellschaft, denn auf diese Zahlen verlässt sich auch Premier Li Keqiang am liebsten, wie er einmal einräumte - bevor er Ministerpräsident wurde.

China als Profiteur des Welthandels

Nach einem Besuch in einem Werk des Chemiekonzerns Bayer mahnt Gabriel mehr Marktzugang und faire Wettbewerbsbedingungen für deutsche Unternehmen in China an, das "wie kein anderes Land von offenen Märkten in der Welt profitiert" habe. China müsse seinen Weg der Reformen fortsetzen, so der Minister.

Aber Chinas Führer haben es verpasst, wirtschaftlich starke Zeiten für Umstrukturierungen zu nutzen. Die globale Finanzkrise seit 2008 hat auch die chinesische Wirtschaft viel gekostet. "Nun steht Chinas Führung vor dem Dilemma, das System in Zeiten der wirtschaftlichen Schwäche bei hoher Staatsverschuldung und sinkendem Wachstum umbauen zu müssen", sagt Merics-Experte Conrad.

"Anstatt den langfristigen Reformkurs zu halten, muss die chinesische Führung einen Krisenherd nach dem anderen unter Kontrolle bringen." Sie greife dabei auch zu kurzlebigen Lösungen, um das Wachstum anzukurbeln - beispielsweise kreditfinanzierte Börsenblasen, die jetzt zu platzen drohten. "Diese schnellen Lösungen sind langfristig zum Scheitern verurteilt und erhöhen die Krisenanfälligkeit weiter."