Erster Eindruck. About You ist schick geworden. Doch reicht das aus, um die Kunden zu verzücken? Kann die Shop-Galaxis unter der Leitung von Benjamin Otto und Tarek Müller Zalando gefährlich werden? Die Antwort darauf könnten die Philosophie, Strategie und Infrastruktur dahinter geben. Denn hier wagt sich About you in völlig neue Umlaufbahnen rund um den Kunden. Etailment beantwortet die wichtigsten Fragen.
Ihre erste Frage ist natürlich: Sieht so ein Zalando Killer aus?
Die Optik ist schmuck, hochwertige große Fotos im Kachel-Layout, gekonnt umgesetzte Produktseiten, klare Serviceversprechen, das Sortiment mit 50.000 Artikel mehr als ordentlich. Berückende Schreie wird deswegen kein Kunde machen. Ein Zalando-Killer will About you auch gar nicht sein, mit dem Anspruch war man selbst gar nicht unterwegs, Das ist eher ein Bild der Presse. About you will denn auch eher langsam Markenbekanntheit aufbauen und sieht sich als Fashion-Marke für alle jungen und junggebliebenen Männer und Frauen von 20 bis 40+. Dabei sollen auch Eigenmarken helfen. Das erste Private Label wird den Namen "Edited" tragen. Unter dieser Marke hat Collins bereits im März einen Shop gestartet.
Also doch eher gute Hausmannskost?
Warten Sie doch einen Moment ab.
Nur auf den ersten Blick sieht es nicht danach aus, als hätte Collins mit About you das E-Commerce-Schaufenster neu erfunden, auch wenn der Shop in Anmutung und Usability durchaus ganz oben in der ersten Liga spielt. Der neuartige Ansatz steckt in der Infrastruktur und im radikal neu gedachten Plattform-Gedanken.

Und was wird aus Collins?
Das ist im Grunde der Name des Universums unter dem sich die Trabanten bewegen. Neben About you wird sich beispielsweise Edited an eine besonders stark mode-affine, noch jüngere Zielgruppe richten. Als weiteres Vertical bleibt auch der Wäsche- und Bademodenspezialist Sister Surprise auf der Bildfläche. Da wird es auch Synergien bis hin zum gemeinsamen Warenkorb geben.

Sie sehen da viel Klein-klein statt einem Entwurf mit Zukunft?
Das muss ja kein Nachteil sein. Der spannende Ansatz steckt - wie gesagt - ohnehin im Rückgrat des Konzepts. Dabei geht um individuellen und personalisierten Einkauf mit unterhaltsamen Elementen.
Das wollen doch alle, finden Sie?
Collins geht dabei aber unter der Leitung von Benjamin Otto (38) und Tarek Müller (25) einen völlig neuen Weg. About You nutzt eine Flut an Ansatzpunkten, um dem Kunden mehr Content, mehr Unterhaltung und mehr Chancen zur Personalisierung zu bieten. Das Feature „Nachteule“ hilft dabei, die angesagten Styles für angesagte Clubs in der Republik kennenzulernen. Mit „Get the Look“ kann man dem Look seiner Stars folgen und bekommt passende Fashion-Vorschläge, man kann ein Blick in die Kleiderschränke von Stylisten werfen, es gibt einen Schuh-Konfigurator zur Individualisierung der eigenen Pumps oder Ballerinas, es gibt ein Pre-Loved-Segment (bei Edited beispielsweise zusammen mit Mädchenflohmarkt), eher schräge Ideen wie ein Fashion-Horoskop und und und.

Das kommt Ihnen alles sehr bekannt vor?
Richtig. Aber bislang gibt es solche Features nicht in dieser Menge, dieser konsequent auf Personalisierung ausgerichteten Umsetzung und dieser nahtlosen Integration. Denn diese Features, die als App angelegt sind, werden dem Nutzer je nach seinen Vorlieben und seinen Surfgewohnheiten angezeigt. Wenn er sich registriert, bekommt der Kunde diese Apps zudem noch zielgenauer ausgespielt. Sie stehen nicht auf Horoskop? Das System sortiert die App dann schon aus.
Damit nicht genug: Collins verlässt die gewohnte Online-Welt. Im Kern geht es darum, maßgeschneiderte Inspiration mit einer Fülle an Nischen-Shops für jeden Kunden, für jeden Anlass und jede Lebenssituation zu bieten. Die These dahinter: Wenn das Warenhaus in der Offline-Welt nicht mehr funktioniert, muss man es online nicht zwanghaft weiterhin abbilden. About you ist da nur die individualisierte Variante eines Shopkonzepts, das von weiteren Nischen umkreist wird. Dabei ist About you als zentrale Anlaufstelle angesichts der App-Struktur zudem alles anders als statisch, sondern so wandelbar wie ein Newsstream bei Facebook.


Ihnen fehlt da noch der radikale Ansatz, der die Geheimhaltung der vergangenen Monate erklärt?
Hier ist er. Für all die Entertainment-Optionen und Features zur Personalisierung hat Collins, wie gesagt, einen App-Ansatz gewählt und stellt damit das Plattform-Konzept vom Kopf auf die Füße. Das macht die Angebote zur Personalisierung und zur Unterhaltung flexibel einsetzbar im gesamten Shop-Universum - auch jenseits der eigenen Shops: als Stand-Alone-App im Bereich Mobile oder in Kooperation mit Medienportalen. About you schafft sich damit neue Kontaktpunkte zum Kunden, und diesem neue Zugänge zum Sortiment. Ein Multi-Universum an Möglichkeiten.

Vor allem aber können Content-Lieferanten, Developer, Markenanbieter und Händler jederzeit eigene Apps entwickeln, die dann in den Shop integriert werden können. „Demokratisierung des E-Commerce“ nennen das Benjamin Otto, Tarek Müller und Chef-Entwickler Sebastian Betz. Oder für Freunde englischer Buzzword: Open Commerce. Für Entwickler gibt es daher eine Developer-Plattform auf der sie an eigenen Ideen basteln können. Der Anreiz: App-Entwickler werden über eine Provision am Verkaufserfolg ihrer App beteiligt. Damit könnte sich About You einen nahezu unerschöpflichen Fundus neuer kreativer Ideen sichern. Schon jetzt wurden alle Apps im Portfolio, immerhin 29, von externen Entwicklern umgesetzt. Durch die offene Gestaltung wird davon nicht nur About You profitieren, sondern das gesamte System.

Und die Aussichten?
Womöglich ist es wirklich das Modell der Zukunft. Collins verschafft seinen Marken eine ungeheure Flexibilität im Kontakt zum Kunden, kann omnipräsent sein.Gerade bei jugendlichen Nutzern (und die großen Netzwerke und Dienste folgen gerade dieser Entwicklung) geht der Trend hin zur Entbündelung der Apps. Mehr Spezialisierung ist gefragt. Das Motto: Für jeden Zweck eine eigene App. Angesichts des Drangs der Nutzer zu Apps für spezielle Anlässe und Nutzungssituationen könnte die Multi-App-Strategie von Otto und Müller genau die richtige Antwort auf die auch im E-Commerce einsetzende Atomisierung sein.
Lesen Sie hier unser Interview mit Tarek Müller und Sebastian Betz über die neue Ära der Personalisierung im E-Commerce.