Alle reden über Content Marketing - zuletzt noch gestern beim HORIZONT Digital Day. Marken über Inhalte und Geschichten verkaufen, das beflügelt zurzeit die Marketer, verspricht Agenturen neue Erlösquellen und arbeitslosen Journalisten Betätigungsmöglichkeiten jenseits der gebeutelten Verlagswelt. Wie gutes Content Marketing geht, machen Markenartikler wie Red Bull und Coca-Cola vor. Im Handel dagegen steht das Thema noch nicht so weit oben auf der Agenda. Dabei gibt es viele Möglichkeiten, über Content zu punkten. Ein kleiner Überblick.

Was ist überhaupt Content Marketing? Und wo findet es statt?

Im Hype um das Thema verschwimmt der Begriff mehr und mehr. Ganz gut ist die Definition, die das Marktforschungsinstitut Facit in seiner Studie über Content Marketing gibt: "Zielgruppenspezifische Ansprache via On- und Offlinemedien durch qualitativ hochwertige und kreative Inhalte." Die Studie, die im April veröffentlicht wurde, unterstreicht übrigens die große Bedeutung, die das Thema zurzeit hat: 43 Prozent der 60 befragten Marketingverantwortlichen wollen ihr Budget für Content Marketing in den nächsten fünf Jahren definitiv ausbauen, weitere 50 Prozent "vielleicht". Bezogen auf die eigenen Kanäle, die ein Unternehmen bespielen kann, sehen die Marketer die höchste Relevanz für Content Marketing im elektronischen Newsletter (65 Prozent) vor der Corporate Website (63 Prozent) und Social Media (55 Prozent).

Natürlich gab es Content Marketing streng genommen immer schon, es fand nur schwerpunktmäßig im Corporate Publishing statt (weshalb sich die CP-Dienstleister auch große Hoffnungen auf den Kuchen machen). Allerdings sehen in der Facit-Befragung nur 27 Prozent der Marketer die klassische Kundenzeitschrift in dieser Hinsicht als relevant. Zu Recht: Denn die Kundenmagazine - auch E-Paper-Versionen, die ja auch im Handel immer beliebter werden -, stellen immer abgeschlossene Welten dar, in die zum Beispiel die Nutzer einer Website oft gar nicht gelangen. Strategisch relevanter Content sollte zudem ständig aktuell und aktualisierbar sein, um wirklich hohen Nutzwert zu bieten. Das können die Websites und Facebook besser.

Otto wirbt jetzt mit kleinen Geschichten
Otto wirbt jetzt mit kleinen Geschichten
Storytelling: Wenn Marken Geschichten erzählen


Und wer braucht Content Marketing? Eigentlich jeder, der will, dass man über ihn spricht und sich auch regelmäßig mit ihm auseinandersetzt. Aber Anbieter, die sich über ein unermessliches Sortiment oder niedrige Preise definieren, haben für gewöhnlich schon genug Profilierungs-Argumente. Amazon erzählt daher keine Geschichten über die Marke, Notebooksbilliger.de auch nicht. Aber wer sich innerhalb eines breiten Feldes profilieren muss, das vom Sortiment her ähnlich ist, und nicht über den Preis gehen will, sollte Storytelling betreiben. Das gilt nicht nur für kleine Anbieter. Auch Otto hat nun in der Werbung das Erzählen entdeckt. 

Hochwertiger Content kann entweder Nutzwert bieten oder unterhaltsam sein. Will man als Händler Geschichten über die eigene Marke erzählen, bietet sich nur die Variante Unterhaltung an (siehe Otto oder Zalando). Mehr Möglichkeiten ergeben sich in puncto Produkte. Vor allem bei individuellen Sortimenten bieten sich hier Content-Strategien an. Ein Beispiel von vielen: Das Berliner Feinkost-Start-up Delizr macht es sich zum Prinzip, über alle auf langen Reisen durch Europa gesammlten Produkte im Shop ausführlich zu berichten. So entsteht Authentizität. Man sollte sich als Shopbetreiber auch nicht scheuen, sich selbst vorzustellen, seine eigene Geschichte zu erzählen (aber gute Fotos!).

Delizr erzählt gern über die Produkte im Shop
Delizr erzählt gern über die Produkte im Shop
Wichtig: Geschichten werden nicht nur mit Worten erzählt, sondern vor allem auch über Bilder. Diese Komponenten müssen im Zusammenhang gedacht werden (sonst steht man auf Pinterest dumm da). Vor allem Modeshops schaffen es bisweilen, durch stimmige Bilderwelten Geschichten von Sehnsucht, Fernweh, Liebe oder Begehrtwerden zu erzählen. Hier ist das visuelle Content Marketing quasi geboren worden. 

Viele wertvolle Tipps für gutes Storytelling hat übrigens PR-Blogger

Und was man beim Content-Formulieren vom Journalismus lernen kann, weiß Kissmetrics



Service-Themen: Wenn Shoppen zur Nebensache wird


Wer klug ist, macht den eigenen Online-Shop zu einem regelrechten Kompetenzzentrum. Dann wird er eine Anlaufstelle für alle, die sich mit der Themenwelt befassen, die der Shop bedient. Genau genommen macht ja auch Amazon Content Marketing: Die Informationen und Rezensionen zu den Büchern sind für viele Leseratten längst zu einer Art Nachschlagewerk geworden: Wie dick ist das Buch? Was kostet es? Ist es gut? Auf alles antwortet Amazon.

Das geht für fast alle Sortimente. Es ist ja schon bizarr: Im Unternehmen hat sich häufig sehr viel Fachkompetenz angesammelt, die einen hohen Wert für den Nutzer darstellen würde. Diese PS werden aber, sorry für das abgenutzte Bild, nicht auf die Straße gebracht. Die hohe Schule besteht dann darin, nicht nur die eigenen Fachleute, sondern die Community einzuspannen. Das Paradebeispiel heißt hier Gartenhelden. Baumarkt direkt hat um das Thema Garten eine komplette Community etabliert, die sich selbst berät

Der Onlineshop wird bei Gartenhelden fast zur Nebensache. Hier kann natürlich ein Problem liegen. Zu viel Content kann vom Kaufen ablenken oder zu einer abgewandelten, quasi Internet-internen Form des Showrooming führen: In einem Shop informieren, in einem anderen kaufen. Daher sollte auf jeden Fall von den Service-Informationen eine Brücke zu den Produkten gebaut werden. Und Vorsicht: Ausführliche Informationen, viele Informationen und schöne Bilder werden schnell als Signal für Hochpreisigkeit interpretiert. Finger weg davon, wenn man Hard-Dicounter ist.  

Voll im Trend: der Gentleman-Blog
Voll im Trend: der Gentleman-Blog
Die eigene Welt verlassen


Content Marketing muss aber nicht grundsätzlich auf den eigenen Kanälen, inklusive Facebook-Seite usw., stattfinden. Seine Content-Kompetenz kann man auch in journalistischen Fachbeiträgen ausspielen. Zugegeben: In Print ist es nicht so leicht, einen Platz zu bekommen. Das Internet dagegen bietet vor allem in Form von Blogs zahlreiche Möglichkeiten. Für die Modebranche ist zum Beispiel der Gentleman-Blog interessant, der zurzeit vom gehypten "Gentleman Revival" profitiert. Dort schreiben nicht nur die Autoren selbst, sondern auch Fachleute von Shops wie Shoepassion, Kaffeefachwerk oder Heldenlounge.

Hier noch ein paar interessante Content-Marketing-Best-Practices von Econsultancy: Colgate, Secret und Mr. Porter. 

Und noch ein "Beginners Guide" zum Thema von Visual.ly:(Achtung, sehr lang!)