Die Finanzierung über Crowdfunding professionalisiert sich und wird inzwischen auch von etablierten Banken ernst genommen. Für Händler ein interessantes Instrument.

Wenn Büroekel Bernd Stromberg ab dem 20. Februar sein Unwesen in den deutschen Kinos treibt, fiebern einige Zuschauer aus ureigenem Interesse mit. Sollte sich der Film als Kassenschlager erweisen, werden sie am Einspielerfolg partizipieren, denn der Kinofilm zur erfolgreichen TV-Serie wurde per Crowdfunding finanziert. Innerhalb von nur einer Woche stellten 3.000 Stromberg-Fans insgesamt eine Million Euro zur Verfügung, um ihren Star ins Kino zu bringen.

Beim Crowdfunding ("Crowd": englisch für "Menge"; "Funding" für "Finanzierung") wird Kapital über Internetplattformen von einer möglichst großen Schar von Investoren eingesammelt. Auf diese Weise lassen sich Filme, Bücher, Spendenprojekte, aber auch Unternehmen finanzieren.

Gerade für Händler ein interessantes ­Finanzierungsinstrument

"Für Händler ist Crowdfunding ein spannendes Ins­trument, weil es neben dem Finanzierungsaspekt großes Marketing- und Marktforschungspotenzial beinhaltet", sagt Karsten Wenzlaff. "Start-up-Unternehmen, die in der Lage sind, mehrere Tausend Kleinanleger von ihrem Produkt oder ihrem Geschäftskonzept zu überzeugen, haben zudem bei ihren Lieferanten und professionellen Investoren ein besseres Standing", so der Geschäftsführer des Ikosom-Instituts, das mehrere Studien über Crowdfunding veröffentlicht hat.

Wenzlaff gehört zu den Initiatoren des German Crowdfunding Network, das ab diesem Februar als offizieller Verband der Branche agieren wird, um die wichtigsten Player in dem noch jungen Markt auch auf der politischen Bühne zu vertreten.

Grafik: Christel Klein
Grafik: Christel Klein
Was gestern noch eine Spielwiese für Geeks und Social-Media-Freaks war, wird heute längst von etablierten Bankern mit Nadelstreifen und Krawatte ernst genommen: "Wir glauben an Crowdfunding", sagte etwa Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), jüngst auf einer Veranstaltung zur Zukunft der Mittelstandsfinanzierung. "Wer es schafft, über Social Media und Onlineplattformen Geld einzusammeln, der hat einen ersten Markttest absolviert", meint der Sparkassen-Präsident.

Dass Crowdfunding in Deutschland erwachsen geworden ist, zeigt das Beispiel Urbanara eindrucksvoll: Drei Millionen Euro sammelte der Onlineshop für hochwertige Heimtextilien im vergangenen Jahr über die Plattform Bergfürst ein. "Bei uns stand die Mobilisierung und das Mitwirken der Kunden im Vordergrund. Wir hatten schon einige hochkarätige Venture-Capital-Geber an Bord und wollten nun unseren Kunden mit dem Crowdfunding die Möglichkeit geben, sich am Unternehmen zu beteiligen und mitzuwirken", erläutert Benjamin Esser, Gründer und Geschäftsführer von Urbanara. Esser spricht von „emotionalen Investoren", die Spaß daran haben, sich für die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells und der Sortimente einzusetzen und als Botschafter für das Unternehmen aufzutreten. Der Kunde wird vom Fan zum Kapitalgeber.

Crowdfunding in Deutschland ist ­erwachsen geworden

Im Gegensatz zu den übrigen Crowdfunding-Plattformen erwerben die Investoren über die Bergfürst AG Aktien mit Stimmrechten, die dauerhaft über das Internet gehandelt werden. Die Berliner Volksbank fand das Konzept so überzeugend, dass sie sich an dem ­Unternehmen beteiligte. "Ab einem Volumen von rund 1,5 Millionen Euro kommt eine Finanzierung über uns in Frage", sagt Dr. Guido Sandler, der Bergfürst 2012 zusammen mit dem StudiVZ-Gründer Dennis Bemmann aus der Taufe hob.

Foto: SugarShape
Foto: SugarShape
Die Plattform will keine Start-Ups in der Gründungsphase finanzieren, sondern das Wachstum von bereits funktionierenden Geschäftsmodellen. "Die Anleger können kaum beurteilen, ob ein Start-up eine Chance hat", begründet CEO Sandler, warum man sich wie im Fall Urbanara auf bereits aktive Unternehmen konzentriert. Rund 10 Prozent des Finanzierungsvolumens müssen als Gesamtkosten des Crowdfundings über Bergfürst einkalkuliert werden, 8 Prozent davon gehen an die Plattform; hinzu kommt der Folgeaufwand für die Quartalsberichterstattung und die Hauptversammlung.
Für kleinere Finanzierungen in fünf- oder sechsstelligem Volumen stehen Internetplattformen wie Seedmatch, Innovestment, Companisto und andere zur Verfügung (siehe Tabelle).

"Wer eine Finanzierung über Crowdfunding plant, sollte mit mehreren Anbietern sprechen und schauen, welche Plattform zu seinem Vorhaben passt", rät Dr. Christian Segal, Leiter des Gründungskompetenzcenters der Sparkasse Berlin. "Wenn wir eine Finanzierung für eine Unternehmensgründung konzipieren, kann auch Crowdfunding dafür ein Baustein sein - als Ergänzung zu einem Förderkredit oder sogar als Voraussetzung dafür, wenn zum Beispiel Eigenkapital fehlt", erläutert Segal. Wichtig aus der Sicht des Bankers ist, dass die Investorenschar bei ihrer Beteiligung eine Rangrücktrittserklärung abgibt, damit das frische Kapital bilanziell als Eigenkapital bewertet wird und die Bank damit eine zusätzliche Sicherheit erhält. "Dann kann das Crowdfunding eine echte Win-Win-Situation ergeben", so Segal.

Ein Bestandteil des Finanzierungs­konzepts für Gründer

Sabrina Schönborn und Laura Gollers haben eine Startfinanzierung von 100.000 Euro für ihren Dessous-Shop Sugar­Shape über die Plattform Seedmatch eingesammelt. "Das besondere am Crowdinvesting ist, dass man den potenziellen Investoren nicht persönlich gegenüber sitzt. Deshalb lohnt es sich, in ein ansprechendes Vorstellungsvideo zu investieren, das den Mikroinvestoren Idee, Produkt, Team und Geschäftsmodell kurzweilig vorstellt", raten die beiden Gründerinnen. "Das Team und die Firma sollten dabei sympathisch, aber kompetent rüberkommen und das Alleinstellungsmerkmal des Vorhabens muss klar werden." Bei SugarShape stieg jüngst ein strategischer Investor aus der Textilbranche ein. Urbanara plant in Kürze die Eröffnung eines ersten stationären Geschäfts in Berlin.
 
Hanno Bender

Dieser Artikel ist in der Februar-Ausgabe des Wirtschaftsmagazins Der Handel erschienen. Zum kostenfreien Probeexemplar geht es hier. Infos zur iPad-Edition finden Sie hier.