Als Fachjournalist rund um digitale Themen habe ich das große Glück, direkt neben meiner Bürotür gleich zwei Labore für Feldstudien direkt im Hause zu haben. Da befinden sich nämlich die Zimmer der beiden Teenager, denen natürlich nicht verborgen bleibt, worüber der Vater so schreibt. Und aus dieser Nähe erwachsen interessante Einsichten. Da kommt noch was auf Händler und Marketer zu. Das kann ich Ihnen sagen.
Ab einem gewissen Alter der Kinder haben Eltern die Wahl, den Nachwuchs nur noch gelegentlich zu sehen, oder aber eine Art "offenes Haus" zu führen, in dem die Freunde der Kinder mehr oder weniger ein- und ausgehen. Wir haben uns für die letztere Variante entschieden, gerade weil ich auf diese Weise recht viel davon mitbekomme, was diese Generation so bewegt.

Und sie wächst nicht mit dem Internet auf. Das wäre die falsche Formulierung. Für diese Kids ist der Zugang zum Netz vergleichbar mit dem elektrischen Strom. Internet ist einfach da.
Generation Smartphone
Wenn man denn einen technischen Begleiter ausfindig machen wollte, mit dem diese Generation aufwächst, dann ist es das Smartphone. Es ist ständiger Begleiter, Statussymbol, Coolness-Faktor und die Systemzentrale des Teenagerlebens. Mit der passenden App (kostenlos versteht sich) werden Vokabeln oder geografische Regionen gepaukt. Mit Doodles Treffen organisiert und bereits in der 6. Klasse per Whatsapp in Klassenchats Hausaufgaben verglichen oder zusammengearbeitet. Chatcommerce, wie im Artikel "Zukunftsexperten: 7 Mega-Trends für den Handel" beschrieben, finden nicht nur meine Kids "extrem lässig". Whatsapp ist die App, in der sie die meiste Zeit des Tages verbringen. Sie ersetzt sogar die Telefoniefunktion des Smartphones. Statt jemanden anzurufen, wird eine Sprachnachricht versendet.
Instagram und Snapchat sind derzeit ebenfalls angesagt. Der Bilderdienst nach subjektiver Wahrnehmung bei den Mädchen stärker als bei den Jungen. Instagram ist nicht nur die Bühne für die eigene Darstellung. Es ist der Inspirations- und Lebensratgeber schlechthin. Was ziehe ich an? Welche Stylingtipps gibt es? Wie kann das Zimmer verschönert oder umgestaltet werden? Und wenn ein Produkt aus der Beschreibung eines Bildes nicht ermittelt werden kann, wird eben nachgefragt. Mein Rat: Wer noch keine Strategie zumindest für Instagram oder Whatsapp hat, aber diese Generation erreichen möchte, sollte sich mal lieber beeilen.
Was ist Facebook?
Gerade neulich während eines Interviews erzählte mir der Marketingverantwortliche eines Unternehmens wieder etwas von seiner Facebook-Strategie und wie prächtig sich das User-Engagement entwickelt habe.
Teenager werden unter den Nutzer aber meiner Meinung nach kaum welche sein. Klar, sind meine Kids und deren Freunde alle auf Facebook. Seit Jahren. Aber sie machen dort nichts. Es ist praktisch, weil es über anstehende Geburtstage informiert. Es ist praktisch, wenn man die Handynummer eines Bekannten verbummelt hat und ihn erreichen will. Aber zumindest für die Mitglieder der Generation, mit der ich persönlich zu tun habe, riecht Facebook nicht nur etwas streng, sondern ist mausetot.
Die Kids wissen um den Wert ihrer Daten
Ein ehemaliger Chefredakteur, und ein großes Vorbild während meiner Lehrjahre, pflegte immer zu sagen: "Geheim, exklusiv, gratis - das zieht immer". Und der Kostenlos-Gedanke bestimmt ja auch nach wie vor viele Geschäftsmodelle. Der berühmte Speck, mit dem man so seine Mäuse fangen wollte. Nur die Teenager von heute wissen, dass sie nichts geschenkt bekommen und immer mit ihren Daten bezahlen. Und sie wehren sich.
Denn, dass der Seitenaufruf eines Shops oder einer Magazinseite gleich Tracker im zweistelligen Bereich auslöst, ist "die voll fette Übertreibung". Und Ambitionen, Benutzerprofile über mehrere Sites zu erstellen, um diese gewinnbringend über Verlagstöchter zu vermarkten, bleibt einigermaßen wachen Teenagern auch nicht verborgen.
"Was habe ich denn davon, außer noch mehr von dieser xxx Werbung zu bekommen" (schlimmes Wort mit S zensiert). Und so hat Sohnemann für sich und seine Schwester vor einigen Wochen Ghostery und jetzt EBlocker installiert. Und das ganz bewusst. Weil sie das ewige Re-Targeting leid sind. Klar, die Anbieter von Marketing-Lösungen und Analyse-Systemen, die damit werben, die "Customer Journey" über alle Devices hinweg verfolgen zu können, werden entgegnen, dass damit ja nur die Grundgesamtheit kleiner wird.
Man sollte nur jetzt schon aufpassen, dass das statistisch nicht darin gipfelt, dass ich mich satt fühlen müsste, weil ich statistisch ein halbes Hühnchen verspeist habe, weil ein anderer ein ganzes Huhn gegessen hat. Ein klassisches Beispiel für eine zu kleine Grundgesamtheit.
Ihr Händler und Marketer - sprecht mal mit Euren Kindern!