Osiander trotzt der Krise im stationären Buchhandel. Geschäftsführer Heinrich Riethmüller über E-Books, Non-Books - und warum Kunden weiterhin gerne in seine Läden kommen.

Buchhändler Riethmüller, Foto: Jörg Eberl
Buchhändler Riethmüller, Foto: Jörg Eberl
Der stationäre Buchhandel stöhnt über die schwierigen Zeiten - Osiander nicht. Sie haben Ihren Mitarbeitern 2012 zum zweiten Mal in Folge einen Bonus über 1.000 Euro ausgezahlt, und Sie eröffnen stetig neue Filialen. Was machen Sie besser als der Markt?

Auch wir können uns von der Entwicklung im Buchhandel nicht abkoppeln: 2012 mussten wir einen Umsatzrückgang hinnehmen - um 1,5 Prozent auf vergleichbarer Fläche. Der Gesamtmarkt hat allerdings 3,7 Prozent verloren. Trotzdem behalten wir unser kontrolliertes Wachstum bei, pro Jahr eröffnen wir zwei, drei neue Filialen. Wir konzentrieren uns dabei auf vernünftige Flächen,
und das bedeutet zwischen 300 und 600 Quadratmetern, alles in Mittelstädten in Süddeutschland. Wir investieren viel in Mitarbeiterentwicklung und Motivation und bieten überall ein gutes Sortiment. Und schließlich sind wir noch ein klassisches Familienunternehmen, in dem acht Familienmitglieder -arbeiten. Trotz unserer Unternehmensgröße (derzeit 30 Standorte, Anm. d. Red) kennen wir unsere Mitarbeiter alle noch.

Neuerdings wagen Sie sich aber auch in die Metropolen Frankfurt und Stuttgart vor und beziehen dort erstmals Flächen in Einkaufszentren.
Hier sind wir in der komfortablen Situation, dass die Konkurrenz wie Thalia und Hugendubel eine Vollbremsung macht, was Expansionen angeht. Und deswegen entdecken uns die Betreiber von Einkaufszentren. Osiander wiederum hat noch Lust zu expandieren. Sowohl für das Milaneo in Stuttgart, in das wir wohl im Frühjahr 2015 einziehen, als auch für das Skyline Plaza in Frankfurt (Einzug 29. August dieses Jahres, Anm. d. Red) ist die ECE auf uns zugekommen. Wir hatten dabei gute Verhandlungspositionen, denn die Mieten in Einkaufszentren für den Buchhandel sind deutlich gesunken. Für Herbst 2014 ist übrigens der Einzug ins Center Gerber in Stuttgart geplant.

Ist die Wahl des Standorts Frankfurt auch eine politische Entscheidung? Schließlich findet hier die Buchmesse statt, auch der Börsenverein des deutschen Buchhandels hat hier seinen Sitz.
Das spielt schon auch eine Rolle. Nach Düsseldorf, beispielsweise, wären wir nicht gegangen.

Was muss ein stationärer Buchhändler heute bieten, um sich am Markt zu behaupten?
Ansprechende Läden, die Lust auf Stöbern und Entdecken machen, ausgebildete Mitarbeiter, ein gesundes Wachstum, Kostenbewusstsein und Neugier auf die Zukunft. Wir sind in den zurück-liegenden zehn Jahren vernünftig gewachsen. Auch wenn wir etwa 5 Prozent Umsatz mit reinen Geschenkartikeln erzielen - bei uns steht das Buch nach wie vor im Vordergrund.

Die neuen sogenannten Non-Book-Artikel spielen bei Ihnen keine Rolle?
Non-Book ist ein undifferenzierter Ausdruck. Dazu gehören auch Hörbücher, Postkarten und Kalender, Warengruppen, die sich längst im Buchhandel etabliert haben. Neu hinzugekommen sind die sogenannten Geschenkartikel, die aber zum Gesamtsortiment passen müssen. Wir integrieren diese Geschenkartikel in unser Buchsortiment. Man wird aber nur Erfolg damit haben, wenn die Buchhandlung ihr Gesicht dabei nicht verliert.

Und dieses Gesicht zeigen Sie auch im Internet.
Osiander bespielt alle Verkaufskanäle, das macht uns auch so erfolgreich. Wir haben soeben unseren neuen Katalog online gestellt und sind damit eine der ganz wenigen Buchhandlungen, die einen Gesamtkatalog mit mehr als fünf Millionen Titeln anbietet, inklusive Hörbüchern und E-Books. Die Verbindung von stationärem und Onlinehandel wird immer wichtiger. 40 Prozent unserer stationären Kunden kaufen Bücher auch im Internet ein, etwa bei Amazon. Diese Kunden, wo sie doch schon einmal in unseren Läden sind, müssen wir davon überzeugen, dass wir mindestens so gut wie Amazon sind. Und das gelingt uns immer mehr.

Wie groß ist der Anteil des Onlinegeschäfts am Gesamtumsatz von Osiander?
Der liegt bei 5 Prozent, und ist 2012 um 18 Prozent gewachsen. Alles, was der Kunde bis 14 Uhr bestellt, hat er in der Regel am Folgetag im Briefkasten. Portofrei.

Sie fürchten Amazon nicht?
Doch, kein anderer Händler ist eine größere Konkurrenz für uns. Aber unser Vorteil ist, dass wir beides gut können, gute Läden betreiben und überzeugende Angebote im Internet bieten.

Wie bewerten Sie es, dass die Amerikaner über Elektronikhändler ihre E-Book-Reader in den deutschen Markt drücken?

Viele Buchhandlungen machen den Fehler, dass sie das Geschäft für E-Books nicht ernst nehmen. Wir haben 2012 mehr als 1.000 eigene Reader verkauft. Freilich verdienen wir damit noch kein Geld, aber wir zeigen Kompetenz. Jeder unserer Mitarbeiter ist in diesem Thema geschult worden, es gibt auch eine Telefonhotline. Das ist alles sehr aufwendig, aber der Kunde fühlt sich bei uns gut aufgehoben, und wir müssen ihn nicht zur Konkurrenz schicken. Als Buchhändler darf man seine Kompetenzen nicht segmentieren: Heute muss man alles können, um erfolgreich zu sein, weil derselbe Kunde alles will: online und stationär einkaufen, gedruckte Bücher sowie E-Books für den Urlaub.

Ihr Bruder Christian sagt, der Vorteil von Osiander sei, dass hier nur Fachpersonal arbeiten würde - hingegen die großen Ketten immer mehr Aushilfen beschäftigen.
Das ist ein Problem der Unternehmen mit sehr großen Flächen und entsprechend höheren Betriebskosten. Da wird häufig fantasielos als erstes an den Personalkosten geschraubt. Es gibt dort immer weniger Mitarbeiter, und diese müssen aktuell auch noch um ihren Arbeitsplatz bangen. Kunden fühlen sich oft allein gelassen. Als das Internet für unsere Branche noch nicht wichtig war, sind die Menschen gerne in die großen Buchhandlungen gegangen, weil dort die ganze Welt der Literatur geboten wurde. Doch nun gibt es diese Welt im Web - und die Kunden suchen in den stationären Läden die Beratung, das Gespräch und eine schöne Atmosphäre. Mit diesen Pfunden müssen wir wuchern.

Welche Produkte will der Kunde?
Er will alles: das schön gedruckte Buch, die preiswerte Sonderausgabe, das Taschenbuch genauso wie das E-Book. Der Markt wird leider immer schnelllebiger. Aber wir beobachten auch einen neuen Trend in den Vereinigten Staaten, wo 2012 der unabhängige Buchhandel 8 Prozent Umsatzplus erzielt hat - trotz Amazon. Das zeigt mir, dass die Menschen wieder die Kommunikation und die Animation in den Geschäften suchen.

Interview: Steffen Gerth

Dieser Artikel ist in der März-Ausgabe des Wirtschaftsmagazins Der Handel erschienen. Ein kostenfreies Probeexemplar erhalten Sie hier.