„Herzstück einer jeden erfolgreichen Strategie sind die Daten“. Das sagt Jordan Weinstein,  Managing Director für EMEA bei ChannelAdvisor, im Interview mit etailment. Das gilt für Produktdaten ebenso wie für besseres Marketing oder Google Shopping. Der Manager des E-Commerce-Dienstleisters weiß, die Aufbereitung kann ein Kampf sein. Aber einer, der sich lohnt. 

Jordan Weinstein, ChannelAdvisor: Marktplätze sind wirklich extrem wichtig.
Jordan Weinstein, ChannelAdvisor: Marktplätze sind wirklich extrem wichtig.

 

Auch im E-Commerce wird der Mediamix immer wichtiger. In welchen Media-Kanälen hat der Onlinehandel noch Nachholbedarf?

Jordan Weinstein: Onlinehändler müssen heute eine Multichannel-Strategie verfolgen. Wenn sie ihr Geschäft auf einen oder zwei Kanäle konzentrieren, beschränken sie ihre Reichweite und ihr Wachstumspotenzial. Das Ziel beim Online-Einzelhandel ist aber, da zu sein, wo die Kunden sind. Es ist also ratsam, sich bewusst zu machen, wo die Zielgruppe einkauft – und dann herauszufinden, ob es sich lohnt, dort Werbung zu treiben.

Wir können nicht feststellen, dass ein bestimmter Bereich stiefmütterlich behandelt wird. Wo Schwerpunkte gesetzt werden, ist stark von der Branche und vom jeweiligen Retailer abhängig. Einige sind auf digitalen Marketing-Kanälen wie Google oder Kelkoo umtriebig, verkaufen aber nichts auf Online-Marktplätzen. Andere sind genau da erfolgreich, schalten aber bisher keine Werbung auf digitalen Marketing-Kanälen. Wir empfehlen hier immer, sich anzuschauen, was der Wettbewerb macht. In welchen Bereichen liegen Sie zurück? Planen Sie dann Ihre nächsten Schritte.  

 

Und wie lassen sich die Spendings hierbei effizienter einsetzen?

Jordan Weinstein: Herzstück einer jeden erfolgreichen Strategie sind die Daten. Wenn Händler ihre bisherigen Umsätze und ihre Verkaufsleistung nachhalten und überwachen können, wissen sie auch, wo sie am besten investieren sollten. Sie sehen, was gut und was weniger gut funktioniert hat, und können diese Ergebnisse als Grundlage für ihre nächsten Geschäftsentscheidungen nutzen. Wer Daten hat, muss sich nicht auf seinen Instinkt verlassen. Denn Fakten sprechen für sich. E-Commerce-Plattformen wie die Lösung von ChannelAdvisor machen ein ausgeklügeltes Datenmanagement möglich.

Big Data: "Wer Daten hat, muss sich nicht auf seinen Instinkt verlassen."


Wie sehen Sie die Zukunft von Google Shopping?

Jordan Weinstein: Mit der Umstellung von der Google-Produktsuche auf das kostenpflichtige Google Shopping hat sich im vergangenen Jahr einiges im E-Commerce getan. Und kaum haben die Onlinehändler ihre Kampagnen entsprechend optimiert, steht schon wieder die nächste Herausforderung in den Startlöchern – die Google Shopping-Kampagnen. Damit steht eine fundamentale Neustrukturierung der Product Listing Ads (PLAs) bevor.
Die Umstellung verlangt Händlern einiges ab. Sie müssen neue Shopping-Kampagnen erstellen und anpassen und alle früheren Angebote anhalten. Wir glauben jedoch, dass dies eine positive Veränderung ist. Bislang waren die Produktgruppierungen in AdWords sehr einschränkend – Händler konnten ihren vollen Produktkatalog damit meist nicht richtig optimieren. Mit den Shopping-Kampagnen können sie nun tiefer gehen, Produkte in präziser umrissene Gruppen einordnen und besser informierte Gebotsentscheidungen für ihre Anzeigen treffen. Unser Rat: Informieren Sie sich über die anstehenden Veränderungen und beginnen Sie noch heute mit der Umstellung.

 

Marktplätze werden immer bedeutender. Trotzdem tun sich viele Händler dort noch immer schwer. Was können Sie besser machen?

Jordan Weinstein: Marktplätze sind wirklich extrem wichtig. Sie machen durchschnittlich ein Drittel des gesamten Onlinehandels in Europa und den USA aus. In China entfallen sogar 90% des Internethandels auf Marktplätze. Natürlich erscheinen sie manchem Händler sehr komplex und zeitraubend – doch es zahlt sich definitiv aus, auf ihnen aktiv zu werden. Auch diese Kanäle funktionieren stark datenorientiert. Die Optimierung der Produkttitel, -beschreibungen und -bilder gehört hier zu den ganz grundlegenden Aufgaben. Diese Daten bilden im Prinzip das „Schaufenster“. Wer hier nachlässig ist, wird keine Kunden anziehen und zum Kauf motivieren.

 

Was raten Sie Händlern, die nicht nur auf eBay präsent sein wollen, sondern auf möglichst vielen Plattformen?

Jordan Weinstein: Amazon und eBay haben mit ihren Drittanbieter-Marktplätzen weltweit eine Revolution losgetreten – die Zahl derer, die ihnen nacheifern, ist förmlich explodiert. Davon profitieren Händler. Denn auf den zahlreichen neuen Marktplätzen können sie schnell und sicher expandieren. Internetmarktplätze bieten einen etablierten Kundenstamm und eine funktionierende Infrastruktur. Händler können sich voll auf andere Prioritäten, z. B. Einkauf, Preisgestaltung, Werbung und Fulfillment konzentrieren. Es gibt also viele Vorteile, die für eine weitere Expansion auf neuen Marktplätzen sprechen.

USP: "Der Preis ist nicht das einzige Verkaufsargument. Händler können sich auch mit ihren Versandoptionen oder weiteren Zusatzangeboten von der Konkurrenz abheben."

 

Am Ende kommt es doch auch dort ohnehin nur auf den Preis an?

Jordan Weinstein: Der Preis ist auf Marktplätzen natürlich ein unglaublich wichtiger Faktor. Aber auch nicht das einzige Verkaufsargument. Zweifellos müssen Sie auf diesen Kanälen wettbewerbsfähig bleiben. Händler können sich jedoch auch auf andere Weise von der Konkurrenz abheben – etwa mit ihren Versandoptionen oder weiteren Zusatzangeboten.

 

Die Erwartungen an Social Media als Verkaufskanal und Hebel haben sich für viele noch nicht erfüllt. Woran liegt das?

Jordan Weinstein: Das Buzzword „Social“ macht im E-Commerce jetzt schon seit einer ganzen Weile die Runde. Soziale Medien haben die Art, wie wir Produkte online suchen und einkaufen, klar beeinflusst. Erst im letzten Monat hat es einige sehr interessante Entwicklungen auf sozialen Kanälen gegeben:

Beispiel Amazon: Amazon hat gerade Amazon Cart eingeführt, das es Kunden ermöglicht, ihr Twitter-Konto mit Amazon zu verbinden. Wenn sie dann auf Twitter ein Amazon-Produkt sehen, das ihnen gefällt, können sie mit #AmazonCart antworten, und das Produkt wird bei Amazon in den Einkaufswagen gelegt. Das ist wirklich eine tolle Neuerung. Die Verkäufer werden nicht von Twitter weggelenkt, und die Produkte erscheinen so in einem echten Social-Media-Kontext.

Beispiel  Twitter: Twitter experimentiert offenbar ebenfalls mit einer „Jetzt kaufen“-Schaltfläche. Diese tauchte am 30. Juni testweise auf. Sie ist mit einem Kassensystem auf Twitter verbunden. Auch wenn bislang nur wenige Details zum Testlauf durchgesickert sind, zeigt dies, dass die sozialen Medien daran arbeiten, ihre eigenen Marktplätze hochzuziehen.

Beispiel Facebook: Nicht nur Twitter probiert derzeit Neues aus. Facebook kündigte im Juli einen Buy-Button an. Der wird zunächst kleinen bis mittelständischen Unternehmen vorbehalten sein und künftig in den Nachrichten-Feeds auf Facebook auftauchen.

Beispiel Pinterest: Und dann gibt es noch Pinterest, den am stärksten produktorientierten Social-Media-Kanal. Keine Plattform hat 2013 mehr Umsatz im Social Commerce gemacht – um genau zu sein, erwirtschaftete Pinterest allein ein Viertel des Gesamtumsatzes. Rich Pins sind für Händler ein enorm praktisches Instrument. Hier können Sie einen Pin direkt mit weiterführenden Informationen versehen. Das macht den Einkauf für Kunden besonders leicht. Produkt-Pins bieten Echtzeit-Infos zu Preisen, Verfügbarkeit und Verkaufsstellen. Und das Beste: Pinner werden über Preissenkungen bei ihren gepinnten Produkten benachrichtigt.

All diese Updates, die derzeit eingeführt werden, zeigen, dass sich die Welt sozialer Medien an den Onlinehandel annähert. Sie wird bei Händlern in den kommenden Jahren zweifellos an Priorität gewinnen.

 

Wenn es um die Versprechungen von Big Data geht, zucken nicht nur mittelständische Händler. Schließlich wissen sie, wie gut oder schlecht ihre Produktdaten sind, die für jeden Marktplatz anders aufbereitet werden müssen. Was tun?

Jordan Weinstein: Das Datenmanagement ist für alle Händler ein Kampf, besonders für kleine und mittelständische Unternehmen. Alle wissen, wie wichtig das Thema ist. Und doch erkennen viele nicht, welche Chancen hier liegen.  Daten bilden das Fundament Ihrer Angebote, vom Titel bis zur Produktbeschreibung. Eine schlechte Datenqualität schlägt sich entsprechend auf all Ihre Online-Aktivitäten nieder.

Zentralisierung: "Eine schlechte Datenqualität schlägt sich auf all Ihre Online-Aktivitäten nieder."


Der Schlüssel zu einer effizienten Datennutzung lautet Zentralisierung. Doch sah der Anfang für die meisten Händler wohl anders aus. Traditionell werden Daten eher für den jeweils neuesten Marktplatz oder die neue Website einzeln hochgeladen und spezifisch dafür optimiert. Das funktioniert zu Beginn meist ganz gut. Wenn es dann aber Zeit ist, zu expandieren, stellen Händler fest, dass ihr Bestand nun „starr“ ist. Eine Anpassung an neue Kanäle ist nur mit äußerst viel Arbeit zu bewältigen. Im Zeitalter von Multichannel ist das ein echtes Problem. Zum Glück lässt sich der Prozess umkehren. Wenn Händler ihre Daten in einer zentralisierten Plattform speichern, werden diese einfach abrufbar und können auf viele neue Quellen verteilt werden. Ihre Präsenz im Netz steigt und Ihr Unternehmen wächst.

 

Und dann wird vom Kunden auch noch eine schnelle und prompte Lieferung erwartet. Doch gerade kleinere Händler fühlen sich vom perfekten Fulfillment oft überfordert.

Jordan Weinstein: Die Kunden werden immer anspruchsvoller. Sie erwarten von Onlinehändlern heute eine schnelle, komfortable und günstige Lieferung. Gerade für die kleineren ist das oft nicht leicht, da sie nicht mit der Infrastruktur großer Retailer aufwarten können.

Glücklicherweise bieten viele Marktplätze Händlern über spezielle Lieferprogramme Zugriff auf das eigene Versandnetzwerk. Der „Versand durch Amazon“ ist ein solches Beispiel. Hier steht auch kleinen Händlern ein bestens ausgebautes Netz aus Lagerhäusern offen. Gleichzeitig qualifizieren sich die über den Service abgewickelten Produkte für Amazon Prime, was die Chancen auf die Buy Box erhöht. Und Amazon kümmert sich um alles – holt die Produkte aus dem Lager, verpackt sie, versendet sie und übernimmt den Kundenservice!

 

Vermutlich ähnlich viel Arbeit steht dem Handel immer noch bevor, um in Sachen Mobile Commerce fit zu werden?

Jordan Weinstein: Mobilgeräte sind aus dem Onlineshopping nicht mehr wegzudenken. 90 % der Kunden nutzen diese heute regelmäßig, suchen etwa mit Smartphones nach Produkten oder kaufen über ihr Tablet ein. Eine weitere wichtige Statistik: 61 % der User verlassen eine Website, die benutzerunfreundlich oder unübersichtlich ist, Händler sollten deshalb ihren Website-Traffic genauestens überwachen und über eine Investition in responsives Webdesign nachdenken. Damit wird das Website-Layout immer auf das jeweilige Endbenutzergerät zugeschnitten.

Statt massiv in eine eigene App zu investieren, empfehlen wir, es zunächst einmal mit den Mobilfunktionen von Marktplätzen wie eBay und Amazon zu versuchen. Diese Anbieter sind bestens gerüstet, den mobilen Traffic zu bewältigen, und haben benutzerfreundliche Oberflächen und Bezahlsysteme implementiert. Schon jetzt sind all Ihre Angebote, die Sie auf Marktplätzen einstellen, auch automatisch auf den Mobilversionen gelistet und erreichen dort Kunden. Nicht zuletzt deshalb sind die Apps von eBay und Co. bei Verbrauchern enorm beliebt. Kunden müssen sich nämlich so nicht mehr die Apps jeder einzelnen Marke oder jedes einzelnen Webshops herunterladen, sondern bekommen die komplette Auswahl über eine einzige App.

 

Internationalisierung verspricht zusätzliches Wachstum. Gleichwohl schrecken viele Händler vor dem Schritt ins Ausland zurück. Zu Recht?

Jordan Weinstein: Die internationale Expansion ist gewiss eine Herausforderung. Aber eine, die Händler annehmen sollten. Führen Sie sich die Vorteile der Internationalisierung vor Augen: Händler erweitern ihren Kundenstamm, erhöhen den Bekanntheitsgrad ihrer Marke, steigern ihre Umsätze, können Saisonartikel ganzjährig verkaufen und erschließen sich eine Vielzahl neuer Geschäftschancen.

Natürlich muss vor dem Schritt aber eine gründliche Vorbereitung stehen: Betreiben Sie Marktforschung. Setzen Sie sich mit rechtlichen Vorschriften auseinander. Machen Sie sich alle möglichen Hindernisse und Herausforderungen bewusst. Am besten starten Sie zunächst einen Testballon auf internationalen Online-Marktplätzen. Stellen Sie Ihre Produktangebote auf den eBay- und Amazon-Seiten anderer Länder ein, messen Sie die Nachfrage nach Ihren Produkten und lösen Sie Probleme, bevor Sie viel Geld in eine lokale Website oder andere Infrastrukturen investieren. Ihre Kunden lassen sich durch Landesgrenzen nicht mehr abschrecken. Und Sie sollten es auch nicht!