Während die Märkte in den europäischen Nachbarländern einbrechen, stehen die deutschen Hersteller und Händler von Reisemobilen und Caravans vor einem Rekordjahr.

Es ist ein eingeübtes Ritual. Alle Jahre wieder im Frühsommer pilgern die Händler von Freizeitfahrzeugen zu den Tagungen der Hersteller, um sich rechtzeitig vor dem Branchengipfel, dem Caravansalon Ende August in Düsseldorf, über die Neuheiten des anstehenden Modelljahrgangs zu informieren.

Tatsächlich geht es zunächst um Grundrisse und Polsterstoffe, um feine Hammerschlagbleche oder Hubbetten. Doch schnell werden die Treffen der Verkäufer von Reisemobilen und Wohnwagen zum Stimmungsbarometer - und das schlägt in diesem Jahr in völlig unterschiedliche Richtungen aus.

Wohnmobile mit 13,3 und Caravans mit 5,4 Prozent im Plus

Während sich die rund 280 deutschen Händler nach den Zahlen des Caravaning Industrie Verbandes (CIVD) in den ersten fünf Monaten des Jahres über einen Wohnmobilabsatz von 14.036 Fahrzeugen (plus 13,3 Prozent) und 9.796 Caravanverkäufe (plus 5,4 Prozent) freuen und vor allem bei den spannenträchtigen Reisemobilen einem Allzeit-Jahresrekord entgegenstreben, „kämpfen viele der europäischen Kollegen ums nackte Überleben", wie Klaus-Peter Bolz, Geschäftsführer von Europas größter Reisemobilmarke Bürstner (313 Millionen Umsatz im Geschäftsjahr 2011/2012), mit Sorge registriert.

Auch CIVD-Geschäftsführer Hans-Karl Sternberg sieht im Gespräch mit Der Handel „Finanzierungsprobleme" auf die Unternehmen im europäischen Ausland zukommen.

Auch der niederländische Markt betroffen

Die massive Krise, etwa in Spanien, Italien, Frankreich und natürlich Griechenland, spiegelt sich eins zu eins in den teils dramatisch geschrumpften Zulassungszahlen der Campingbranche wider. „Wenn jeder zweite Jugendliche arbeitslos ist, gibt es in den Familien andere Themen, als sich ein neues Reisemobil anzuschaffen", weiß Bolz um die Rahmenbedingungen etwa auf der iberischen Halbinsel. Zudem ist auch der niederländische Markt, einst eine feste Bank, eingebrochen. „Hier hat sich der Absatz halbiert", berichtet Bürstner-Boss Bolz. Ausschlaggebend sei unter anderem eine hohe Luxussteuer, so Sternberg.

Westeuropa krisengebeutelt, in Osteuropa lässt der erhoffte Boom auf sich warten und aufstrebende Länder wie China und Russland sind längst noch nicht reif für diese Urlaubsform, es fehlt schlicht an der Infrastruktur. Da gilt die ganze Aufmerksamkeit Deutschland. „Die Branche muss versuchen, neue Zielgruppen zu erreichen", sucht Andreas Horx trotz der aktuell verheißungsvollen Zahlen nach neuen Kunden.

1,5 Millionen Euro für Imagekampagne

Der Marketingmann vom Caravaning Industrie Verband mit Sitz in Frankfurt am Main denkt dabei an Familien und Menschen, die ohnehin mit dem eigenen Auto verreisen. Die seien am ehesten für den Trip in den eigenen Wänden zu begeistern. Rund 1,5 Millionen Euro haben die Produzenten soeben für eine gemeinsame, neue Image-Kampagne bereitgestellt.

Das Mieten von Freizeitfahrzeugen müsse einfacher werden, fordern Horx und Bolz unisono. Hier seien die Händler in der Pflicht, kreativ tätig zu werden. So lange die Raten für Reisemobile ausgerechnet in den Schulferien schwindelnde Höhen erreichen, werden sich die anvisierten Familienväter kaum zu einem Versuch im rollenden Urlaubsdomizil hinreißen lassen.

Kunden geben im Schnitt 9 Prozent für Zubehör aus

Auch im Neufahrzeuggeschäft ist im Vergleich zu Flugreisen nicht über die Kosten zu punkten. Bei Bürstner beispielsweise beginnt die aktuelle Wohnmobilpreisliste bei 44.440 Euro. Dazu kommen im Schnitt weitere 9 Prozent für Sonderausstattungen und Zubehör. Dabei sieht Bolz sein Unternehmen keineswegs im Spitzensegment angesiedelt: „Wir stehen für die gehobene Mittelklasse."

Angesichts von maximal 20 Prozent Marge, die Bürstner seinen Händlern inklusive Leistungsprämien gewährt und einem durchschnittlichen Rabattniveau von sieben bis acht Prozent bleibt auch dem Verkäufer kein allzu großer Spielraum. „Die Stimmung ist gut, aber nicht euphorisch", berichtet denn auch Markus Horn, Sprecher der Hymer AG, von den aktuellen Händlermeetings im nagelneuen Erwin-Hymer-Museum am Stammsitz in Bad Waldsee.

Betriebswirtschaftliche Beratung

Foto: Hymer
Foto: Hymer
Immerhin erkennen die Produzenten die Sorgen ihrer Vertriebspartner. Die Ersatzteilversorgung soll schneller werden und Bürstner hat bereits ein Zwei-Mann-Team installiert, das die Händler auf Wunsch nicht nur schult, sondern auch kostenlos betriebswirtschaftlich berät. Dabei sollen Schwachstellen im Ablauf ausfindig gemacht und abgestellt werden.

Einen anderen Weg geht die Knaus Tabbert GmbH (238,6 Millionen Euro Umsatz im Geschäftsjahr 2011) aus dem niederbayrischen Jandelsbrunn mit ihren Lehrgängen zum „IHK-zertifizierten Caravaning Premium Verkäufer". Die Schulungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Verkaufstechnik, professionelle Produktpräsentation und Kundenberatung. Daneben liegt das Augenmerk der Ausbildung aber auch auf den sogenannten „Soft Skills", wie Kontaktfreudigkeit, Kundenorientierung, Leistungsbereitschaft, Überzeugungskraft, Ausdrucksstärke und Zuverlässigkeit.

Trends: Leichtbau und kompakte Abmessungen

Schließlich habe man auch bei der Zusammenstellung des Modelljahrgans 2013 „noch stärker auf die Wünsche der Kunden gehört, was der Handel wohlwollend registriert hat", wie Hymer-Marketingleiter Markus Horn erläutert. Leichtbau und kompakte Abmessungen sind die wesentlichen Trends. „80 Prozent aller Freizeitfahrzeuge werden in der Klasse unterhalb von 3,5 Tonnen Gesamtgewicht geordert", weiß Hymer-Geschäftsführer Robert Sala.

Stellvertretend steht hier der Hymer Compact, der auf nur 5,99 Metern und für 44.490 Euro die Vorteile eines ausgebauten Kastenwagens mit denen eines Fahrzeugs mit aufwendigem, wintertauglichem Aufbau verbinden soll. Produziert wird der Wagen mit der großen Heckklappe in Kehl bei der Konzern-Tochter Bürstner, die das Modell unter der Bezeichnung Brevio zu besagtem Einstiegspreis anbietet.

Auch „richtig teuer" ist gefragt

Weil zumindest hierzulande neben „preiswert" auch „richtig teuer" gefragt ist, wie Verbandschef Hans-Karl Sternberg erklärt, rollt Hymer zum Branchentreff in Düsseldorf den B-Star-Light auf der Basis des Mercedes-Benz Sprinter zu Preisen ab 91.790 Euro auf die Bühne und kündigt für 2014 schon mal eine neue S-Klasse an. Bürstner krönt seine umfangreiche Angebotspalette mit dem Grand Panorama - ab 109.780 bis 122.800 Euro.

Bernd Nusser