Bio-Lebensmittel stehen in Deutschland hoch im Kurs - nach einer Delle in den Vorjahren legte der Markt 2011 kräftig zu. Die Bauern kommen mit der Produktion schon lange nicht mehr hinterher. 

Ob Tomaten, Blumenkohl, Nudeln oder Fleisch: Die Öko-Variante von Lebensmitteln wird in Deutschland immer populärer. Um fast zehn Prozent ist der Markt im vergangenen Jahr gewachsen. Doch mit der steigenden Beliebtheit nehmen auch die Probleme zu - die hiesigen Öko-Bauern kommen mit dem Anbau nicht mehr nach.

Und wegen der teils gesenkten Förderung stellen nicht so viele konventionelle Bauern auf Biolandbau um wie nötig, beklagen die Verbände. Die Folge: Viele Bio-Produkte werden aus dem Ausland importiert. Die ganze Bandbreite des Angebots aus dem In- und Ausland ist von diesem Mittwoch an auf der weltweit größten Spezialmesse "Biofach" in Nürnberg zu sehen.

Gute Stimmung auf der Bio-Fach erwartet

Zumindest bei den deutschen Besuchern dürfte die Stimmung gut sein. Jahrelang war die Branche auf zweistellige Wachstumsraten abonniert, bis 2009 der Markt stagnierte. 2010 standen magere zwei Prozent Plus in den Büchern. Doch im vergangenen Jahr zog das Geschäft wieder spürbar an. "Die Haushalte haben rund 9,5 Prozent mehr ausgegeben für Bio-Produkte", sagt Helmut Hübsch vom Marktforschungsunternehmen GfK.

Auch der Bundesverband Naturkost Naturwaren Herstellung und Handel (BNN) kratzt nach ersten Zahlen an der Zehn-Prozent-Marke.

"Das ist zum Teil wohl darauf zurückzuführen, dass es ein paar Skandale gab", erläutert Hübsch mit Blick auf Dioxinfunde im Tierfutter. Auch die EHEC-Welle habe der Biobranche weniger geschadet als den konventionellen Lebensmittelherstellern. "Fukushima darf man auch nicht auslassen - das war so eine Grundstimmung, in der das Wirtschaftswachstum hinterfragt wurde", zählt Hübsch weiter auf. Und nicht zuletzt: Die Verbraucher hätten 2011 mehr Geld in der Tasche gehabt und damit auch mehr Möglichkeiten, die meist teurere Bio-Ware zu bezahlen.

Der Handel hat auf die Nachfrage reagiert, die Bauern weniger

95 Prozent aller deutschen Haushalte haben im vergangenen Jahr mindestens ein Bio-Produkt in ihren Einkaufswagen gelegt. 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung gelten laut GfK als "heavy buyer", die mindestens einmal in der Woche zur Bio-Ware greifen. "Es gibt stetig mehr Bio-Käufer, die über die Jahre hinweg auch konsequenter Bio kaufen", erläutert Hübsch. Der gestiegenen Nachfrage sei der Handel in Form von neuen Läden - meist größeren Supermärkten - nachgekommen.

Nicht mitgehalten haben hingegen die hiesigen Öko-Bauern. "Der Bio-Bereich am Tresen wächst nach wie vor sehr stark, das Wachstum der ökologischen Betriebe in Deutschland hinkt dem aber hinterher", erläutert Peter Röhrig vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW).

Einer der Gründe sei die zu niedrige Förderung, die zum Teil auch noch gekürzt oder wie in Schleswig-Holstein ganz gestrichen worden sei. Gerade potenzielle Umsteller aber seien auf Subventionen angewiesen. Denn diese müssen in den ersten Jahren zwar schon ökologisch wirtschaften, dürfen ihre Ware aber nur zu konventionellen Preisen verkaufen.

Biogasanlagen in Konkurrenz zum ökologischen Landbau

Der zweite Grund ist der Anbauboom bei Biomasse. "Es gibt Gegenden, wo es deutlich attraktiver ist, eine Biogasanlage zu bauen als auf ökologischen Landbau umzustellen", sagt Röhrig. Dies habe nicht nur den Nachteil, dass die Monokulturen zu Bodenerosion, Schädlingsbefall und dem vermehrten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln führe. Die starke Nachfrage habe auch höhere Preise bei der Pacht von Äckern zur Folge, so dass Bio-Bauern sich die Erweiterung ihrer Anbaufläche teils nicht leisten könnten.

Die Konsequenz: Binnen drei Jahren haben sich die Bio-Einfuhren fast verdoppelt. Besonders Gemüse, Getreide, Kartoffeln und Eier werden importiert. Sorgen um die Qualität müsse man sich aber nicht machen, sagt Elke Röder vom BNN, auch wenn natürlich niemand kriminelle Machenschaften ausschließen könne - in Deutschland wie im Ausland.

Im Normalfall gelte aber: "Es finden Kontrollen vor Ort statt in Einrichtungen, die die Zulassung für Europa haben und nach europäischem Standard kontrollieren." Alle Produkte würden zertifiziert und dann in verplombten Containern nach Europa verschifft.

Noch ein weiteres Problem macht der Branche zu schaffen: Die Gentechnik, für die bei Bio-Produkten null Toleranz gilt. "Das durchsetzt die ganzen Warenströme", klagt BÖLW-Fachmann Röhrig. "Deshalb muss ich überall Proben ziehen und mit Quarantänelagern arbeiten. In den Häfen haben wir das Problem mit Stäuben, und man muss an jeder Stelle höllisch aufpassen, dass nichts in die eigene Ware gerät."

Die Mehrkosten lassen sich laut Röhrig etwa bei gentechnisch verändertem Mais in konkrete Zahlen fassen: Der Aufschlag betrage acht bis zehn Prozent - und trifft die Öko-Hersteller genauso wie die konventionellen.