Die Korrektur der Unternehmensteuerreform entlastet die Handelsbranche kaum. Dabei ist kein anderer Wirtschaftszweig so stark von ihr betroffen.
Donnernder Applaus war dem Landespolitiker für dieses Statement auf dem "Handelsforum 2009" in Karlsruhe sicher. Denn im Saal saßen rund 400 Handelsunternehmer, viele davon wussten aus eigener Anschauung, von welchem Gift die Rede ist.
Die Last der Reform
Die mit der Unternehmensteuerreform 2008 eingeführte Hinzurechnung von Mieten und Pachten zur Gewerbesteuer trifft die Handelsbranche mehr als jeden anderen Wirtschaftszweig. Sie sollte den stets klammen Haushalten der Kommunen stabile Einkünfte auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sichern, so der Plan von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, den Vätern der Reform.Dass die Hinzurechnung von Mieten jedoch filialisierte Handelsunternehmen unverhältnismäßig belastet, übersah der Gesetzgeber schlichtweg. "Der Einzelhandel trägt die Last der Steuerreform", bilanziert Ludwig Görtz, Gründer der Schuhhandelskette Görtz.
Unergiebiger Kampf
Bereits vor Verabschiedung der Unternehmensteuerreform kämpfte der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) wie ein Löwe gegen die Pläne der großen Koalition und warnte vor den Folgen für die Branche - lange bevor die amerikanische Immobilienblase in eine weltweite Wirtschaftskrise umschlug.Jetzt, inmitten der Konjunkturflaute, zeigt der Giftzahn seine ganze Gefährlichkeit: "Die Besteuerung von Mieten im Rahmen der Gewerbesteuer wirkt sich in dem derzeitigen Umfeld krisenverschärfend aus", kritisiert Dr. Kathrin Andrae, Steuerexpertin im HDE gegenüber Der Handel. "Sie führt dazu, dass Unternehmen trotz schwacher Ertragslage einer hohen Steuerbelastung unterliegen."
Im schlimmsten Fall müssen Händler aufgrund der neuen Berechnungsgrundlagen Steuern zahlen, auch wenn sie keine Gewinne erzielen oder Verluste schreiben. Von einer "Substanzbesteuerung" sprechen Steuerfachleute in diesem Zusammenhang, da das Geld für den Fiskus aus der Firmensubstanz entnommen werden muss. Angesichts der dünnen Eigenkapitalquote im mittelständischen Handel kein leichtes Unterfangen.
Deutliche Belastung
Anfang dieses Jahres stellte der HDE eine Studie vor, in der die Wirtschafts- Prüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) die Auswirkungen der Unternehmensteuerreform für die Handelsbranche detailliert untersucht. Vor der Unternehmensteuerreform 2008 waren danach 85 Prozent der Handelsunternehmen von der Hinzurechnungsvorschrift für Mieten betroffen, nach neuem Recht sind es nun 100 Prozent. Insgesamt werden 77 Prozent der befragten Handelsunternehmen durch die Reform schlechter gestellt als zuvor.Mit seiner Kritik steht der HDE nicht allein da: Auch Hans Heinrich Driftmann, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), forderte die Abschaffung der Hinzurechnungen von Mieten zur Gewerbesteuer bei der Vorstellung des "Handelsreports 2009".
Unwirksame Korrekturen
Inzwischen hat auch die Bundesregierung erkannt, dass einige Regelungen der Unternehmensteuerreform die Abwärtsspirale der Wirtschaft beschleunigen - und entsprechende Korrekturen auf den Weg gebracht. Doch im sogenannten "Bürgerentlastungsgesetz", das am Tag des Redaktionsschlusses dieser Ausgabe (25. Mai 2009) im Finanzausschuss des Bundestages verhandelt wurde, sind nur die Themen Zinsschranke, Verlustabzug und Verlustrücktrag enthalten, von der Hinzurechnung von Mieten ist nun nicht mehr die Rede.Nicht einmal die von Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg vorgeschlagene Erhöhung des Freibetrags von 100.000 Euro auf 200.000 Euro war Gegenstand der Verhandlungen.
Vor der Bundestagswahl wird der Giftzahn der Substanzbesteuerung also wohl nicht mehr gezogen. Landeswirtschaftsminister Ernst Pfister hatte auf Nachfrage von Der Handel noch von einer "50:50-Chance" gesprochen. Realistisch betrachtet muss die Branche jedoch auf die Zeit nach dem 27. September 2009 hoffen.
Hanno Bender
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 6/2009 von Der Handel erschienen.