Schon seit einiger Zeit findet Andreas Mundt die Lage im Lebensmittelhandel verkrustet. Heute spricht der Kartellamtschef von besorgniserregend. Die Branche wird für ihn dominiert von vier Unternehmen. Und das hat Auswirkungen.
Denn je mehr die Handelsketten wachsen, desto schwächer wird in vielen Fällen die Position der Lebensmittelhersteller beim Feilschen um Preise und Rabatte. Wenn etwa Marktführer Edeka mit bis zu 30 Prozent Marktanteil mit dem Auslisten bestimmter Produkte droht, können manche Hersteller nur die Faust in der Tasche ballen - spätestens, wenn sie den einen Auftrag verloren haben und danach im Vorzimmer der anderen Handelskette stehen.
Drei Jahre lang wurde untersucht
Missbrauch sieht die Wettbewerbsbehörde etwa nach der Übernahme der Plus-Filialen durch Edeka 2009. Danach habe der Marktführer zahlreiche Lebensmittelhersteller zu Nachverhandlungen aufgefordert und erhebliche so genannte Hochzeitsrabatte verlangt, lautet der Vorwurf des Kartellamtes. Diesen Rabatten nach der Übernahme habe keine Leistung gegenübergestanden. Edeka wehrt sich gerichtlich gegen die Vorwürfe.Drei Jahre lang hat das Bundeskartellamt die Marktmacht der Ketten und das Marktverhalten der Branche untersucht: Erst in ausgewählten Produktgruppen von Tiefkühlpizza über Kaffee, Ketchup bis zu Milch und Konserven, danach per Befragung von über 200 Lebensmittelherstellern und 21 Handelsunternehmen.
Abenteuerliche Tricks
Zum Teil seien abenteuerliche Tricks für die Deklarierung von Extrazahlungen ans Licht gekommen. So seien Hersteller genötigt worden, sich an der Renovierung von Handelsfilialen finanziell zu beteiligen, berichtet das Kartellamt. "Synergie-" oder "Hochzeitsboni" seien verlangt worden; Hersteller hätten Händlern besonders lange Zahlungsziele - de facto zinsgünstige Kredite - einräumen müssen."Der Lebensmitteleinzelhandel ist hochkonzentriert. Die Marktstruktur droht sich noch weiter zu verschlechtern", resümiert die Aufsichtsbehörde. Preisdruck des mächtigen Handels auf die Lieferanten sei eine zweischneidige Sache, mahnt der Kartellamtschef. Er könne zwar im Einzelfall für niedrigere Preise sorgen - falls die Rabatte weitergegeben werden - auf Dauer gehe das aber auf die Qualität der Produkte. Außerdem wachse die Abhängigkeit der Hersteller mit geringeren Einnahmen immer mehr.
Verschlechterung der Wettwerbsverhältnisse entgegenwirken
"Die Sektoruntersuchung zeigt, dass wir einer weiteren Verschlechterung der Wettbewerbsverhältnisse konsequent entgegenwirken müssen. Die großen Handelskonzerne haben bereits jetzt einen gravierenden Vorsprung gegenüber ihren mittelständischen Konkurrenten und genießen strukturelle Vorteile, die sie in den Verhandlungen mit den Herstellern nutzen können", teilt Mundt in einem Schreiben mit.Der Verhandlungsmacht der Händler könnten im Einzelfall auch große Hersteller mit bekannten Marken ausgesetzt sein, soweit es ihnen de facto an Ausweichalternativen für den Absatz über die großen Handelsketten fehlt, betont der Kartellamtspräsident weiter. Zunehmende Bedeutung für die Verhandlungen über die Einkaufskonditionen hätten auch die Eigenmarken der Händler.
Schon vor einiger Zeit sprach Mundt von einer Verkrustung im Lebensmitteleinzelhandel.
Europaweit ist die Konzentration des Lebensmittelhandels ein großes Thema. Es gibt dazu eine "Task Force", Anfang Oktober veröffentlicht die EU eine eigene Untersuchung. Diskutiert wird in Brüssel, ob eine Selbstregulierung reicht oder gesetzliche Schranken nötig sind. Das Bundeskartellamt hält dagegen das deutsche Wettbewerbsrecht für ausreichend. Bei den vier Großen würden wegen ihrer Marktmacht aber künftig besonders strenge Kriterien angelegt, kündigte Mundt an.