Droht Deutschland eine Kreditklemme? Die Redaktion von Der Handel sprach mit KfW-Vorstand Dr. Axel Nawrath über die Wege zum Staatskredit und das Ende der Finanzkrise.
Diese Sorge ist unbegründet. Im Rahmen der Konjunkturprogramme sind bei uns aktuell rund 1.500 Kreditanträge eingegangen. 76 Prozent davon umfassen ein Kreditvolumen unterhalb von 500.000 Euro, 95 Prozent liegen unter zehn Millionen Euro. Prominente Fälle wie Opel oder Porsche sind einsame Ausreißer, die nicht darüber hinweg täuschen können, dass mit dem Sonderprogramm in erster Linie mittelständischen Unternehmen bedient werden. Sowohl von den Antragszahlen als auch vom Kreditvolumen ist der Mittelstand hervorragend vertreten.
Wie kommen denn kleine und mittlere Unternehmen an Kredite aus dem "Wirtschaftsfonds Deutschland"?
Sie sollten mit ihrer Hausbank sprechen und sich zuvor schlau machen. Dazu sollten sie unsere vielfältigen Informationsangebote nutzen, zum Beispiel im Internet, unsere telefonischen Servicenummern oder persönlich in unseren Niederlassungen.
Welche Unterlagen sind für einen Antrag konkret erforderlich?
Gerade für Kleinstunternehmen haben wir die Antragsvoraussetzungen so weit wie möglich vereinfacht. Der Antrag selbst umfasst nur wenige Seiten. Darüber hinaus benötigen wir vom Unternehmen die Bilanz oder – wenn das Unternehmen keine Bilanz erstellt – eine Gewinn- und Überschussrechnung sowie eine Liquiditätsplanung. Von der Hausbank, über die jeder Kreditantrag zu stellen ist, erhalten wir zudem automatisch eine kreditfachliche Prüfung.
Überfordert der notwendige Drei-Jahres-Finanzplan nicht viele Unternehmen, gerade in der aktuellen Situation, in der kaum jemand Prognosen für das laufende Jahr wagt?
Wir erwarten hier keine seitenlangen Ausführungen von Wirtschaftsprüfern. Es genügt, wenn der Unternehmer auf ein oder zwei Seiten plausibel darlegt, was seine Kosten- und Umsatzerwartungen sind. Wir prüfen, dem Bundeswirtschaftsministerium vorzuschlagen, die Antragsvoraussetzungen für kleine Kreditvolumina in diesem Punkt zu erleichtern und eine Ein-Jahres-Planung zuzulassen. Einen Liquiditätsplan zumindest für die nächsten zwölf Monate zu erstellen, ist auch für Kleinstunternehmer im eigenen Interesse.
Sind noch weitere Vereinfachungen geplant? In den Medien wurde kritisiert, dass die Bearbeitung der Anträge zu lange dauert.
Wir werden für Kredite mit einem Volumen unterhalb von 250.000 Euro noch weitere Erleichterungen bei den Zulassungsbedingungen und den Formalien prüfen. Das muss jedoch vom Bundeswirtschaftsministerium bewilligt werden, denn wir bewegen uns hier in einem von der EU-Kommission genehmigten Beihilfeprogramm, können also nicht frei entscheiden. Hinsichtlich der Bearbeitungszeiten hat die KfW sich sehr schnell auf die neuen Aufgaben eingestellt. Wir fahren zum Teil Wochenendschichten und entscheiden jeden Antrag innerhalb von maximal zehn Bankarbeitstagen nach Eingang aller prüfungsrelevanten Unterlagen. Von den 1.481 Anträgen, die bislang bei uns eingegangen sind, haben wir rund 1.000 bereits erledigt.
Was sind denn die häufigsten Ablehnungsgründe?
Es sind häufig formale Gründe, die zur Ablehnung führen. Die Unterlagen werden nicht vollständig beigebracht oder die Vorgaben des Bundes bezüglich Besicherung und Bonität nicht erfüllt. Wenn die Bonitätseinstufung durch die Hausbank nicht ausreichend ist, dann können wir das nicht überstimmen.
Worauf sollten die Unternehmer achten, wenn sie einen KfW-Kredit beantragen?
Die Kredite aus dem Sofortprogramm sind nicht immer die günstigste Variante. Die regulären Förderprogramme, „Unternehmerkapital“, „Unternehmerkredit“ oder die spezielle Angebote zur Energieeffizienz und umweltbezogenen Maßnahmen haben günstigere Konditionen. Unternehmer können in der Auswahl der Programme viel gestalten – beispielsweise auch in Kombination mit einer Staatsbürgschaft von den Bürgschaftsbanken. Man sollte die Spielräume nutzen und sich den eigenen optimalen Fördermix zusammenstellen. Je intensiver und proaktiver der Unternehmer sich damit beschäftigt, desto leichter wird es, die eigene Bank zu überzeugen.
Wie stark fragen Unternehmen aus der Handelsbranche Krediten aus den Sonderprogrammen nach?
Bis dato liegen uns aus dem Bereich Handel rund 250 Anträge vor. Wenn man das verarbeitende Gewerbe herausnimmt, ist die Branche damit nach der Zahl der Anträge der größte Nachfrager. Vom Volumen her ist der Groß- und Einzelhandel nach dem Wirtschaftszweig Verkehr und Nachrichtenübermittlung die zweitgrößte Branche.
In der Frühjahresumfrage des Handelsverbands HDE gaben 26 Prozent der Händler an, „Probleme zu haben, überhaupt noch einen Kredit zu bekommen“. Gibt es eine Kreditklemme in Deutschland?
Ich bin zögerlich, vorschnelle Schlüsse zu ziehen. Die Firmenkunden befinden sich ja in einem Wechselbad der Gefühle: Vor eineinhalb Jahren vergaben viele Banken großzügig billige Kredite, ohne jedwede Sicherheit. Heute sind wir in einer Situation, in der die Banken sehr risikoscheu sind und für Kredite mehr Geld und mehr Sicherheiten haben wollen. Kann man aber deshalb von einer Kreditklemme sprechen? Wenn wir die Antragszahlen im Sofortprogramm mit dem normalen Fördergeschäft vergleichen, lässt sich kein dramatischer Anstieg feststellen, der darauf schließen ließe. Großvolumige und langfristige Finanzierungen sind im derzeitigen Umfeld ohne Zweifel schwierig.
Sind die deutschen Institute denn Ihrer Einschätzung nach aus dem Gröbsten raus? Ist ein Ende der Bankkrise in Sicht?
Wir hätten keine „Bad Bank“-Diskussion, wenn die Banken ihre Kapitalmarktrisiken vollständig bereinigt hätten. Die Europäische Zentralbank hat jüngst festgehalten, dass die Finanzkrise noch längst nicht vorbei ist. Es gibt noch extreme Risiken in den Büchern und man weiß nicht, was noch auf die Banken zukommt – insofern bin ich vorsichtig. Die Bankenwelt ist noch immer von hoher Nervosität und Risikoaversion geprägt. Darauf müssen sich Unternehmer einstellen, die in Finanzierungsgespräche gehen.
Interview: Hanno Bender
Zur Person
Dr. Axel Nawrath ist seit April 2009 Vorstandsmitglied der KfW Bankengruppe und für das inländische Fördergeschäft zuständig. Zuvor war der promovierte Jurist als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium tätig. Er prägte die Unternehmen- und Erbschaftsteuerreform mit und saß dem Lenkungsausschuss vor, der die Grundsatzentscheidungen über Maßnahmen nach dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz (Soffin) trifft. Damit gehörte Nawrath zu den maßgeblichen Akteuren der Bundesregierung bei der Bewältigung der Bankenkrise.
Das Interview ist in der Juli-Ausgabe des Wirtschaftsmagazins Der Handel erschienen.