Selbst ein kleiner stationärer Händler muss heute per Mobile Marketing auf sich aufmerksam machen, sagen die Experten Birger Veit und Hagen Sexauer. Denn die jungen Kunden sind vor allem eines: mobil und spontan.

Smartphone, Foto: obs/Saturn
Smartphone, Foto: obs/Saturn
Warum sollten Einzelhändler mobiles Marketing einsetzen, um Erfolg zu haben?

Hagen Sexauer: Die klassische Internetsite wird an Relevanz verlieren. Immer mehr und vor allem junge Kunden wollen sich spontan über Geschäfte informieren, beispielsweise wenn sie sich in einer fremden Stadt aufhalten. Die bedienungsfreundlichen Smartphones erleichtern ihnen dabei die Suche.
Birger Veit: Durch das mobile Internet verändert sich das Nutzungsverhalten der Kunden. Der bisherige Schaufensterbummel wird nach und nach durch konkrete Produktsuche via Handy abgelöst. Darauf muss sich die Einzelhandelsbranche einstellen. Werbung beispielsweise in den Gelben Seiten ist viel zu teuer, veraltet – und bringt weniger Kundenkontakte als mobiles Marketing. Selbst ein kleiner stationärer Händler sollte heute via mobiles Internet mindestens mit seiner Adresse, Wegbeschreibung und Öffnungszeiten gefunden werden.

Wenn Sie schon stationäre Händler zu mobilem Marketing raten – was ist dann mit Unternehmen aus dem Bereich E-Commerce?
Veit: Für einen Onlinehändler ist es heute Pflicht, mobiles Marketing zu betreiben. Wer das unterlässt, wird keine große Zukunft mit seinem Shop haben.

Welches Konzept sollte sich ein Händler für sein mobiles Marketing zurechtlegen?
Sexauer:
Erst einmal muss er ein Ziel für seine Werbung festlegen, etwa Neukunden gewinnen. Danach sucht er sich ein Portal als Partner, der zu diesem Ziel passt. Da gibt es beispielsweise die Portale Meinestadt, Qype – oder für die Neukundenakquise Groupon. Für Bestandskundenwerbung muss die Werbung wiederum auf die entsprechende Region des Unternehmens ausgesteuert werden, was die Kosten entsprechend minimiert.

Wie hoch sind denn die Kosten?
Sexauer: In eine Kooperation mit einem der genannten Partner sollte man ein paar Tausend Euro investieren.

Mit welchen Beträgen muss ein Händler kalkulieren, wenn er sich eine App bauen will?
Sexauer:
Eine App ist teuer, und sie eignet sich nicht für jeden Anbieter. Einerseits muss sie dem Nutzer einen Mehrwert bieten. Andererseits muss der Händler darüber einen deutlichen Ertrag erzielen, damit sich die Investitionskosten von 20.000 Euro aufwärts lohnen.

Lohnt sich der finanzielle Aufwand?
Veit:
Nicht für einen kleinen oder mittelständischen Händler. Aber es gibt Sammel-Apps, in denen sich ein Unternehmen gut platzieren kann. Die App Foursquare beispielsweise schafft virtuelle Räume, in denen sich ein Händler platzieren kann. Für Kunden, die sich dann in dieser App einloggen, wird ein Unternehmen hier sichtbar. Der Händler wiederum kann dort entsprechend Produkte bewerben. Ein weiterer Weg wäre auch, wenn die Händler einer Einkaufsstraße überlegen, sich eine gemeinsame App bauen zu lassen, um sich dort als Verbund zu präsentieren. Grundsätzlich gilt für die Planung von Apps: Sie müssen so einfach wie möglich sein. Der Nutzer muss sofort nach der Installation einen Mehrwert bekommen, deswegen ist jeder technische Firlefanz zu vermeiden. Daher lautet mein Rat: Packen Sie nicht zu viele Inhalte in die App.

Klingt eigentlich einfach. Welche Fehler werden dennoch gemacht?
Veit:
Eine App, die für ein iPhone gebaut wurde, ist für ein iPad wiederum nicht zweckmäßig. Denn bei beiden Geräten sind die Umgebungssituationen unterschiedlich. Das iPhone ist für die schnelle, spontane Bedürfnisbefriedigung für unterwegs. Bei der Nutzung eines iPads nimmt man sich Zeit, entweder daheim oder im Zug. Niemand läuft mit einem iPad durch die Fußgängerzone und sucht sich ein Geschäft oder ein Produkt. Also müssen die Apps immer auf die jeweiligen Plattformen angepasst werden.

Welche mobilen Werbemöglichkeiten gibt es außer Apps?
Sexauer:
Beispielsweise die Google AdWords, die auch in mobilen Internetdiensten eingesetzt werden können. Möglich ist auch der klassische Banner auf einer mobilen Website, über den dann der Nutzer zu einem Geschäft geleitet wird.

Was ist der größte Fehler beim mobilen Marketing?
Veit:
Der Hauptfehler ist, dass Firmen versäumen, für ihr mobiles Marketing auch eine mobile Website zu bauen, auf der alle wichtigen Fakten eines Händlers sofort sichtbar werden: Adresse, Öffnungszeiten und Kontaktmöglichkeit. Ein Nutzer, der über Handywerbung auf eine reguläre Firmenwebsite geführt wird, bekommt dort Informationen, die er in diesem Moment nicht benötigt, etwa die Unternehmenshistorie oder die Namen der Mitarbeiter. Zudem sind diese Websites per Handy zu kompliziert zu bedienen. Folglich läuft die Werbung ins Leere.

Wie hoch belaufen sich die Investitionen für eine mobile Website?
Sexauer:
Für eine Seite ohne Shopping-Funktion liegen die Kosten bei einem niedrigen fünfstelligen Betrag.

Zu den Personen:
Birger Veit ist Mitgründer und Geschäftsführer der Cellular GmbH. Die Hamburger Agentur für Marketing auf mobilen Plattformen hat unter anderem die iPhone-Apps der Tagesschau und des Otto Mobile Shops gebaut.
Dr. Hagen Sexauer ist bei der Strategieberatung Sempora Experte für Kundenbeziehungsmanagement, Mobiles Internet und Social Media.

Aufgezeichnet von Steffen Gerth

Dieser Artikel ist in der Juli-Ausgabe von Der Handel erschienen. Zum kostenfreien Probeexemplar geht es hier.