Cocooning, Kochshows - der Küchenhandel hat im Jahr 2009 von einigen Trends profitiert. Die überraschendste Nachricht für die Branche war das Überleben von Küchen-Quelle.
Der Franke Warnick wird derzeit in seiner Heimatregion wie ein Volksheld verehrt. Im November 2009 schaffte er es, das Traditionsunternehmen Küchen-Quelle zu retten, gemeinsam mit Hannes Streng, Betreiber von 15 fränkischen Obi-Baumärkten, dem Küchenzubehörhersteller Alexander Fackelmann sowie Christian Bühler, Schwiegersohn von Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz.
Aus dem Quelle-Sog
Das Quartett tat sich als Investorengruppe zusammen, zog das Unternehmen aus dem Sog des untergehenden Versandhauses Quelle und gründete den Küchenzweig neu. Warnick ist jetzt nicht nur alter und neuer Geschäftsführer – sondern auch Teilhaber des Unternehmens.150 Jobs am Sitz in Fürth wurden damit gerettet. Indirekt sind es aber fast 1.000 Stellen bundesweit, weil auch Zuliefer- und Montagebetriebe weiter für Küchen-Quelle arbeiten können – erfolgreich, wenn Warnicks Pläne aufgehen. Für 2010, das erste Jahr nach dem Neustart, "werden wir mit etwa 60 Millionen Euro Umsatz loslegen", kalkuliert der Chef. Mittelfristig soll sein Unternehmen einen Jahresumsatz von 100 Millionen Euro erzielen, sagt er im Gespräch mit Der Handel.
MHK verliert im Ausland
Etwa eine Million Einbauküchen werden pro Jahr in Deutschland verkauft, sagen Branchenexperten wie Warnick und Thomas Greve, Vorstand der Verbundgruppe Küchenpartner. Trotz Wirtschaftskrise – die Branche erzielte auch 2009 ordentliche Umsätze. Greve nennt im Gespräch mit Der Handel ein Plus im Vergleich zum Vorjahr von etwa 3 Pro-zent. Im Jahr 2008 hatte Küchenpartner 107 Millionen Euro umgesetzt.Greve begründet den Umsatzanstieg im vorigen Jahr mit 17 neuen Mitgliedsbetrieben der Kooperation, die mittlerweile 217 Unternehmen umfasst. Diese Zuwächse raus-gerechnet hätte seine Gruppe allerdings einen Umsatzrückgang von gut 8 Prozent zu verzeichnen. Und mit diesem Minus liege seine Kooperation auch im Branchentrend, schätzt Greve.
Doch bei der größten Küchen-Verbundgruppe MHK Group fällt die Bilanz für 2009 gut aus. Nach einem starken Vorjahr mit 8,85 Prozent Umsatzwachstum auf 3,101 Milliarden Euro im In- und Ausland waren im ersten Quartal 2009 die Umsätze zwar um 1,6 Prozent zurückgegangen. Vorstandschef Hans Strothoff sagt, dass "die Wirtschaftskrise die Auslandsmärkte überdurchschnittlich hart getroffen hat".
Gute Lage im Inland
Allerdings könnten diese Negativergebnisse von der guten Lage auf den Inlandsmärkten kompensiert werden. "Die Stimmung unter den MHK-Händlern ist positiv", sagt Strothoff, "Umsätze und Rendite stimmen." Ein Grund dafür sei das verbesserte Angebot für Werbemaßnahmen für die Mitgliedsfirmen (in Deutschland etwa 1.250). "Jene Partner, die dieses Angebot nutzen, hatten im zurückliegenden Jahr ein Umsatzplus von 2,6 Prozent", betont der MHK-Chef.Zwei Trends des Jahres 2009 halfen dem Küchenhandel: die Rückkehr der Verbraucher zur Häuslichkeit, von Trendforschern Cocooning genannt. Sowie die Inflation von Kochshows im Fernsehen. Die Dresdner Händlerin Kathrin Mittag spürt die Folgen des Koch-Booms im TV, wenn die Kunden in ihrem Geschäft nach den gleichen Accessoires fragen, die am Fernsehabend zuvor von den Sterneküchen benutzt worden sind.
„Augen zu und durch“
Cathrin Mittag klagt allerdings, dass die Verbraucher im Jahr 2009 wegen der Abwrackprämie lieber neue Autos, statt neuer Küchen gekauft hätten. "Am Anfang des vergangen Jahres herrschte bei uns im Geschäft große Verunsicherung. Augen zu und durch, war dann die Devise."Wenn die Dresdner Küchenfachhändlerin zu Der Handel sagt, dass sie ihr Geschäft mit Angeboten für Kochkurse noch kundenorientierter gestalten will, dann dürfte sie damit bei Hans Strothoff auf offene Ohren stoßen. Der MHK-Chef beklagt schlechten Kundenservice im deutschen Küchenhandel. "Nicht alle Händler haben die nötige Dienstleistungsqualität.“
Küchen-Quelle schickt Verkaufsbrater
Für Küchen-Quelle soll dieser Vorwurf freilich nicht gelten. 75 Verkaufsberater in ganz Deutschland sollen die Kunden per Termin in deren eigenen vier Wänden beim Küchenkauf beraten, kündigt Geschäftsführer Warnick an. "Diese Fachleute kommen dann mit Notebook und Winkelmessgeräten in die Wohnung." Mit diesem Vor-Ort-Service will sich Küchen-Quelle von der Konkurrenz abheben.Ein wichtiger Vertriebskanal ist zudem die eigene Internetsite, über die laut Warnick bisher gut 40 Prozent der Küchen verkauft werden. Zudem prüft das Haus Kooperationen mit Versand-häusern, die bisher noch keine Küchen im Sortiment haben. Ob hier beispielsweise eine Zusammenarbeit mit Witt in Weiden in Frage komme, mag Warnick nicht verraten. "Wir sind aber offen für alle Partner", sagt er.
Energiesparen der Trend
Für das Jahr 2010 ist Küchenpartner-Chef Greve "verhalten optimistisch". Verblüfft registrierte er unmittelbar nach der Bundestagswahl 2009 verstärkte Auftragseingänge bei den Händlern seiner Kooperation. Greve setzt auf die "Mitte". "Die wird gerne totgesagt, lebt aber besser als je zuvor." Seine Zielgruppe sind gut verdienende Verbraucher wie Lehrer oder mittlere Beamte, die ihr Geld nicht in Börsengeschäften investieren und deswegen auch in der Finanzkrise keine Verluste hinnehmen mussten. "Diese Leute sind die Stütze des Konsums", sagt der Verbundgruppenchef.Die großen Chancen der Branche liegen für Greve zudem im Ersatzteilhandel. Schließlich wolle nicht jeder Kunde, der einen defekten Geschirrspüler gleich eine komplett neue Küche kaufen. Aber: "Jeder dritte Ersatzkauf endet wiederum mit der Bestellung einer neuen Küche."
Für MHK-Vorstandschef Strothoff ist darüber hinaus Energiesparen ein immer wichtigeres Verkaufsargument. Zudem werde das Thema „Kochen wie die Profis" immer interessanter. Hochwertige Kochgeräte wie Dampfgarer würden immer beliebter, hat Strothoff beobachtet. Thomas Greve jedenfalls, macht ähnliche Erfahrungen: Seine Frau hat sich bereits so ein Gerät bestellt.
Der Artikel erscheint in der Januar-Ausgabe von Der Handel
Küchen-Einkaufsverbände
1 MHK 1.347 Partner in Deutschland; 664 im Ausland2 Der Kreis 2.041 Mitglieder/Verkaufsstellen europaweit
3 Küchen Profi Center 622 Mitglieder/Verkaufsstellen
4 Der Küchenring 385 Mitglieder
5 Europa-Möbel-Verbund 382 Küchen-Lizenzpartner