An diesem Donnerstag wird der Karstadt-Aufsichtsrat voraussichtlich weitreichende Entscheidungen treffen. Das Gremium dürfte Stephan Fanderl zum neuen Geschäftsführer küren - und eine neue Unternehmensstrategie verabschieden.

Drei Monate nach dem überraschenden Abgang von Eva-Lotta Sjöstedt brauchen die tief in der Krise steckenden Karstadt-Warenhäuser eine neue Führung. Bei der für diesen Donnerstagnachmittag angesetzten Sitzung des Aufsichtsrats des Unternehmens könnte nach Medienberichten eine Lösung gefunden und ein neuer Chef der Essener Warenhauskette installiert werden.

Einziger Kandidat für den derzeit wohl schwierigsten Job im deutschen Einzelhandel ist den Berichten zufolge der bisherige Karstadt-Aufsichtsratschef Stephan Fanderl. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür zunächst noch nicht.

Es gibt viel zu tun

Sicher ist hingegen: Die Aufgaben, die vor dem neuen Karstadt-Chef liegen, sind gewaltig. Der Konzern muss tiefgreifend umgebaut, die Marke wieder aufpoliert werden. Und die Mitarbeiter müssen neue Motivation spüren. Erschwert werden all diese Aufgaben noch durch das teilweise unglückliche Agieren der Vorgänger.

So hatte der noch unter der Regie des mittlerweile wieder abgetretenen Karstadt-Eigners Nicolas Berggruen zum Chef berufene frühere Woolworth-Manager Andrew Jennings drei Jahre lang vergeblich versucht, Karstadt ein neues Image zu verpassen. Mit internationalen Modemarken wollte er verstärkt junges Publikum erreichen. Das hat eher nicht funktioniert.

Dem Briten folgte Anfang dieses Jahres die ehemalige Ikea-Managerin Sjöstedt, die viel Aufbruchstimmung verbreitete, Lob von Experten und Mitarbeitern einheimste - aber schon nach wenigen Monaten im Sommer entnervt aufgab. Die Schwedin stellte ernüchtert fest, "dass die Voraussetzungen für den von mir angestrebten Weg nicht mehr gegeben sind". 

Harte Sanierung steht bevor

Derzeitiger Interimschef des Unternehmens ist Finanzvorstand Miguel Müllenbach. Er nutzte in dieser Woche die Gelegenheit, die rund 17.000 Karstadt-Beschäftigten per Brief auf eine harte Sanierung einzustimmen.

Sollte Fanderl tatsächlich vom Aufsichtsratsvorsitz auf den Chefsessel wechseln, wäre dies ein ungewöhnlicher Schritt. Ungewöhnlich, aber nicht beispiellos: Ausgerechnet beim einstigen Karstadt-Mutterkonzern Arcandor/KarstadtQuelle gab es vor knapp einem Jahrzehnt eine ähnliche Konstellation, als Thomas Middelhoff den Posten des Oberkontrolleurs räumte und in die Rolle des Vorstandsvorsitzenden schlüpfte. Gerettet hat dies den Konzern damals allerdings nicht.

Fanderl, Keil

Andererseits gilt Fanderl als erfahrener Handelsexperte. Berufserfahrung sammelte er unter anderem als Vorstandsmitglied der Kölner Rewe-Gruppe und beim US-Handelskonzern Wal Mart. Sollte Fanderl Karstadt-Chef werden, gilt Wolfram Keil - Geschäftsführer der Firma Signa Retail GmbH des neuen Karstadt-Eigners René Benko - derzeit als chancenreicher Kandidat für die Nachfolge an der Aufsichtsratsspitze. Keil hat sich als kompromissloser Sanierer einen Namen gemacht.

Der Druck auf den neuen Chef wird auf jeden Fall groß sein. Bereits vor der Sitzung des Aufsichtsrats forderte die Gewerkschaft Verdi die Vorlage einer schlüssigen Strategie. "Dem Sanierungskonzept fehlt noch ein roter Faden, wie die Zukunftsfähigkeit von Karstadt gesichert werden soll. Ohne Zukunftsperspektive gibt es aber keinen Sanierungstarifvertrag", stellte Verdi-Aufsichtsratsmitglied Arno Peukes fest.

Verdi will "personelle Klarheit"

Damit hänge auch die Auswahl eines passenden Geschäftsführers direkt zusammen, erklärte der Gewerkschafter im Berliner "Tagesspiegel": "Wir wollen auch personelle Klarheit. (...) Für uns ist die Personalfrage nicht von den Sachfragen zu trennen."

Experten wie der ehemalige Karstadt-Manager Gerd Hessert (heute unter anderem Lehrbeauftragter für Handelsmanagement an der Universität Leipzig) mahnen ein Ende des Wartens an: "Benko ist sicher kein weißer Ritter, der Karstadt retten will. Er hat seine eigenen Interessen. Aber wenn dabei Karstadt doch noch gerettet werden kann, sollten wir froh sein."

Es braucht Geld, viel Geld

Doch für eine Rettung ist auch viel Geld notwendig. Handelsexperte Gerrit Heinemann, Professor an der Hochschule Niederrhein, schätzt den Investitionsstau bei Karstadt auf mindestens 1,5 Milliarden Euro. Soviel Geld wäre nach seiner Auffassung nötig, um das Unternehmen zukunftsfähig auszurichten.

Sein Kollege Jörg Funder von der Fachhochschule Worms beklagt hingegen mangelhafte IT-Infrastruktur bei Karstadt. Dadurch sei die Steuerung der Warenbestände erschwert worden. Die Warenhäuser wüssten nicht: Was verkauft sich gut, was nicht?

Der neue Karstadt-Chef hat viel Arbeit vor sich. Er steht vor der schwierigsten Aufgabe im deutschen Einzelhandel.