Laden-TV gewinnt an Bedeutung: Immer mehr Händler testen elektronische POS-Medien. Der Erfolg ist aber alles andere als programmiert.

Ein modernes Marketinginstrument zum erschwinglichen Preis ist einen Versuch wert - nach diesem Motto testen immer mehr Handelsunternehmen, quer über die Branchen, die digitale Werbung am Point of Sale.
 
Einer Untersuchung des EHI Retail Institute zufolge planen über ein Drittel aller befragten Handelsbetriebe in nächster Zukunft den Einsatz von LCD- oder Plasmabildschirmen in ihren Filialen. Auch elektronische Plakate und Kiosksysteme stoßen auf Interesse.

„Multimediales Merchandising ist nicht nur ein Trend, sondern ein Erfolgsrezept”, konstatiert Helmut Sartorius, Geschäftsführer der Visual Merchandising Initiative - einem Zusammenschluss verschiedener Firmen zur Förderung der neuen Techniken.

Doch ein Selbstläufer sind die digitalen POS-Medien auf gar keinen Fall. „Nur deren intelligente Integration in ein schlüssiges, ganzheitliches und strikt kundenorientiertes POS-Kommunikationskonzept verspricht Erfolg”, meint Philipp Menzel, Berater mit langjähriger Digital-Signage-Erfahrung. Für das vollständige Interview klicken Sie hier.

Werblicher Overkill droht

Ein solches Konzept beginnt mit der Frage, wann für den Verbraucher eigentlich die Grenze der werblichen Reizbeflutung erreicht ist. Denn die Kunden verfügen über gesunde Abwehrmechanismen gegenüber der Werbung. In der Regel selektieren sie die werblichen Anreize auf ihre Relevanz hin - was nicht passt, wird einfach ausgeblendet
 
Stephan Grünewald, Geschäftsführer des Kölner Rheingold-Instituts für qualitative Markt- und Medienanalysen: „Der Overkill droht immer dann, wenn Werbung zu dominant und aggressiv auftritt und die frei schwebende Aufmerksamkeit des Shoppers torpediert.”

Lang, laut, langweilig: Wer als Händler mit derartigen Werbespots arbeitet, geht ein hohes Risiko ein. Denn Einkauf dient schließlich nicht nur der Bevorratung, sondern auch der Sinnsuche. Die Shopper wollen kein plumpes werbliches Trommeln, sondern Inspiration. „Digitale Werbung am POS sollte die Suchbewegungen und Erlebniswünsche der Verbraucher aufgreifen”, sagt Konsumpsychologe Grünewald.

Das gelingt, wenn zum Beispiel am Knorr-Regal per Spot gezeigt wird, wie man eine schnelle, aber inspirierte Familienspeisung auf die Beine stellen kann. Oder indem am Kosmetikregal die duftenden Verwandlungswünsche der Frauen in traumhaften Bildern inszeniert werden. Grünewald: „Die Verbraucher suchen Lebensbilder auf, die helfen, den eigenen Alltag zu verschönern und zu verzaubern. Genau solche Lebensbilder sollten unaufdringliche Werbespots am POS liefern.”

Achtung: Fehler vermeiden

„Der Content ist die Herausforderung", betont auch Norbert Wittmann, Vorstandsvorsitzender der Gruppe Nymphenburg, das Münchener Beratungsunternehmen mit Schwerpunkt POS-Marketing.

Bei der Begleitung, Begutachtung und Effizienzprüfung von Digital-Signage-Projekten stößt Wittmann immer wieder auf simple handwerkliche Fehler wie schlechte Bildauflösung, falsche Platzierung der Monitore im Kundenlauf und im Sortimentsumfeld, falsche Entfernung, falsche Höhe, zu hohe Lautstärke. Viel gravierender aber sind die Programmschwächen.

Wer Monitore oder Kioske als elektronische Plakathalter benutzt, so der Experte, kann zwar kurzfristig starke Reize auslösen, langweilt die Kunden aber nach einiger Zeit oder löst sogar massiv ablehnende Reaktionen aus. „Die Fragen, die der Händler beantworten muss, lauten: Will ich Stimmung erzeugen? Will ich animieren? Will ich informieren? Auf welche Art und Weise will ich die Kunden kauffreudig stimmen? Wie integriere ich das Medium in meine generelle kommunikative Konzeption?”

Sinnvoll ist also nicht die Endlos-Schleife mit Industriewerbung, sondern Spots mit dezent animierenden, intelligent informierenden, vertrauens- und imagebildenden Inhalten. Globetrotter, Dodenhof, Edeka Preiss, Rewe Nüsken, aber auch die T-Punkte oder die Shops der Swisscom: Dies sind für Experte Wittmann einige Beispiele für intelligente, langfristig tragfähige Digital-Signage-Konzepte.

Neue Medien schaffen Vertrauen

Der Gießener Edeka-Händler Steffen Preiss setzt auf den Vertrauenseffekt: In seinem Supermarkt können die Kunden per „Theken-TV” an der Fleischtheke verfolgen, wie gerade ihr Cordon bleu zubereitet wird. Preiss: „Erst die Einzigartigkeit einer Live-Übertragung aus der Küche an die Theke macht unser Leistungsangebot für unseren Kunden erlebbar. Außerdem ist es natürlich vertrauensbildend, wenn Kunden zusehen können, wie ihre Artikel zubereitet werden.”

Ein weiteres erfolgreiches Beispiel liefert der Rewe-Händler Markus Nüsken in Soest: In seinen Märkten laufen zwar Werbespots, aber auch Kochshows, Rezepttipps und Informationen über regionale Veranstaltungen - Inhalte, die variieren und die dem Kunden immer wieder neue Anregungen geben.

Das ist aufwendiger als das Abspielen von Industrieware. „Doch Digital Signage ist nun mal ein sehr mühseliges Geschäft, mit dem kein schneller Euro zu machen ist”, so Nymphenburg-Chef Wittmann. Reine Produktwerbung kann zwar kurzfristig erstaunlich hohe Abverkaufseffekte bringen - davon profitiert jedoch womöglich nur der jeweilige Hersteller. Denn es gilt für den Händler, die Substitutionseffekte einzurechnen.

Verzichtet ein Kunde auf den geplanten Erwerb eines vergleichbaren Artikels, wenn er auf digitale Produktwerbung reagiert? Die Zusatz-Umsatzbilanz des Händlers sieht dann deutlich anders aus als jene des Herstellers. Experte Wittmann: „Wer den Umsatzeffekt digitaler Werbung nur auf Produkt- und nicht auch auf Warengruppen-Ebene untersucht, lügt sich in die eigene Tasche.”

Klaus Manz