Ist es Aufgabe der Kommunen, dem stationären Handel bei der Digitalisierung zu helfen? Es schadet jedenfalls nicht, ganz im Gegenteil: In Bremen helfen Digitallotsen Geschäftsleuten bei der Profilierung. Und tragen so zum Überleben der Läden in der City bei. Wir haben mit der Unternehmerin Birgitta Schulze van Loon über das Konzept gesprochen.

Die Wirtschaftsförderung Bremen unterstützt mit ihren Digitallotsen den stationären Einzelhandel, Gastronomie und Touristikbranche vor Ort. Das Angebot ist kostenlos und niedrigschwellig und erleichtert die ersten Schritte, sprich: Hilfe zur Selbsthilfe. Birgitta Schulze van Loon ist Inhaberin von Piekfeine Brände, Distillery, Tastillery und Shop in Bremen, der nach eigenen Angaben einzigen Brennerei im Bundesland Bremen und der einzigen Premium-Brennerei in Norddeutschland, ihre Spirituosen verkauft sie stationär, online und im Großhandel. Obgelich sie also längst im E-Commerce tätig ist, hat sie sich Unterstützung geholt: Ein Digitallotse der Wirtschaftsförderung Bremen betreut sie gemeinsam mit dem Team des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Bremen.

Wie haben Sie von den Digital-Lotsen gehört?
Ich hatte mich im September an die Handelskammer gewandt, weil ich Unterstützung im Rahmen des Bundesprojekts „Digital jetzt“ gesucht habe. Die Handelskammer hat den Kontakt zu den Bremer Digitallotsen hergestellt.

Sie sind ja schon seit einiger Zeit aktiv. Welches konkrete Problem wollen Sie mit Unterstützung der Digitallotsen beheben?
Ich bin im neunten Geschäftsjahr. Ich habe eine Website und einen Webshop, der ist aber entsprechend alt. Die Ansprüche an eine moderne Website werden nicht erfüllt. Der Shop ist nicht für mobile Medien optimiert, er ist nicht responsive. Das will ich ändern.

Vor Corona hatte das Thema nicht so eine große Bedeutung. Wir haben viel an die Gastronomie geliefert. Als das im Lockdown wegfiel, merkten wir, wie online mehr bestellt wurde. Und heute nutzen die Kunden immer häufiger Handy und iPad. Also war klar, es ist höchste Zeit, das anzugehen.
Im Shop der Brennerei
© Piekfeine Brände
Im Shop der Brennerei

Aber es geht um mehr als die Website und den Shop, der Relaunch ist eingebettet in einen größeren digitalen Plan. Wir haben ja auch Veranstaltungsgeschäft und hier Tickets und Gutscheine. Das wurde bislang alles händisch bearbeitet: Gutscheine wurden eingetragen in Listen und bei Einlösung wieder ausgetragen. Das soll digitalisiert werden.

Aber es geht noch weiter – unsere beiden Shops sollen in das Warenwirtschaftssystem integriert werden.

Sie haben Ihre Anforderungen sehr umfassend definiert. Wie war die Zusammenarbeit mit den Digitallotsen?
Sie haben mich bei der Antragstellung für das Bundesprogramm „Digital jetzt“ unterstützt. Sie haben sehr gezielt nachgefragt, wollten meine Abläufe verstehen und meinen Bedarf beurteilen. Dann haben sie Hinweise und Tipps gegegeben. Sie haben auch auf die Kalkulation geschaut. Das war sehr hilfreich.

Und jetzt warten Sie auf Genehmigung?
Erstmal musste ich den Antrag überhaupt einreichen können! Die Nachfrage ist groß. Man muss sich registrieren lassen. Das haben wir schon vor Wochen gemacht. Das läuft dann so, dass jeden Monat kurz ein Zeitfenster aufgeht und der Antrag eingereicht werden kann. Maximal 220 Anträge werden zur Bearbeitung angenommen, dann schließt das Fenster wieder. Wer nicht abgeben konnte, muss warten.

So verschiebt sich das immer weiter nach hinten. Denn vor Antragsabgabe beziehungsweise Bewilligung der Förderung darf man das Projekt nicht beginnen. Der nächste Termin war am 2.11. Da hatten wir Glück, sonst hätten wir für einen weiteren Monat in die Röhre geguckt. Eigentlich wollten wir den Webshop zum Weihnachstgeschäft offen haben, aber das wird nichts.

Die Digital-Lotsen sind sehr interessiert am Projekt und wollen wissen, wie es weiter geht. Das Gefühl, begleitet zu werden, ist gut.

Birgitta Schulze van Loon

Die Verfahren werden oft als sehr bürokratisch kritisiert.
Man kann den Antrag nur digital ausfüllen und nicht in einem anderen Format auf seinem eigenen Rechner abspeichern. Ich habe alle Antworten kopiert und in ein Worddokument übertragen, dann mit einem Bekannten durchgesprochen und zurück übertragen. Das Verfahren ist nicht sehr gut.

Wie beurteilen Sie die Arbeit der Digitallotsen?
Es ist klasse, dass es sowas gibt! Die Digitallotsen sind sehr interessiert am Projekt und wollen wissen, wie es weiter geht. Das Gefühl, begleitet zu werden, ist gut.

Beim Innenstadt-Gipfel von Wirtschaftsminister Altmaier wurde im Zusammenhang mit Digitalisierung viel über Geld gesprochen. Was ist für Sie wichtiger – Geld oder Knowhow?
Geld! Wir werden ja mit einer Agentur zusammenarbeiten, die uns das umsetzt. Wir fangen nicht bei Null an. Da ist es schon eine große Hilfe, wenn 50% der Kosten übernommen werden! Wir haben ein Projektvolumen von etwa 50.000 Euro kalkuliert.

Wie finden Sie die Agentur?
Wir arbeiten mit dem offenen Warenwirtschaftssystem von JTL. Das ist momentan in unserer Struktur etwas angehängt, wir wollen es umfassender integrieren. Es gibt von JTL zertifizierte Agenturen. Von einem JTL-Nutzer wurde uns eine Agentur empfohlen, eine zweite schauen wir uns an. Aber wir müssen warten, wir dürfen ja noch keinen Auftrag erteilen.

Was sind Ihre Erwartungen, wenn Ihr Konzept umgesetzt ist?
Zum einen Umsatzwachstum. Aber auch mehr Transparenz: Wir wollen mit den Daten mehr anfangen können, für unsere Prozesse besser Schlüsse ziehen. Die Lagerwirtschaft soll sich verbessern, unser Kassensystem auch auf Messen und Märkten so eingesetzt werden können, dass wir nicht zuhause wieder alle Buchungen übertragen müssen. Es geht darum, effizienter zu arbeiten!