dm Drogeriemarkt-Chef Erich Harsch im Interview über ärgerliche Funklöcher, Sinn oder Unsinn bei der Automatisierung und Vorsicht bei Prognosen zur Zukunft.
Deutschland bleibt digital weiter abgehängt. Die formulierten Ziele der Bundesregierung, spätestens 2025 mit Gigabitnetzen die beste digitale Infrastruktur der Welt in Deutschland zur Verfügung zu haben, können nicht erfüllt werden.
Die mangelhafte Infrastruktur gefährdet laut dm Drogeriemarkt-Chef Erich Harsch den Standort Deutschland: "Für mich ist es ein großer Skandal, wie es sich die reiche Nation Deutschland erlauben kann, die technologische Infrastruktur so stiefmütterlich zu handhaben", sagt er in der Mai-Ausgabe des Wirtschaftsmagazins Der Handel. → Jetzt im E-Paper lesen "Tatsächliche, also flächendeckende, lückenlose Verfügbarkeit"
"Es gibt immer noch Funklöcher. Das ist skandalös. Seit acht Jahren reden Politiker darüber, dass sie etwas für die digitale Infrastruktur tun müssen. Aber wenn man auf das faktische Ergebnis sieht, passiert entschieden zu wenig. Diese sträflichen Unterlassungen gefährden unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit."
Von der aktuellen 5G-Versteigerung wünscht er sich "vor allem die tatsächliche, also flächendeckende, lückenlose Verfügbarkeit", so Harsch. "Wenn ich mir überlege, wie viele Menschen in Deutschland herumfahren und die Straßenzustände kontrollieren. Wenn nur ein Zehntel davon die digitale Infrastruktur checken und Impulse geben würden, wo nachgebessert werden muss, wäre das Problem gelöst."
Ein anderes Beispiel seien elektronische Preisetiketten, "die gibt es schon seit 30 Jahren. Doch sie haben sich in der Breite nicht durchgesetzt. Unsere Preise ändern sich nicht so schnell. Wann immer wir auf das Thema geschaut haben, kamen wir zu dem Schluss, dass wir keine solchen Preisetiketten brauchen. Gleiches gilt für den Dash-Botton, für automatische Onlinebestellung. Die Fachwelt hat sich sofort dafür begeistert, die Kunden haben aber nicht darauf gewartet."Amazon Go: "Das sind keine Verkäufer, das sind Techniker."

Den Kundenwünschen einen Schritt voraus
Auch bei der Werbestrategie orientiere sich dm Drogeriemarkt am Kunden: "Die Frage, was unsere Kunden tatsächlich interessiert, beschäftigt uns verstärkt seit Ende der 1990er Jahre, als wir zwar noch keine Kundenkarte hatten, aber unsere nationale Werbestrategie von klassischer Werbung in den Printmedien auf personalisierte Dialogpost direkt an die Haushalte umgestellt hatten. Wenn Sie eine bevorzugte Einkaufsstätte sein wollen, dann ist es eine spannende Aufgabe, am Puls der Zeit zu bleiben und auch den Kundenwünschen einen Schritt voraus zu sein."
Bewusster Konsum
Grundsätzlich werde der Kunde immer anspruchsvoller, zum Beispiel was die Qualität und die Verfügbarkeit von Ware angeht. „Also muss der Händler seine Prozesse im Griff haben", stellt Harsch klar. "Zudem haben sich Themen wie bewussten Konsum und nachhaltiges Wirtschaften etabliert. Viele Menschen legen Wert darauf, dass mit ihrem Einkaufsbeitrag vernünftige Lösungen gefunden werden, die den Menschen dienen und die Umwelt schonen. Wir haben bereits vor zehn Jahren unsere Stabsstelle "Nachhaltigkeit" aufgelöst, damit sich jedes Ressort und auch die Kolleginnen und Kollegen in den Regionen um die Veranlagung nachhaltigen Wirtschaftens kümmern – auch IT oder Logistik."
Keine Betroffene, sondern Beteiligte
Das gelinge, weil es keine Betroffenen gibt, sondern Beteiligte: "Was für unsere Kollegen gilt, gilt ebenso für unsere Kunden. Der Dialog über unser Servicecenter, aber auch über die digitalen sozialen Netzwerke, ermöglicht eine viel größere Kundennähe und eben auch eine Einflussnahme der Kunden auf unser Sortiment und unsere Services," so Harsch.
Wie die Digitalisierungsstrategie von dm Drogeriemarkt aussieht, können Sie in der Mai-Ausgabe von Der Handel nachlesen. → Jetzt im E-Paper lesen
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