Der deutsche Daniel Dübeltrieb wird an Silvester 90 Jahre alt: Artur Fischer hat den Spreizdübel aus Kunststoff erfunden und somit festen Halt in deutsche Haushalte gebracht.

„Jede Erfindung muss den Menschen dienen“: Diese Grundüberzeugung hat  Artur Fischer über Jahrzehnte hinweg zu immer neuen Ideen und Innovationen getrieben. Nicht die technische Berechnung, sondern die kreative Eingebung bei der Suche nach der Lösung für ein Alltagsproblem stand am Anfang der meisten Erfindungen, die Artur Fischer auf den Weg gebracht hat. „Viele Ideen“, hat er einmal verraten, „sind mir morgens unter der Dusche eingefallen.“

Mehr als 1.100 Erfindungen hat Artur Fischer in den vergangenen 60 Jahren angemeldet. Mit 570 erteilten Schutzrechten allein in Deutschland zählt er zu den einflussreichsten Tüftlern des Landes und wird auch schon mal „Herr der Patente“ genannt. Zu seinen wichtigsten Erfindungen zählen das Synchronblitzlichtgerät (1949), der Nylon-Spreizdübel (S-Dübel oder „fischer-Dübel“, 1958), die Hinterschnittverankerung in Beton, ein Dübel zur Fixierung von Knochenbrüchen und das Konstruktionsspielzeug fischertechnik – ursprünglich entwickelt als Weihnachtsgeschenk für die Kinder der Geschäftsfreunde (1965). Noch in den 90er Jahren brachte er – zunächst in Eigenregie – Artur Fischer TiP auf den Markt, ein kompostierbares Kreativspielzeug aus Kartoffelstärke, das heute als fischerTiP zu fischertechnik gehört.

Gelernter Schlosser

1919 im Schwarzwalddorf Tumlingen als Sohn eines Schneiders geboren, absolvierte Artur Fischer in den 30er Jahren eine Schlosserlehre in Stuttgart. Nach Kriegseinsatz und Gefangenschaft kehrte er 1946 in sein Heimatdorf zurück, wo er im Folgejahr heiratete. 1948 gründete er im Nachbardorf Hörschweiler einen Ein-Mann-Werkstattbetrieb. Mit Webstuhlschaltern und elektrischen Glühzündern – Streichhölzer waren damals Mangelware – ging er bei den benachbarten Bauern hausieren. Als Gegenleistung gab es meist Brot, Butter und Speck, die Artur Fischer wiederum gegen neues Werkzeug eintauschte.

Noch im selben Jahr legte eines jener Alltagsprobleme den Grundstein für Artur Fischers erste Bahn brechende Erfindung. Eine Fotografin hatte sich geweigert, in der niedrigen Fischerschen Mansardenwohnung mit dem herkömmlichen Magnesiumblitzlichtbeutel mit Zündschnur ein Foto von der frisch geborenen Tochter zu machen – was den Erfindergeister in Artur Fischer entfachte. Monate später hatte er das Patent für das erste Synchronblitzlichtgerät in der Tasche, das mit einem Spezialauslöser gleichzeitig den Kameraverschluss betätigte. Und bereits 1950 hatte der Agfa-Konzern angebissen und einen Großauftrag erteilt, der den kleinen Werkstattbetrieb in Rekordzeit zu einer Fabrik mit mehr als 100 Beschäftigten katapultierte, die nach Tumlingen umgezogen war.

Suche nach sicherem Halt

Seinen wohl bedeutendsten Einfall hatte Artur Fischer an einem Samstag im Jahr 1958, als er in seiner Werkstatt stand und nach einer befriedigenden Lösung suchte, um Schrauben in Wänden sicheren Halt zu geben. Die herkömmliche Methode, ein Loch in die Wand zu schlagen, einen Holzklotz einzugipsen und zu warten, bis man eine Holzschraube hineindrehen konnte, war ihm viel zu umständlich. Bereits auf dem Markt befindliche Produkte genügten nicht seinen hohen Ansprüchen.

Also begann er, mit der Feile ein Rundstück aus Polyamid (Nylon) so lange zu bearbeiten, bis er fertig war: Der „über einen Teil seiner Länge geschlitzte zylinderförmige Spreizdübel, dessen vorderes Ende mit sägezahnförmigen Einschnitten versehen ist“, wie es in der Patentschrift hieß. Der Markterfolg war überwältigend und legte den Grundstein für den neuen Geschäftsbereich Befestigungstechnik, der schnell zum wichtigsten Standbein von fischer avancierte.

Bis Ende der 70er Jahre entwickelte sich das Familienunternehmen fischer unter Artur Fischers Regie zu einem namhaften Mittelständler mit 1.480 Mitarbeitern, umgerechnet 80 Millionen Euro Umsatz und ersten Auslandsniederlassungen. Die Marke fischer etablierte sich als Synonym für Befestigungslösungen.

Sohn trat Firmennachfolge an

Am 1. Januar 1980, einen Tag nach seinem 60. Geburtstag, legte er die Verantwortung in die Hände seines damals 29-jährigen Sohnes Klaus. Dieser entwickelte den Familienbetrieb zielstrebig weiter. „Mein Vater hat dieses Unternehmen aus dem Nichts aufgebaut. Seine Erfindungen haben den Grundstein gelegt für eine seit nunmehr 60 Jahren anhaltende erfolgreiche Entwicklung und die immense Popularität unseres Markennamens“, hebt Klaus Fischer die Gründungsleistung seines Vaters hervor.

Und der Jubilar zeigt sich hochzufrieden darüber, wie sich das von ihm gegründete Unternehmen weiterentwickelt hat: „Meinem Sohn ist es gelungen, die Modernisierung und die Internationalisierung der Firma voranzutreiben und sie auf neue Herausforderungen vorzubereiten. Und auch die Innovationskraft hat er erhalten.“ Aus der Belegschaft kommen heute jährlich 14,41 Patentanmeldungen pro 1.000 Mitarbeiter. Der Industriedurchschnitt liegt bei 0,57. Damit liegt fischer unter den Patentanmeldern in Deutschland auf Rang 3.

Zahlreiche Auszeichnungen

Für seine erfinderischen und unternehmerischen Leistungen hat Artur Fischer zahlreiche Auszeichnungen erhalten: Professur des Landes Baden-Württemberg, zwei Ehrendoktortitel, Ehrensenator der Universität Stuttgart, Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband (2006), zuletzt den Deutschen Gründerpreis für sein Lebenswerk (2009). 1991 war er mit der höchsten deutschen Technikerauszeichnung gewürdigt worden. Als 27. Träger erhielt er als erster Nicht-Akademiker den Werner-von-Siemens-Ring. Um Innovationen zu fördern, rief er 2001 gemeinsam mit der Landesstiftung Baden-Württemberg den „Artur Fischer Erfinderpreis“ ins Leben. Der Preis wird alle zwei Jahre mit einer Preissumme von 32 250 Euro vergeben.

Geist und Hände ruhen zu lassen, liegt Artur Fischer auch heute noch nicht. Immer wieder steht er in seiner Werkstatt in Tumlingen, grübelt über Lösungen für Alltagsprobleme nach – oder empfängt junge Erfinder, um ihnen Rat zur Seite zu stehen. Immer mehr Zeit hat er in den vergangenen Jahren an der Staffelei verbracht. Seine farbigen Pastellkreide-Zeichnungen drücken Harmonie und Lebensfreude aus. „Die Malerei“, sagt er, „ist für mich auch eine Chance, glücklich zu sein.“