100 Tage gibt es den Tolino Shine nun, mit dem sich die führenden deutschen Buchhändler gegen die Amazon-Übermacht stemmen wollen. Daher heute die erste Bilanz: Der E-Reader hat sich bislang "im hohen fünfstelligen Bereich" verkauft, wie Weltbild mitteilt. Damit liege man "deutlich über den optimistischen Erwartungen".

Weltbild weist auch darauf hin, dass die Stiftung Warentest den Tolino Shine zum "Preis-Leistungs-Sieger" gekürt hat. Gelobt wird vor allem die - im Gegensatz zu Amazons Kindle - Offenheit des Systems. "Was die Kunden schätzen: Der Tolino sperrt die Leser nicht in einen goldenen Käfig", betont Carel Halff, Vorsitzender der Weltbild-Geschäftsführung. Hinter dem Tolino-Projekt stehen die Buchhändler Weltbild, dessen Schwesterunternehmen Hugendubel sowie Thalia und Der Club Bertelsmann.

Ob die bisherigen Absatzzahlen den Erwartungen wirklich gerecht werden, ist allerdings fraglich. Halff hat laut Buchreport im April folgende Rechnung aufgemacht: Er rechne 2013 mit einem Gesamtabsatz von 1,4 Millionen E-Readern in Deutschland. Davon erwarte er einen Marktanteil von 36 Prozent für die Tolino-Partner. Dies würde bedeuten: Der Tolino Shine müsste sich rund 500.000 Mal verkaufen. Sollte sich der Absatz bislang noch im fünfstelligen Bereich befinden, ist das eine sehr ambitionierte Rechnung. Zumal sich der Werbedruck, der durch die Einführungskampagne (siebenstelliger Marketingetat!) entfacht wurde, nicht kontinuierlich durchhalten lässt. 36 Prozent ist für Halff deshalb die Messlatte, weil so hoch auch der Anteil der Tolino-Buchhändler am E-Book-Markt liegt. Amazon ist mit 41 Prozent in Sichtweite. Wie auch der Kindle ist der Tolino Shine zunächst ein Zuschussgeschäft mit dem Ziel, im E-Book-Markt zu punkten.

Dieser wächst ziemlich schnell, wie die vor einigen Tagen veröffentlichten Marktzahlen von Börsenverein und GfK zeigen: 2011 lag der Marktanteil der E-Books in Deutschland noch bei 0,8 Prozent, im vergangenen Jahr waren es bereits 2,4 Prozent, was einem Umsatz von rund 228 Milllionen Euro entspricht. Die Statistik zeigt auch, wie stark Amazon & Co. die stationären Buchhändler bedrängen: Der Umsatz der Onlinehändler stieg 2012 um 10,4 Prozent, sie besetzen nun einen Marktanteil von 16,5 Prozent. Die Sortimentsbuchhändler (ohne E-Commerce) büßten dagegen 3,7 Prozent ein und haben noch einen Anteil von 48,3 Prozent. 



Unterdessen rührt auch Amazon die Werbetrommel für den Kindle Paperwehite: Unter dem Motto "Umsteigen!" läuft eine Werbekampagne, die sich vor allem an Pendler richtet - bekanntlich Heavy User in puncto E-Book-Reader. Unter anderem sind laut HORIZONT.NET am Frankfurter Hauptbahnhof Plakate zu sehen, die die Fahrgäste: "Bitte umsteigen - auf die Textgröße Ihrer Wahl!" Das zielt allerdings weniger auf Tolido-Nutzer als auf Leser, die sich nach wie vor mit dem iPad von Apple begnügen.