Kenne die Bedürfnisse Deiner Kunden und folge Ihnen: Das Mantra für erfolgreiches Arbeiten im Handel hat auch im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts Bestand. Für viele Anbieter im stationären Handel mögen digitale Angebote eine große Herausforderung sein. Mit der positiven Grundhaltung und Investitionen in die Technik lassen sich wachsende Umsätze realisieren.

E-Commerce verändert die Konsumenten. Es ist eine durch und durch menschliche Verhaltensweise: Wenn Du eine gute Erfahrung machst, willst Du diese gerne wiederholen. Wer dies auf Anbieterseite ignoriert, wird mit Missachtung, also Umsatzeinbußen bestraft. Die Digitalisierung hat Kunden viel Transparenz und viele Zugriffsmöglichkeiten auf Produkte und Dienstleistungen gebracht, was wiederum den Machtschwerpunkt verschiebt. Wie an dieser Stelle bereits mehrmals ausgeführt wurde Händler neigen nach wie vor dazu, in Segmenten und einzelnen Kanälen zu denken.

Contextual Commerce – überall und jederzeit kaufen

Angesichts von Faktoren wie der Dominanz von Mobile, der Zunahme bargeldloser Transaktionen, der Bedeutung von Social Media und der großen Popularität des Online-Handels ist die Erweiterung des Horizonts keine Option, sie ist eine überlebenswichtige Notwendigkeit.

Informieren, suchen, vergleichen – smarte Käufer wechseln ständig die Vertriebskanäle. Wer sie halten will, sollte experimentieren und beobachten, was die erfolgreiche Konkurrenz treibt
© K. Macniak/Shutterstock
Informieren, suchen, vergleichen – smarte Käufer wechseln ständig die Vertriebskanäle. Wer sie halten will, sollte experimentieren und beobachten, was die erfolgreiche Konkurrenz treibt
"Wir leben zunehmend in einer kontextspezifischen Welt, mit einem Supercomputer in der Tasche, der eine ganze Menge Daten und Signale über den Benutzer enthält", sagt Aunkur Arya, SVP Mobile von Braintree, auf dem Online-Portal TechCrunch. Folglich sollte E-Commerce überall dort stattfinden, wo Verbraucher kaufen. Menschen sollten alles kaufen können – jederzeit, überall, per Klick oder Sprachbefehl. Das ist das Konzept hinter dem Schlagwort "Contextual Commerce": Händler binden ihre Angebote in die alltäglichen Aktivitäten und natürlichen Umgebungen ihrer potenziellen Kunden ein. So begegnet die Joggerin irgendwo einem praktischen Laufschuh, macht davon ein Bild oder sucht sofort online nach dem Anbieter, der diesen verkauft. Das ist die Zukunft.

Neue Kanäle mit Experimentierfreude öffnen

In der Gegenwart gehört Otto in Deutschland zu jenen Handelsunternehmen, die sich konsequent verändern und immer mehr Prozesse digitalisieren. Als Instagram 2018 seine Shopping-Funktion integrierte, erklärte Kerstin Pape, seinerzeit bei Otto Leiterin Onlinemarketing: "Wir haben die neue Funktionalität schon am Morgen nach dem deutschen Rollout für unseren offiziellen Kanal otto.de genutzt und bieten die Shopping-Funktion jetzt in den meisten neuen Posts an."

Mut und Experimentierfreude sind ideale Voraussetzungen auf dem Weg, dem Konsumenten in allen verfügbaren Kanälen konsistente und unkomplizierte Shopping-Erlebnisse zu bieten. Doch viele Händler versuchen gerade ihre ersten Schritte, das übrigens nicht nur in Deutschland wie eine Erhebung der Zahlungsplattform Adyen zeigt.

Kluft zwischen Angebot und Wünschen

Das niederländische Unternehmen, das als Nachfolger von Paypal jetzt der bevorzugte Bezahldienstleister von Ebay ist, befragte in 12 Ländern Konsumenten nach ihren Einkaufserwartungen und -erfahrungen. Parallel dazu gaben Händler über ihre Angebote und Perspektiven Auskunft. Die Ergebnisse liegen nur vor, zeigen unterschiedliche Konsumgewohnheiten in Ländern wie den USA, Deutschland, Hongkong, Singapur, Brasilien und Italien. Interessant ist, dass beide Umfragen in vielen Punkten eine große Kluft zwischen Kundenwünschen und Angeboten zeigen.

Am besten mit einem Klick oder so einfach wie möglich: Kunden wollen schnell bezahlen. Online nerven komplizierte Verfahren, stationär lange Schlangen.
© P. Teeraplatsakool/Shutterstock
Am besten mit einem Klick oder so einfach wie möglich: Kunden wollen schnell bezahlen. Online nerven komplizierte Verfahren, stationär lange Schlangen.
So berichten 70 % der Konsumenten, dass sie in den letzten sechs Monaten ihren Online-Warenkorb stehen gelassen haben, weil ihnen das Bestellen zu kompliziert war. Vor allem an einfachen, komfortablen Payment-Lösungen fehlt es: Bieten Händler das Zahlverfahren, das Kunden favorisieren, bleiben sie in guter Erinnerung. Das gilt übrigens auch im stationären Handel. Doch obwohl schnelles und flexibles Zahlen die Conversion Rate steigert, bieten nur 32 % der Online-Händler einfache und praktische Zahlverfahren mit wenigen Klicks an, bei den Modehändler sind es 39 %.

Wartezeiten und umständliche Prozesse beim Bezahlen

Im stationären Handel sieht‘s nicht besser aus: 41 % der Verbraucher würden gerne schnell und ohne langes Warten, bargeldlos bezahlen können. Doch nur 25 % der Händler bieten mobile Checkout-Optionen, nur 27 % Kiosk- Systeme oder Self-Checkout-Lösungen. In Deutschland haben sich 67 % der Einzelhändler nicht auf kontaktlose Zahlungen vorbereitet, wenigstens wollen 28 % bargeldlose Zahlalternativen noch 2020 einrichten.

Wie wichtig im Handel Omnichannel-Denken ist, zeigt die Umfrage ebenfalls: 37 % der Befragten bevorzugen Ladengeschäfte, 32 % wiederum die digitalen Kanäle. Die Händler wiederum scheinen die Bedeutung des Online-Handels zu kennen, vernachlässigen aber die Weiterentwicklung stationären Angebote. Einzelhändler aller untersuchten Regionen erwarten, dass sie bis 2023 mehr als ein Drittel ihres Umsatzes online generieren, derzeit liegt der Online-Anteil im Schnitt bei rund 20 %. Händler müssen folglich beide Kanäle berücksichtigen – oder sie lassen Einnahmen schlicht liegen.

Mobile Geräte in die Läden und zu den Angestellten bringen

Dass die Verzahnung von digital und stationär nicht nur bei Warenangebot und Kaufabwicklung wichtig ist, sondern auch in der Beratung, zeigt ein anderes Ergebnis: Seit Amazon ist bekannt, dass Empfehlungen und Cross-Selling verwandter oder ähnlicher Produkte eine erfolgversprechende Strategie zur Erhöhung des Einkaufswerts bei Online-Käufen ist. Die Methodik ließe sich auch für den Kauf im Laden anwenden. Aber, so die Studie: nur 22 % der Händler statten Verkaufspersonal mit mobilen Geräten aus, mit denen sie Kunden personalisierte Empfehlungen geben können, die auf vorherigen Transaktionen basieren. Unter diesen belegen Beauty-Händler den Spitzenplatz (36 %).

Ein anderer Schritt zur Kundengewinnung und -bindung ist, online Inhalte zu generieren und potenzielle Kunden auf einer tieferen Ebene als dem des reinen Geschäfts anzusprechen. Der Ansatz wird unter Schlagwörtern wie „Shoppable Content“, „Shop the Look“ und „Inspirational Shopping“ zusammengefasst: Kunden sollen inspiriert werden, Inhalte zu Fashion, Deko, Wohnen sollen sie zum Kauf bewegen. Die Inspiration kann über soziale Medien erfolgen, aber auch im eigenen Shop.

Inhalte zum Angebot liefern und Eigenes entwickeln

Die Erfahrung zeigt, dass sich so die Kundenbeziehung verbessern und die Markentreue stärken lässt. Wie die Adyen-Erhebung belegt, sind Verbraucher offen für Contextual Commerce und nutzen Shopping-Erlebnisse, die es ihnen ermöglichen, spontan einzukaufen. 44 % der befragten Konsumenten sagen, dass sie häufig soziale Netzwerke zum Shoppen, Vergleichen und Entdecken neuer Produkte nutzen, 20 % sagen, dass sie auf sozialen Netzwerken auch ihre Käufe abschließen.

Umso wichtiger ist es für die Händler, eigene Angebote zu entwickeln. Doch es gibt einen Haken, wie Meghan Stabler, VP Global Product Marketing bei BigCommerce, ausführt: Für die Einzelhändler besteht die Herausforderung darin, unterschiedliche digitale Technologien und Denkweisen miteinander zu verbinden. Denn die Kreation von Inhalten unterscheidet sich vom Back-End der E-Commerce-Abwicklung. Ungeachtet dessen ist für Felix Schirl, CTO von Trbo, das Thema „Inspirational Shopping" einer der wichtigsten Trends des Jahres 2020.

Wenn für Verbraucher die Grenzen zwischen physischen und digitalen Einkaufserlebnissen zunehmend verschwimmen, müssen auch Händler die Trennung zwischen ihrem Laden und Online-Betrieb überwinden. Erfolg hat, wer Kunden in den Mittelpunkt jeder Interaktion stellt, personalisierte Angebote macht und Cross-Selling betreibt.