Alexander Wipf, Head of Strategy bei Leo Burnett Deutschland
Alexander Wipf, Head of Strategy bei Leo Burnett Deutschland
Markenshops, Händlerseiten, Shoppingclubs – die Geschäfts- bzw. Vertriebsmodelle im Bereich Mode sind vielfältig. Doch welche Strategie führt bei ‚frau’ zum Erfolg – und warum? In der Rahmenwerkstudie „PeopleShop“ untersuchte Leo Burnett dominante Shopping-Verhaltensweisen, Shopping Missionen, Bedürfnisse und Touchpoints. Alexander Wipf, Head of Strategy bei Leo Burnett Deutschland, zeigt in einem Gastbeitrag für etailment auf, welche Markenerlebnisse für welches Geschäfts- bzw. Vertriebsmodell in Zukunft vorranging von Bedeutung sein werden.


Wer künftig E-Commerce-Strategien- und -Konzepte erfolgreich realisieren möchte, muss als Unternehmen und/oder Marke die Verhaltensweisen, Erwartungen und die Kanalwahl der Shopper – speziell der weiblichen Zielgruppe – in der Shopper Journey verstehen.

Basierend auf dieser Erkenntnis wurde PeopleShop geboren. PeopleShop ist eine von Leo Burnett veröffentlichte, repräsentative, internationale Grundlagenforschung unter 13.400 Teilnehmern in 24 verschiedenen Produktkategorien und an bis zu 48 untersuchten Touchpoints. Ziel der Studie ist es, ein Rahmenwerk zur Planung von Markenerlebnissen zu etablieren.

Auf den Modebereich angewendet, kristallisieren sich drei vorherrschende archetypische Verhaltensweisen heraus: „Opportunistic Adventuring“, „Euro Defaulting“ und „Passionate Exploring“. Diese zeichnen sich jeweils durch  – ebenfalls quantitativ untersuchte – unterschiedliche Shopping-Missionen, variierende Erwartungen an das jeweilige Shoppingerlebnis sowie die Wahl der jeweiligen Touchpoints aus. Wenden Marken und Händlern diese Erkenntnisse an, verstehen sie, welche Art von Markenerlebnissen ihren Shoppern am effektivsten beim Einkaufen hilft und so an ihre Marke bindet.

Archetypen im Shop (Grafik: Leo Burnett)
Archetypen im Shop (Grafik: Leo Burnett)

Verhaltensweisen beim Mode-Shopping

‚Opportunistic Adventuring’ trifft auf 51% der Frauen in Deutschland zu und ist eine Art abenteuerlustiges ‚Schnäppchenjagen’. Durch den menschlichen Sammlerinstinkt und das Erfolgsgefühl, etwas Schönes günstig bekommen zu haben wird eine positive Stimulation auslöst. Laut Untersuchung eignen sich für diese Verhaltensweise in Deutschland Markenshops, beispielsweise von s.Oliver oder H&M weitaus weniger (51% der Frauen stuften sie als ungeeignet ein) als Shopping-Clubs wie Vente-Privée, Limango und Händlerseiten wie Zalando oder Asos.

Beim ‚Passionate Exploring’ hingegen sucht Frau ständig nach dem letzten, neuesten Schrei um jeden Preis. Gerade im Premium- und Luxusbereich schmücken sich Shopperinnen gerne mit der neusten Mode und stellen ihre errungene Beute zur Show. Für die Positionierung und den Erfolg von Markenshops, die zumeist nicht Händler-, sondern Mode- und Stylekompetenz markenkommunikativ in den Vordergrund stellen, ist dieses Verhalten entscheidend. Diese Verhaltensweise ist allerdings oft eine Wunschvorstellung seitens der Marketingverantwortlichen an ihre Kundinnen. Leider entspricht dieses Wunschdenken in Deutschland nicht der Realität. Denn nur 11% der Frauen in Deutschland sind ‚Passionate Exploring’-Shopperinnen. Anders sieht dies bei den trend- und modeaffinen Italienerinnen aus: Fast ein Viertel (23%) aller Userinnen in Italien legen ein solches Verhalten beim Shoppen an den Tag.

Basierend auf diesem Verhalten scheint das Marktpotential für Passionate Exploring eher gering zu sein. So suchen sich Frauen in dieser Verhaltensweise die Inspiration eher auf Blogs und in Zeitschriften und kaufen dann lieber offline und im unabhängigen Einzelhandel. Oder aber online durch gezielte Suchanfragen, wenn es darum genau den einen Trend zu finden. Markenshops, Shopping-Clubs und die großen Händleranbieter haben also das Nachsehen, weil sie dieser Verhaltensweise aus verschiedenen Gründen nicht gerecht werden.

Markenshops könnten hier noch am ehesten punkten: Nämlich dann, wenn sie ihre eher funktionalen E-Commerce Erlebnisse mit Inhalten und Erlebnissen anreichern, die ihre Style- und Trendkompetenz belegen. Markenshops müssen die Shopperinnen durch die angebotenen Trend-Artikel modisch ‚transformieren’, statt ihnen nur eine funktionale Transaktion zu bieten. Um dies zu erreichen, helfen unter anderem distribuierte und ‚ungebrandete’ Erlebnisse außerhalb der eigenen Owned Media-Kanäle. Verbunden mit der vorhandenen Mode- und Stylekompetenz der Marken in ihren stationären Filialgeschäften können diese Maßnahmen positive Verhaltenstrigger aktivieren. Dann lässt sich das leidenschaftliche Entdecken auch in den digitalen Kanal übertragen – sofern der Preis keine Rolle spielt.

Denn noch verbreiteter als das ‚Passionate Exploring’ ist in Deutschland das ‚Euro Defaulting’. Es betrifft 17% der Shopperinnen: Frauen, die auf diese Weise einkaufen, greifen automatisch immer zum Produkt mit dem niedrigsten Preis, ohne jegliche Marken- oder Trendaffinität. Die in Deutschland verbreitete Discountkultur und die Vorliebe für Ramschware verschont auch nicht die Modebranche. Hinzu kommt, dass insbesondere Online-Händler den dauernden Drahtseilakt von Angebotsarchitektur und Preisstellung meistern müssen. Sie müssen zwischen ‚Passionate Exploring’ und ‚Opportunistic Adventuring’ lavieren, ohne in eine negative Preisspirale des ‚Euro Defaulting’ abzufallen.

Shopping-Clubs im Vorteil

Auch Shopping-Clubs, deren Daseinsberechtigung sich generell stark über den Preis definiert, müssen unter allen Umständen versuchen, nicht das Verhalten des ‚Euro Defaulting’ zu unterstützen. Es gilt also, nicht nur Schnäppchenjägerinnen eine Plattform zu bieten. Nur wenn die Clubs eine Stylekompetenz aufzubauen, adressieren sie das ausgabefreudige ‚Passionate Exploring’-Verhalten.

Einen entscheidenden Vorsprung haben Shopping-Clubs vor Händlerseiten und Markenshops:  Sie berücksichtigen, dass Frauen nicht nur für sich selbst einkaufen, sondern gerne auch für Freunde und Familie. Durch soziale Interaktion, Weiterempfehlungsfunktionen und Dashboards kommen Shopping-Clubs diesem weiblichen Kaufverhalten entgegen. Gerade hier sind die oben genannten Themen wie Social Curation, Visualität und neue Crossover-Effekte maßgeblich, wenn Shopping-Clubs neben altbewährten Händler- und Modemarken punkten wollen. Integrieren sie diese neuen Trends in ihre Strategie, stehen die Chancen gut, dass Shopping-Clubs das Rennen um die Krone für die erfolgreichste eCommerce-Strategie für sich entscheiden.

Lesen Sie dazu auch den Gastbeitrag von Alexander Wipf "Mode im Web braucht neue Kombinationen gegen den Einheitsbrei der Shops"