Wenn die Elektromobilität bei Pkw und Nutzfahrzeugen in Fahrt kommen soll, muss die Stromversorgung gewährleistet sein. Hier besteht in Deutschland unter den potenziellen Nutzern noch große Skepsis. Aktuell ist diese nicht wirklich begründet, wie nicht nur der Blick ins Ausland zeigt. Das Erreichen der hochgesteckten Ziele aber könnte schwierig werden. Also heißt es: Ladestationen bauen, bauen, bauen!

Da kann sich die Infrastruktur in Deutschland durchaus sehen lassen: Ende März zählte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) rund 17.400 öffentliche Ladepunkte, davon seien etwa 12 Prozent Schnelllader; das ergibt ein Verhältnis von 1:11.
Ambitionierte Ziele der E-Mobilisierung
Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Verteilung doch sehr unterschiedlich ausfällt: So stehen in Hamburg, der laut BDEW in Sachen Infrastruktur führenden deutschen Stadt, 785 öffentlich zugängliche Ladepunkte bereit, in Hannover sind es nur 50, und auf dem Land, insbesondere im Osten Deutschlands, zeigt die nicht ganz unstrittige Ladesäulenkarte der Bundesnetzagentur große Lücken.
Für den privaten Bereich bestehe entsprechend der von der nationalen Plattform Elektromobilität definierten Quote (1,125 Ladepunkte pro Fahrzeug) die Notwendigkeit von circa 8 bis 11 Million Ladepunkten. Bis 2025 werde, so der VDA, bereits ein Drittel dieser Anzahl benötigt, sowohl bei den öffentlich zugänglichen, als auch bei den privaten Ladepunkten.
Wie steht es um den Strombedarf?
Um diese Ziele zu erreichen, sind einige Investitionen erforderlich. Der zusätzliche Strombedarf ist hierbei aber unproblematisch. Nach Berechnungen von edison.handelsblatt.com beträgt der Strombedarf, der durch die Elektrifizierung aller Kfz in Deutschland entstehen würde, bei gut 177 Terawattstunden. Nur sehr große Optimisten gehen aktuell davon aus, dass 2030 mehr als ein Viertel aller Kfz im Deutschland mit Elektroantrieb ausgestattet sind, der Mehrbedarf würde somit eher bei 45 Terawattstunden liegen.Allerdings wird sich die Bedarfskurve ändern, weil die Stromabnahme zu andere Zeiten erfolgt: So dürfte der Bedarf abends deutlich ansteigen, wenn Fahrzeuge am Ende des Arbeitstages aufgeladen werden. Die Auswirkungen für die allgemeine Stromversorgung seien aber gering, prognostiziert McKinsey: 2030 werde hierdurch die Spitzenlast auch nur um ein Prozent steigen.
Was im nationalen Durchschnittsvergleich eine beinahe zu vernachlässigenden Größe darstellt, ist unter lokalen Gesichtspunkte durchaus signifikant: Gerade in Metropolen und den Randgebieten großer Städte könnte bei großer Verbreitung von E-Fahrzeugen (Kfz-Anteil von 25 Prozent) der Bedarf in Spitzenzeiten um bis zu 30 Prozent steigen und lokale Stromversorger vor größere Herausforderungen stellen.
E.On gab indes Entwarnung. Die eigenen Netze, so das Ergebnis einer gemeinsamen Studie mit dem Beratungsunternehmen Consentec, seien „bereit für eine vollständige Umstellung auf elektrische Pkw“, zitiert die Wirtschaftswoche. Voraussetzung dafür seien aber, so heißt es „weiterhin kontinuierliche und vorausschauende Investitionen in die Netz-Infrastruktur“.
Prinzipiell also ist die Versorgung machbar. Jetzt muss der Strom nur noch zu den E-Autos. Das werde, so McKinsey, zunächst noch überwiegend über Ladepunkte in heimischen Garagen erfolgen. In dem Maße, in dem E-Mobilität jedoch breitere Bevölkerungsschichten und Haushalte mit mittleren und niedrigeren Einkommen erreiche, die nicht über private Ladepunkte verfügten, werden öffentliche Ladestationen an Bedeutung gewinnen und, so McKinsey, im Jahr 2030 47 Prozent der Infrastruktur ausmachen.
Wer wird die hierfür nötigen Investitionen aufbringen? Die Bundesregierung fördert den Aufbau von 15.000 langsamen und 5.000 schnellen Stationen (Normalladestationen und Schnelladestationen) bis 2020 mit insgesamt 300 Millionen Euro. Geht es nach Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, soll der Staat beim Ausbau privater und gewerblicher Ladestationen bis zu 50 Prozent der Kosten übernehmen, wofür etwa 1 Milliarde Euro bereitgestellt werden müsste.
Supermarkt-Ketten bauen Ladestationen
Doch das Bewusstsein, dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, Elektromobilität voranzubringen, wächst allgemein. Kaufland und Aldi-Süd haben in den letzten Jahren bereits rund 150 Ladestationen auf ihren Parkplätzen gebaut, jetzt stattet der Discounter Lidl Parkplätze seiner Märkte mit 400 Ladesäulen aus. Wolf Tiedemann, Geschäftsleiter Zentrale Dienste bei Lidl Deutschland, begründet die Investition damit, der flächendeckende Ausbau der Ladeinfrastruktur sei ein entscheidender Faktor für den Erfolg von Elektrofahrzeugen und eine Investition in die Mobilität von morgen.Start-up vernetzt Lademöglichkeiten
Dabei geht es auch um Vernetzung. Zwei Beispiele:188 Stadtwerke haben sich bislang zum Verbund ladenetz.de zusammengeschlossen und kooperieren zur Einführung, Weiterentwicklung und Förderung von Elektromobilität. Lokale Energieversorger können ladenetz.de als Partner beitreten und Teil eines deutschlandweiten Netzwerks werden, das aktuell rund 3.000 Ladepunkte umfasst. Hinter ladenetz.de steht Smartlab. Das wurde übrigens 2010 von den Stadtwerken Aachen, Duisburg und Osnabrück gegründet. Nun sind der Energiedienstleister erdgas schwaben und Thüga in den Gesellschafterkreis eingestiegen.
Einer der vielversprechenden Wettbewerber ist Hubject. Das Berliner Start-up will die Lademöglichkeiten Europas miteinander verknüpfen und den Datenaustausch regeln. Mehrere Autobauer und Zulieferer unterstützen das Projekt.
Hubject - Das intercharge-Netzwerk - für Fahrstromanbieter
Die Berater von McKinsey meinen, Europas Industrie müsse die gesamte Kette der Energiebereitstellung und -nutzung in den Blick nehmen. Und die Automobilindustrie reagiert. VW bietet über eine Konzerntochter Ökostrom an, Daimler Stromspeicher für Zuhause, mit BMW, Daimler, Ford und VW haben sich vier große Hersteller den Firstmover Tesla zum Vorbild genommen und investieren in Infrastruktur.
Ihr Gemeinschaftsunternehmen Ionity will bis 2020 rund 400 Schnellladestationen in 23 europäischen Ländern aufbauen. In Deutschland wird mit dem Standortpartner Tank&Rast zusammengearbeitet, hier sind 80 Standorte angepeilt, an denen im Durchschnitt 4 bis 6 Ladesäulen pro Station gebaut werden sollen.

E-Mobilität bedeutet auch neue Services
Doch wie man es auch dreht und wendet – ohne Ladestationen keine E-Mobilität. So ist es fast natürlich, dass Hersteller von E-Fahrzeugen auch Infrastruktur anbieten. In der Kommunikation für seinen Transporter eVito wirbt Mercedes-Benz damit, auch der Ansprechpartner zum Thema Ladeinfrastruktur zu sein, und bietet eine eigene Wallbox Home an, die auch Elektrofahrzeuge anderer Hersteller mit Strom versorgen kann.E-Mobilität ist mehr als nur eine neue Antriebsform, die Autokonzerne sind nicht mehr nur Autohersteller: Die Fahrzeuge verändern sich und mit ihm die Services. Diese werden digital und umfassen nunmehr auch Aspekte, mit denen sich Autohersteller früher wohl kaum beschäftigt hätten. Beispiel: das Mehrwertpaket von Mercedes PRO connect „Digitalisiertes eVan Management“ zur bedarfsgerechten und lastoptimierten Steuerung der vernetzten Ladeinfrastruktur eines Fuhrparks, sprich: Fahrzeuge können durch Vermeidung von Lastspitzen kostenoptimiert geladen, Ladeprozesse komfortabel gesteuert werden, ohne den betrieblichen Tagesablauf ändern zu müssen.
