"Signore Luxus" greift nach Karstadt: Die Chancen, dass Maurizio Borletti doch noch den Zuschlag für das Warenhaus bekommt, steigen täglich. Bei Erfolg kann der Italiener seine Kaufhausvision umsetzen.
Auf dem Foto steht ein siegesgewiss lachender Mann mit verschränkten Armen vor einem gezeichneten Plakat, das wie ein Gemälde von Toulouse Lautrec aussieht. "La Rinascente" steht auf dem Plakat, und das ist der Name der italienischen Kaufhauskette, die Borletti gehört.
In den Häusern in Rom, Turin oder Palermo regiert der Luxus. "Einkaufen verlangt Inspiration und überraschende Einfälle", lautet der Anspruch. Dank der Mischung aus italienschen und internationalen Marken sei "La Rinascente" die Kaufhauskette, wo schöne Ideen Wirklichkeit würden.
Sticheln gegen Berggruen
Borletti ist tatsächlich ein Mann für schöne Ideen und überraschende Einfälle. Seit über einer Woche ist der 43-Jährige ebenfalls Bieter für Karstadt, für 100 Millionen Euro will er das insolvente deutsche Warenhaus kaufen - unterstützt vom US-amerikanischen Einzelhandelsinvestor Gordon Brothers.Nominell kommt das Angebot einige Wochen zu spät, denn der deutsch-amerikanische Investor Nicolas Berggruen hat bereits im Juni mit Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg einen Kaufvertrag geschlossen.
Doch besiegelt ist dieses Papier noch lange nicht - das weiß auch Borletti, und deswegen inszeniert er nun seinen Auftritt als Karstadt-Interessent, den er lange vorbereitet hat.
So überraschend ist sein Angebot nämlich nicht, die notorischen Sticheleien gegen Berggruen sowie die Zweifel an dessen Warenhauskompetenz erreichten sogar Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen.
"Sein Angebot hat Stärken"
Berggruens Hauptproblem ist seit Wochen Highstreet. Solange das Vermieterkonsortium, das ebenfalls für Karstadt geboten hatte, nicht über den gewünschten Nachlass für die Mieten der Karsthäuser entscheidet, wird der Investor nicht zum Zuge kommen. 86 von 120 Filialen gehören zu Highstreet - und zwei Prozent an Highstreet gehören wiederum Borletti.Je mehr sich Berggruen an Highstreet die Zähne ausbeißt, umso besser werden Borlettis Chancen. "Sein Angebot hat durchaus seine Stärken, insesondere was die Stabilität des Geschäfts und damit die Arbeitsplätze für die 25.000 Mitarbieter betrifft", lobte ein Highstreet-Sprecher bereits.
Das Lob ist so zu verstehen: Borletti verspricht, höhere Mieten zu zahlen als Berggruen, zudem will er keine gesonderten Mietverträge für die Luxus- und Sporthäuser fordern.
Berggruen läuft die Zeit davon
Maurizio Borletti spekuliert darauf, dass Berggruen die Zeit davon läuft und Görg unter Druck gerät. Denn am 3. September will das Essener Amtsgericht über die Annahme des Insolvenplans entscheiden. Viermal wurde dieser Termin bereits verschoben - einen fünften Anlauf wird es nicht geben, haben die Richter mitgeteilt.Einen Tag vorher treffen sich die Highstreet-Gläubiger in London, um nochmals über Mietsenkungen zu befinden. Es geht auch um eine Anleihe in Höhe von 780 Millionen Euro, die aufgrund der modifizierten Mietverträge dann geändert werden müsste.
Borletti hatte am Donnerstag schon verkündet, dass er bis zum besagten 2. September "ein schlüsselfertiges Angebot" für Karstadt unterbreiten wolle. Bis dahin wolle er "alle Stolpersteine aus dem Weg geräumt haben", betonte eine Sprecherin.
Das Rennen um Karstadt wird also wahrscheinlich in einem Endspurt entschieden. Drei Ausgänge sind möglich:
• Berggruen wird neuer Besitzer, weil Highstreet den Mietsenkungen zustimmt
• Borletti wird neuer Besitzer, weil Berggruen verliert und Görg es sich nicht leisten kann, den dritten Fall zu riskieren
• Karstadt wird zerschlagen, weil das Amtsgericht den Insolvenzplan nicht abnimmt.
Nach Lage der Dinge ist Fall zwei nicht unwahrscheinlich, auch wenn Görg immer wieder betont, dass nur Berggruen sein Ansprechpartner ist - und auch die Gewerkschaft Verdi gegen Borletti wettert.
Sollte es so kommen, hätte der Italiener einen weiteren Beweis seines Charakters geliefert. "Der unersättliche Italiener" nannte ihn einmal die französische Tageszeitung "Le Monde". Auch in Frankreich ist der Kaufhausbesitzer aktiv - er ist Miteigentümer von Printemps.
Europäischer Gedanke
Gelänge ihm der Karstadt-Deal, hätte Borletti die große Chancen, seine Vision von einer europäischen Kaufhauskette zu verwirklichen. Denn sein Interesse an Kaufhof ist schon länger bekannt, die Verkaufsabsichten der Kaufhofmutter Metro sind ebenfalls nicht neu, gleichwohl das Interesse von Konzernchef Eckhard Cordes, die besten 60 Karstadt-Häuser zu übernehmen.Aus dieser Interessenlage ergibt sich nur eine logische Konsequenz: Kaufhof und das beste von Karstadt wird entweder von oder mit Borletti irgendwann zusammengeführt - zu einem großen Kaufhauskonzern. Und dort wird es dann edel zugehen. "Das Streben nach Luxus ist so fest in unserer Gesellschaft verankert, dass ihm eine Krise nichts angehaben kann", behauptet der Italiener.
Luxus, das ist Borlettis Welt. Oder zumindest will er sich eine solche Welt bauen. Er wollte bereits die Edelmarken Lacroix und Escada retten - und scheiterte.
Derzeit läuft in Italien das Bieterverfahren für die insolvente süditalienische Modegruppe IT Holding, und Borletti gab für den Lizenzhersteller Itierre (mit Marken wie Just Cavalli und Gianfranco Ferré) ein Angebot ab. Im September werden die Insolvenzverwalter über die Offerten befinden.
Billig kann er nicht
Dass er Unternehmen sanieren kann, bewies Borletti als nur 25 Jahre alter frisch gebackener BWL-Absolvent. 1993 übernahm er die französische Schmiede für Tafelsielber und verkaufte sie saniert elf Jahre später.Was er offenbar nicht kann: billig. Die entsprechende italienische Kaufhauskette Upim stieß Borletti Ende 2009 wieder ab. 135 Häuser waren hoch defizitär und werden nun vom italienischen Warenhauskonzern Coin saniert.
Borletti ist aber weder ein Silberschmied, noch ein "Kaufhausmogul". Seine Anteile an La Rinascente und Printemps liegen bei nur wenigen Prozent - Investoren und Banken sind die hauptsächlichen Besitzer dieser Unternehmen.
Seine bisherige Investmentstrategie war stets geschickt: Immer nur kleine Anteile erwerben, und stets einen großen Finanzpartner an der Seite wissen. Ihm genügt es, wenn er nach außen hin den Boss spielen darf. Oder den Zirkusdirektor.
Steffen Gerth
Lesen Sie hier eine Zusammenfassung der vergangenen 14 Monate des Karstadt-Dramas.
Die Sendung MittelstandTV mit einem Bericht über Warenhäuser sehen Sie hier.