Von den Produktionsstopps in japanischen Betrieben ist auch die Unterhaltungselektronik betroffen. Befürchtungen, die Preise für diese Produkte könnten heftig steigen, wollen deutsche Fachleute nicht teilen.

Es ist eine gewagte Prognose, die die Markforscher von iSuppli verkünden: Für die Amerikaner sind wegen der Natur-und-Atomkatastrophe in Japan "dramatische" Preissteigerungen für Unterhaltungselektronik möglich.

Für zwei Wochen reichten die Vorräte in den Lagern der Hersteller noch, dann werde es ernst: "Die Engpässe dürften Ende März oder Anfang April offensichtlich werden", schreibt iSuppli.

Zwar steht auf der überwiegenden Zahl der Elektronikgeräte mittlerweile "Made in China". Doch aus den japanischen Fabriken stammen oft wichtige Komponenten, ohne die die Chinesen nicht weiterarbeiten können.

Nach den Daten der Marktforscher von iSuppli und TrendForce hat Japan einen Anteil von rund 17 Prozent an der gesamten Konsumelektronik. Jeder fünfte Chip auf der Welt stammt demnach aus Japan - und jeder zehnte Flachbildschirm.

Das Herz des USB-Sticks

Besonders gut im Geschäft sind die Japaner bei sogenannten Flash-Chips zur Datenspeicherung. Ohne diese Bauteile spielt kein moderner MP3-Player, funktioniert kein Smartphone und wird auch jede Digitalkamera nutzlos.

Flash bildet auch das Herz eines jeden USB-Sticks. Japan hat nach den Daten der Marktforscher einen Weltmarktanteil an diesen Speicherchips von 35 Prozent.

Die Preise für einzelne Bauteile sind bereits kräftig gestiegen, auch wenn es aktuell noch gar keine Knappheit gibt, wie iSuppli feststellte. "Das sind die psychologischen Auswirkungen der Katastrophe."

Am Montag, als sich die Lage in Japan immer weiter zuspitzte, verteuerten sich die Flash-Chips nach Angaben der Marktbeobachter von DRAMeXchange um bis zu 18 Prozent und legten am Dienstag um weitere fünf Prozent zu.

Dramatisch - ein Unwort

Die Frage ist allerdings, wann die Hersteller ihre höheren Kosten an die Endkunden weitergeben. "Kurzfristig kann man Preiserhöhungen nicht ausschließen", sagte Alex Pols vom deutschen Hightechverband Bitkom. Lieferprobleme seien jedoch noch nicht bekannt.

Diesen Eindruck bestätigt der größte deutsche Handelskonzern Metro, zu dem die MediaMarkt- und Saturn-Geschäfte gehören. "Bisher ist die Ware angekommen", betonte ein Sprecher am Dienstag.

Für Boris Planer hält angesichts der Leiden der japanischen Bevölkerung das Wort "dramatisch" in Bezug auf Preise für Flachbildschirme oder Smartphones für unangemessen.

Der Research Director Marktdaten bei den Einzelhandelsexperten Planet Retail verweist darauf, dass die Preise für Unterhaltungselektronik seit Jahren immer weiter gesunken sind, "tiefer geht es doch kaum noch, und die Zeiten fallender Preise sind aufgrund steigender Energie- und Arbeitskosten ohnehin vorbei. Und ein Anstieg von 120 auf 140 Euro für ein Produkt wären für den deutschen Verbraucher zu verschmerzen", sagte Planer zu derhandel.de

Ohnehin teilt der Experte nicht in den Pessimismus von iSuppli. "Ich glaube nicht, dass es Angebotsengpässe geben wird." Denn bei aller Bestürzung über die Lage in Japan, "das Ereignis ist für unsere Volkswirtschaft noch zu geringfügig. Der deutsche Elektronikmarkt ist nicht von Japan abhänging, und schon gar nicht vom Nordosten des Landes".

Philips statt Toshiba

Joachim Stumpf, Geschäftsführer der Handelsberatung BBE München, erwartet gleichfalls keinen generellen Preisanstieg für Unterhaltungselektronik.

Toshiba hat zwar zu Beginn der Woche seine Produktion von Flachbildschirmen in der Nähe von Tokio vorübergehen eingestellt. Wenn aber deswegen der deutsche Verbraucher keine Geräte des japanischen Konzerns kaufen kann, "dann greift er eben zu Substitutprodukten", sagt Stumpf im Gespräch mit derhandel.de

Philips statt Toshiba, könnte dann die Kaufentscheidung heißen. Dass davon das Preisgefüge eines kompletten Marktes durcheinander gewirbelt wird, ist fraglich.

Auch Handelsbetriebe schlagen eher leise Töne an. Euronics teilt mit, dass man derzeit noch nicht sagen könne, wie sich die Krise in Japan auf den deutschen Handelsmarkt auswirken wird. "Wir wissen noch nichts Konkretes, stehen aber mit unseren Lieferanten in ständigem Kontakt", schreibt die Verbundgruppe für Elektronikhandel auf Nachfrage von derhandel.de

Volker Müller, Vorstandsvorsitzender beim  Euronics-Wettbewerber Expert, betont, dass es noch nicht möglich sei, eine umfassende Einschätzung über die Lage in Japan und die damit verbundenen Auswirkungen zu geben.

"Insbesondere ist es für die Zukunft bedeutungsvoll, inwieweit die Hersteller von hochwichtigen Komponenten wie Muttergläsern nachhaltig betroffen sein werden", sagte Müller zu derhandel.de "Unabhängig von der Bedeutung der Lieferfähigkeit steht natürlich das Schicksal der betroffenen Menschen vor Ort im Vordergrund."

Auf andere Hersteller ausweichen

Bisher gib es in Deutschland wenige Pessimisten, die wegen der Lage in Japan Alarm schlagen. Als einer der Ersten drängte gewohnheitsmäßig Mario Ohoven in die Öffentlichkeit.

"Es gibt jetzt schon Engpässe, und diese werden sich verschärfen", sagte der Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) der Nachrichtenagentur dpa. Es gebe deutliche Lieferprobleme. Dies treffe vor allem deutsche Mittelstandsfirmen im optischen Bereich und aus der High-Tech-Branche.

In Japan werden Spezialgläser und Gestelle für die Optik hergestellt, aber auch einzelne europäische Länder wie Frankreich sind nach BVMW-Angaben auf dem Gebiet stark. Doch was ist die Konsequenz? "Man wird also auf andere Hersteller ausweichen können, wenn die Japaner Engpässe haben", sagte Helmut Bauer, Vorstandsvorsitzender der Firma Binderoptik, der dpa.

Preissteigerungen seien deshalb weder in der Herstellung noch beim Endkunden zu befürchten. Zudem habe die japanische Industrie einen großen Teil ihrer Produktion nach Thailand oder China ausgelagert und könne die Engpässe aus Japan so abfedern.

Steffen Gerth, mit Material von dpa