Lahmgelegte Smartphones, streikende Geldautomaten, schlecht informierte Soldaten in Kriegsgebieten: Zehn spektakuläre Fälle aus dem Jahr 2011 zeigen, welchen Schaden fehlerhafte Software anrichten kann.
"Von Strafzahlungen in Millionenhöhe über weltweite Massenrückrufe von Autos bis hin zu Menschen, die unschuldig ins Gefängnis mussten – jeder einzelne dieser Software-Fehler hätte durch effektives Test- und Qualitätsmanagement im Vorfeld vermieden werden können", ist Rudolf van Megen, Chef von SQS Software Quality Systems, überzeugt.
Zum Beispiel kam einen internationalen Finanzdienstleister eine fehlerhafte Software recht teuer zu stehen: 25 Millionen Dollar Strafe hatte die US Finanzaufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) verhängt, weil der Finanzdienstleister einen Fehler in einer Software-Anwendung eines Investment-Fonds vertuscht hatte. Zudem musste das Unternehmen den geprellten Anlegern den entstandenen Schaden zurückerstatten. Das waren noch einmal 217 Millionen Dollar, umgerechnet gut 160 Millionen Euro.
Japaner tagelang ohne Barschaft
Im zweiten Fall kamen hunderttausende Japaner nicht an ihr Geld: Durch einen Software-Fehler bei einer der größten Banken in Japan fielen landesweit rund 5.600 Geldautomaten für 24 Stunden aus. Um die Systemwiederherstellung zu beschleunigen, mussten alle 38.000 Geldautomaten vom Netz genommen werden. Über mehrere Tage war kein Onlinebanking möglich. Erst nach einer zehntägigen Verzögerung konnte die Bank alle Lohnüberweisungen mit einem Gesamtvolumen von umgerechnet gut einer Milliarde Euro bearbeiten.Umgekehrt erging es den Australiern: Dort verschenkten Bankautomaten Geld an Kunden. In den Städten Sydney, Melbourne und Brisbane konnten Kunden gut fünfeinhalb Stunden uneingeschränkt Geld an 40 defekten Geldautomaten abheben. Möglich machte den überraschenden Geldsegen eine Störung in der Datenbanksoftware, die die Automaten in den Stand-by-Modus versetzte: Die Geräte erkannten weder die Grenze des Tageslimits, noch wussten sie, ob das Konto überhaupt gedeckt war.
Dumme Smartphones
Ein Softwarefehler legte 2011 auch Millionen Handys lahm: Kein Surfen im Internet, kein Zugang zum E-Mail-Account und keine Instant Messaging-Dienste – ein Netzwerkausfall beim Smartphone-Hersteller Blackberry verursachte auf den Endgeräten von Millionen Kunden einen Datenrückstau. Betroffen waren die Regionen Europa, Afrika als auch der Mittlere Osten und Lateinamerika.Nachträglich musste das Unternehmen mehrere Milliarden E-Mails abarbeiten. Der Netzwerkausfall war auf ein Rechenzentrum in Großbritannien zurückzuführen, bei dem zu allem Überfluss auch noch das Reservesystem versagte.
Mehr als 20.000 Teilnehmer der Greencard-Lotterie wiederum freuten sich zu früh über den baldigen Erhalt einer Arbeitserlaubnis in den USA. Ein Programmierfehler führte zu einer unfairen Ziehung der Greencard-Gewinner, die somit gegen das US-Gesetz verstieß. Also wurden alle Ergebnisse revidiert und die Verlosung wiederholt.
22 Unschuldige festgenommen
Rund 3.600 Defekte in einem Computersystem und Probleme bei der elektronischen Übertragung von Informationen führten dazu, dass im australischen Bundesstaat New South Wales 22 unschuldige Personen als kriminell deklariert und festgenommen wurden. Das fehlerhafte System kostete immerhin umgerechnet gut 31 Millionen Euro. Doch statt die Kosten zu senken und die Prozesse zwischen den Gerichten und der Polizei zu beschleunigen, hagelte es Sammelklagen zu Schadenersatz wegen unrechtmäßiger Verhaftung und böswilliger Strafverfolgung.Auch in Deutschland kam es zu einem Daten-Chaos bei der Umstellung auf die elektronische Lohnsteuerkarte: Durch einen Software-Fehler erfassten und verschickten Finanzämter bei bis zu 600.000 deutschen Steuerzahlern falsche Lohnsteuerdaten. Dabei verwechselte die Software beispielsweise die Religionszugehörigkeit, löschte bisher gültige Freibeträge und vertauschte bei Ehepaaren die Lohnsteuerklassen "drei" und "fünf" miteinander. Die elektronische Lohnsteuerkarte soll nun – mit zwei Jahren Verspätung – im Jahr 2013 eingeführt werden.
Autos machten sich selbstständig
Weltweit knapp eine Million Autos musste ein japanischer Autohersteller zurückrufen, weil unter anderem elektrische Fensterheber zu einem Brand führen konnten. Darüber hinaus rollten 26.000 Fahrzeuge durch einen Programmierfehler im Motormanagement wie von Geisterhand selbsttätig vor und zurück, sobald der Fahrer den Motor abwürgte. In Deutschland waren von diesem Fehler knapp 2.400 Autos betroffen. An der Börse in Tokio brach die Aktie des Herstellers um fast fünf Prozent ein.Nach der persönlichen Anmeldung an einem neu eingeführten elektronischen Ticketsystem eines deutschen Logistik- und Reiseunternehmens konnten nachfolgende Nutzer sämtliche vertrauliche Daten ihres Vorgängers einsehen: von der Adresse über die Telefonnummer bis hin zur Bankverbindung. Ein Software-Fehler hatte die Informationen des über mehrere Jahre entwickelten Systems offengelegt.
Veraltete Informationen im Kriegseinsatz
Der Einsatz eines umgerechnet gut zwei Milliarden Euro teuren Computersystems der US-Armee sollte wiederum durch Echtzeitinformationen zur Aufklärung und Überwachung beitragen und eine Analyse der Ist-Situation vor Ort liefern. Stattdessen behinderte es die an der Front kämpfenden Truppen in Afghanistan und im Irak: Das System bewerkstelligte selbst einfache analytische Aufgaben nicht und reagierte verzögert, sobald es mehrere Personen gleichzeitig nutzten.Ungenaue Berichte lieferte darüber hinaus auch das Suchinstrument des auf Cloud Computing basierenden Netzwerkes – die Software war nicht kompatibel mit den bereits in der US-Armee existierenden Programmen.